16. Juli: Neumünster

Neumünster: Gerisch-Skulpturenpark und Grillen des Slowfood-Conviviums Lübeck in Einfeld

Heute nutzen wir die Hotelinfrastruktur und starten daher später. In den Stadtunterlagen habe ich den Gerisch-Skulpturenpark gefunden. Die gesamte Beschreibung klingt so interessant, dass wir das keinesfalls verpassen wollen. Schon die Annäherung kündigt Besonderes an: Der Zaun zur Straße besteht aus großen Glasplatten, transparent mit weißem Gardinenmuster bedruckt, der sich später als Skulptur von Olaf Nicolai herausstellt. Weiter gehts mit der wunderbar restaurierten Villa Wachholtz, die Eingang, Shop, Café und einen Teil der Sonderausstellungsfläche beherbergt. Auffällig sind die Jugendstil-Holzeinbauten, große Holzfenster zum Hochschieben, und ein freigelegter umlaufender Fries mit Malereien des früheren Kinderzimmers. Zum Park hin ergibt sich eine Terrasse, die erhöht über dem 1924 von Harry Maasz angelegten Reformgarten liegt, der nach hinten mit einer beeindruckenden Gruppe von Trauerbuchen, die einen großen Innenraum überdachen, abgeschlossen wird. Der Garten wird umschlossen von einem gestalteten Landschaftspark, nach hinten begrenzt durch die Schleifen des Flüsschens Schwale. In den Park mit seinen Teichen sind an passender Stelle eingefügt eine wachsende Zahl, mittlerweile 21, zeitgenössische Skulpturen international bekannter Künstler, darunter Antes, Breloh und Lüpertz. Die Natur liefert dazu passende Skulpturen. Als Sonderausstellung wird der schon mehrfach auf der Documenta vertretene Carsten Höller mit “Problemspiel” vorgestellt; es geht in Innen- und Außenobjekten und Fotografien um Verlockung – Risiko. Die ganze Anlage ist sehr gepflegt und in sich stimmig, darüber wacht die Frau des Stifterpaares Gerisch persönlich, die uns sogar an der Kasse berät. Den Stifter, den früheren Bauunternehmer und Landtagsabgeordneten Herbert Gerisch treffen wir vor seiner Villa aus den 60er Jahren, von der Teile als Malschule und Ausstellungsraum in die Anlage integriert sind. Herr Gerisch, fast 90-jährig, und sein Dobermann genießen sichtlich das Interesse an der durch seine 2001 gegründete Herbert-Gerisch-Stiftung geschaffenen Anlage, die für Neumünster und auch Schleswig-Holstein ein Highlight darstellt, wir empfinden es jedenfalls so. Durch die lebhafte Unterhaltung sehen wir nicht alles, was nichts macht, denn morgen vormittag findet hier eine Open-Air-Bläser-Matinee im Rahmen des jährlichen Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, das mich schon lange interessiert, statt. Wir sichern uns Karten und können morgen den Rest des Parks sehen.
Jetzt brechen wir auf durch die Stadt zum Bahnhof. Schon vor Monaten haben wir eine Veranstaltung des Slowfood-Conviviums Lübeck gefunden und uns angemeldet, einen Grillnachmittag bei einem Mitglied im Garten. Mit dem Stadtbus fahren wir in den Stadtteil Einfeld. Beim Ehepaar Sfreddo ist alles gerichtet, wir werden überrascht: nicht wir grillen zusammen, sondern ein Grillmeister, der auch an Weltmeisterschaften teilnimmt, hat ein Dach und darunter einen großen Gasgrill, einen Holzkohlen-Kugelgrill und einen Smoker aufgebaut. Verarbeitet wird nur Fleisch von einem ausgesuchten Schlachter aus dem Umland, der lange abgehangene Qualitäts-Ware mit lückenlosem Herkunftsnachweis liefert. Dazu gibt es Reh und gefüllte Champignons sowie Antipasti und Salate der Gastgeber. Der Convivienleiter, Gerrit Rinck, hat von einem Besuch in Geisenheim eine Probe von sechs Weinen eines Nahe-Winzers mitgebracht, sonst wird hier eher Bier getrunken, vertreten ist das Märzen der Ricklinger Landbrauerei. Wir bekommen eine Einführung in das professionelle Grillen; Michael Schwetasch von der Baltic BBQ-Crew erläutert, dass es ohne Bedeutung ist, ob Gas oder Holzkohle, speziellen Geschmack bringt nur Rauch, beispielsweise von speziellen Holzspänen. Er demonstriert mit seinen Speckspießen, Nacken- und Rindersteaks eindrucksvoll, dass es nicht um dunkel und angekohlt, sondern maximal um “Goldbraun-Metallic” und auf den Punkt geht. Alles schmeckt jedenfalls vorzüglich, alle sind komplett satt. Wir unterhalten uns angeregt, das Interesse an uns als externen Exoten und unserem Reiseprojekt ist groß. Wir erleben ein sehr aktives Convivium, das Reisen unternimmt, die bisher nicht mal die große Pfalz gemacht hat. Alles wird bereichert durch das gemeinsame Programm von Lübeck, Kiel, Hamburg und Lüneburg. Wir verabschieden uns nach einem gelungenen Abend, der uns nebenbei den Einblick in ein altes Neumünsteraner Adressbuch von 1970 beschert hat, darin in der Lütjenstraße 7 Puppen-Popp, Spielwaren, und die Schwestern Popp Marie, Gertrud und Hildegard. Auch die Produktion der Eis-Sahnescheiben, die ihren Ursprung im nahen Krückenkrug hier in Einfeld unter anderen beim Schausteller Thiel hat, kommt zur Sprache. Wir laufen durch Einfeld zum Bahnhof und fahren mit dem Zug nach Neumünster, für einen Stadtbus ist es zu spät. Den Mexikaner von gestern suchen wir für einen Absacker auf, dann reichts vor dem Einschlafen nur für etwas Fernsehen, der Text ist auf der Rückfahrt im Zug entstanden.

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15. Juli: Neumünster

Neumünster: Treffen mit Kulturbüro und Presse, Stadtrundgang (Ziel: Prof. Dr. Günter Dhom) und Museum Tuch+Technik

Vor dem Fenster unseres Zimmers habe ich einen Pool gesehen und gefragt, ob ich den nutzen könnte. Er ist zwar privat, aber ich darf! Ich liebe es, mich morgens statt länglich unter der Dusche im kühlen Pool aufzuwecken, wenn das direkt aus dem Bett heraus geht. Heute morgen ist es zwar feucht und kühl, das Wasser ist aber durchaus erträglich, nach einigen Schwimmzügen sogar angenehm. Danach fühle ich mich richtig wach und beginne mit dem Rest des Aufstehens. Wir haben einen Termin beim Kulturbüro der Stadt mit der Leiterin Frau Höhn und dem Redakteur des Holstein Courier, Rolf Ziehm. Zustandegekommen ist der Termin durch den Kontakt mit dem Stadtarchiv. Der Leiter, Dr. Obst, hat uns zu einigen Fragen weitere Hinweise gegeben und uns weitergereicht. Wir berichten über unsere Reisen und Erlebnisse und kommen gut in Fahrt, der Redakteur schreibt kräftig mit, Montag soll ein Bericht erscheinen. Die zündende Idee, wie man das Thema für die Stadt aufbereiten könnte, bleibt leider aus, die Randbedingung “kein Geld” schwebt wie immer im Raum. Wir bleiben in Kontakt. Rolf Ziehm fährt mit uns zur Redaktion und läuft eine Runde über Museum, Kleinflecken, Teich, Lütjenstraße und Großflecken und macht Fotos von uns. Dabei wird einiges klarer. Die Mühle am Ausfluss des Mühlenteichs in der Lütjenstraße direkt gegenüber dem alten Haus Nr. 7 von Puppen-Popp, wo Dr. Dhom das Rauschen des Wassers und die Eisenbahnen im Fenster beschrieben hat, steht nicht mehr, die Schwale kommt erst hinter der neuen Bebauung wieder aus dem Rohr, aus der Mühlenbrücke ist mittlerweile eine ganze Überbauung geworden. Nur das Gasthaus zur Mühle, das eine Beziehung zum Neumünster-Roman “Bauern, Bonzen und Bomben” von Hans Fallada hat, steht noch. Am Haus Nr. 2, wo die Großeltern Kutscheidt von Dr. Dhom gewohnt haben, sind keine Spuren mehr von Kutscheidts zu finden; kein Wunder, nachdem wir rausbekommen, dass das Haus ein Neubau ist und nur im Obergeschoss das alte Fachwerk nachempfunden wurde. Beim genauen Hinsehen ist das an einem alten Foto im Schaufenster des Feinkostgeschäfts Rüschmann zu erkennen, leider hat der Laden gerade Sommerferien. Ihren Charakter hat die schmale und ungerade Straße, jetzt als Fußgängerzone, behalten. Wir haben zwei Postkarten aus den 50er und 60er Jahren, auf denen der Blick von der Lütjenstraße über den Großflecken in die Holstenstraße abgebildet ist. Die zwei markanten Eckgebäude und die Umgebung sind bestens zu erkennen, nur auf dem Platz sind jetzt neuere größere Pavillons, die die Sicht etwas versperren. Vorn am Teich zeigt uns Herr Ziehm einen großen Flachbau von der Postkarte, den wir kaum erkannt haben: das Schwarz-Weiß-Foto und einige Verbauungen haben die Wiedererkennung erschwert. Im Kuhberg – dem Broadway von Neumünster – wohin laut Dr. Obst Puppen-Popp später in die Nr. 34 umgezogen ist, finden wir tatsächlich ein Geschäft, das neben Spielwaren noch Bücher und Musikinstrumente führt. Wir unterhalten uns mit den Inhabern, sie sehen sich tatsächlich in der Nachfolge und haben vor ca. fünf Jahren Teile des Warenbestandes übernommen, als die Popp-Schwestern aus Altersgründen aufgehört haben. Wir ziehen über den Wochenmarkt, der auf dem riesigen Großflecken viel Platz hat, weiter Richtung Bahnhof, schauen in die katholische Kirche St. Maria-St. Vicelin von 1893, zu der der Fabrikant Sager in der Boomzeit der Tuchherstellung das Grundstück gestellt hatte, nachdem durch die Anwerbung von Arbeitskräften – unter anderem aus dem Eichsfeld (vor drei Tagen waren wir in Großbartloff!) – eine nennenswerte katholische Gemeinde entstanden war. Gegenüber finden wir einen grünen runden Zylinder aus Stahlblech, ein noch funktionstüchtiges Pissoir aus dem 19. Jahrhundert, das hier steht, weil es in dieser Straße oft größere Ansammlungen Wartender an der Bahnschranke gab, bis 1904 die Eisenbahn hochgelegt wurde. Am südlichen Ende des Teiches mit Fischtreppe am Abfluss – man will wieder Lachse in die Schwale locken – steht die Stadthalle aus den 80er Jahren, an die mit einem Übergang der lichte Block (“Vitirine”) des Museums Tuch + Technik von 2007 angeschlossen ist. Hier werden vom Förderverein über Jahrzehnte erhaltene große Textilmaschinen in Funktion gezeigt, und, systematisch aufbereitet und anschaulich erläutert, die Entwicklung der Textilherstellung seit der Steinzeit, besonders aber seit der Industrialisierung und ihrer Blüte in Neumünster, dargestellt – sehenswert. Die Sonderausstellung zur europäischen Quilt-Kunst spricht uns nicht besonders an, das sind nicht unsere Muster. Wir können mit der Museumsdirektorin Astrid Frebert sprechen und diskutieren Möglichkeiten einer Ausstellung des Reiseprojektes. Das gibt einige Anregungen, zumal wir auch die in Frage kommenden Flächen sehen, es kann weitergären, vielleicht auch auf Museumsseite. Wir überqueren den früheren ersten Platz, den Kleinflecken. Im Café Oldehus, einem typischen alten Fachwerkhaus gegenüber dem Alten Rathaus, genehmigen wir uns eine Kaffeepause mit hervorragender Torte. Die Stadttöpferei, die einzige Deutschlands mit einem dort wohnenden Stipendiaten, hat leider die Öffnungszeiten geändert und morgen ganz zu, da können wir nur durchs Fenster schauen und sehen Objekte mit deutlich künstlerischem Anspruch. In dieser Straße, dem Fürsthof, gibt es die ältesten Häuser, die die Stadt teilweise saniert hat und selbst nutzt. In und um den schönen Rencks-Park, vor Jahrhunderten Klosterbereich, gibt einige imposante Fabrikantenvillen in unterschiedlichsten Zuständen, auch Backsteingebäude wie die Anschar-Kirche oder die AOK zeugen von der Bedeutung der Zeit um 1900. Insgesamt ist die Bebauung in Neumünster sehr gemischt. Neben einzelnen Bauten aus dem 18. Jahrhundert sind einige repräsentative Villen und Funktionsgebäude aus der Zeit der Industrialisierung von 1850 bis 1910 vorhanden, die teilweise auf Umnutzung warten. Wie wir mitbekommen haben, sind in den 60er und 70er Jahren weitere erhaltenswerte Gebäude der damaligen Erneuerungs- und Straßenverbreiterungswelle zum Opfer gefallen, daher sieht das Bild der Innenstadt recht großzügig und etwas gewürfelt aus, richtig auffällige Sünden fehlen zum Glück. Für heute reicht es uns an diesem trüben und manchmal feuchten Tag. Die Restaurantsuche im Hotel fördert nichts Überzeugendes in erreichbarer Nähe zutage, also nehmen wir den empfohlenen Mexikaner gegenüber. Dort essen wir sicher nicht gehoben, aber doch originell, gut und preiswert. Es ist richtig voll, viele junge Leute sind da, abends wird das hier zum Treffpunkt.

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14. Juli: Von Gronau nach Neumünster

Von Gronau über Wrist und Treffen mit meiner Patentante nach Neumünster

Soweit die Zeit dazu reichte, haben wir uns ausgeschlafen und werden mit üppigem Frühstückstisch begrüßt. Driemels haben zwei Freunde eingeladen, wir tafeln mit Plaumen-Rum-Mandel-Marmelade, berichten vom Reisen, zeigen ein paar Winterbilder, dann fährt uns Hans-Jürgen zum Bahnhof Banteln, damit wir auf dem Weg nach Neumünster am Bahnhof Wrist unsere Verabredung mit meiner Patentante, die dafür mit dem Taxi vom nahen Kellinghusen, meinem Geburtsort, kommt, wahrnehmen können. Die Beobachtung der Abfahrten in Hannover zeigt uns, dass unser planmäßiger ICE eine Verspätung wegen technischer Probleme sammelt, die unseren Anschluss in Hamburg gefährden könnte, gleichzeitig wird auf Gleis 8 – gegenüber – noch ein ICE nach Hamburg angezeigt, der schon seit drei Minuten weg sein müsste. Kurzerhand steigen wir in den abfahrbereiten Zug, so sind wir sogar früher in Hamburg, da klappt der Anschluss bestimmt. Direkt am Bordrestaurant eingestiegen genehmigen wir uns einen Sekt und genießen den Panoramablick aus dem Bistro. So haben wir in Hamburg etwas Zeit, um in Zeitschriften zu stöbern, dann geht es weiter, wegen Türstörung im vollen Zug mit 10 Minuten Verspätung. In Wrist werden wir von meiner fast 90-jährigen Tante Leni erwartet, sie hat sich von einer Bekannten fahren lassen und ein Café direkt am Bahnhof organisiert. Sie ist munter, fröhlich und beweglich wie immer, wir erzählen viel von unseren Reisen und Sie von ihren vielfältigen Unternehmungen, die sie für sich noch schafft, mit Vereinen und ihren Kindern zu organisieren. Es macht immer wieder Spaß, ihre positive Ausstrahlung und geistige Frische mit phänomenalem Gedächtnis zu erleben. Zwei Stunden später verabschiedet sie uns am Bahnsteig, wir fahren die paar Kilometer weiter nach Neumünster, die “kleine Stadt”, zu der uns Dr. Dhom einige Kindheitserinnerungen genannt hat. Über die Größe der Stadt haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, vor Ort sind wir überrascht, ein ganzes Stadtbussystem und eine große Einkaufszone vorzufinden, kein Wunder bei 77.000 Einwohnern. Kaum haben wir darüber gesprochen, treffen wir in der Mitte der Haupteinkaufszone Großflecken auf dem großen Marktplatz einen alten Eiswagen, der seit 1952 eine eigene Art Softeis aus rein natürlichen Zutaten frisch rührt, vier Sorten in vier Rührmaschinen, und eine Spezialität, die Sahnescheibe, eine Art Halbgefrorenes anbietet. Wir sprechen angeregt mit dem Inhaber, Carsten Rühmann, über seine Produkte. Seine Familie stammt aus Einfeld, einem Stadtteil, und er zieht als Schausteller mit seinem Eis über Märkte im Norden Schleswig-Holsteins, wochenweise steht er hier. Er kann uns sagen, dass Dr. Dhoms Grosseltern Kutscheidt sicher schon lange kein Eis mehr machen, höchstens ein Eiswaffelhersteller in einem Vorort könnte davon abstammen. Vorbei am schönen Alten Rathaus in Backstein-Neugotik erreichen wir unser Hotel, das grüne Stadthotel, in einer früheren Gärtnerei, gelungen gemacht. Wir bekommen eine Suite, weil die Zimmerverteilung das so ergeben hat, mit riesig viel Platz. Wir gehen etwas essen in der alten Papierfabrik. Es gibt hier viele alte Industriegebäude und Fabrikantenvillen aus der Boomzeit der Leder- und Tuchherstellung und ein zentralen Teich, den schon die Mönche des früheren Klosters (Neumünster von Novum Monasterium) aus der Schwale angestaut haben., und anderes Interessantes zu entdecken, dem wir bis Sonntag nachgehen werden.

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13. Juli: von Kassel nach Gronau

Besuch in Kassel bei Fleischerei Rohde – Ahle Worscht – und Besuch in Gronau

Es ist kühler, trübe und vor allem feucht. Die heutigen Orte sind sozusagen eigene Sehnsuchtsorte: Das nächste Fahrtziel sind Driemels in Gronau bei Hildesheim, die Marlis von einer Fortbildung kennt, und die wir zufällig auf dem Schiff und in Hiddensee am 5. und 6. Mai getroffen haben. Seitdem gilt diese Einladung fürs Bahnreisejahr. Hier in Kassel haben wir uns an die Fleischerei Rohde erinnert, deren Arbeit besonders für die Kasseler Ahle Worscht wir als Slowfood-Mitglieder laufend beobachten, und die wir schon auf mehreren Messen seit 2004 getroffen haben; zu einem Besuch hats bisher nie gereicht, den hat Marlis gestern mit Herrn Rohde organisiert, dank Internet unterwegs geht das recht einfach. Beim Packen merken wir: meine Jacke fehlt. Wir kombinieren: sie kann nur im Lokal von gestern abend geblieben sein, da steigen wir zu Rohde mit der Straßenbahn sowieso um, und es hat schon geöffnet, die Jacke ist tatsächlich da – echt Glück gehabt, Wiederbeschaffung auch noch ohne Zeitaufwand! Der Verkaufsraum der Fleischerei ist klein, aber bestens sortiert, in ausgesuchten Mengen gibt es wichtiges und oft in der richtigen Qualität schwer beschaffbares Zubehör zum Essen von Gewürz über Brot und handwerklichen Käse. Frau Rohde erkennt uns sofort und holt begeistert ihren Mann. Er erinnert sich jetzt auch und steigt gleich mit der Führung ein: Produktion und Lagerung finden in einem über 100 Jahre alten denkmalgeschützten Fachwerk-Hinterhaus statt, das mit seinen Lehmziegelwänden optimale Reifungsbedingungen bietet. Heute herrscht etwas unvorhergesehener Stress: Er muss sechs Ausfälle ausgleichen, bei 21 Angestellten im Zweischichtbetrieb eine echte Aufgabe, zumal bei der traditionellen Warmfleischverarbeitung alles just in Time ablaufen muss: Die zu liefernden Tiere stimmt er ein Jahr im voraus mit seinen Bauern ab, die diese dann selbst zum nahen Schlachthof fahren, von wo sie sofort, noch über 40° warm, in die Zerlegung und Verarbeitung bei ihm kommen, etwa sechs schwere einjährige Schweine mit etwa 180 kg, deren Fütterung genau mit ihm abgestimmt ist. Alles wird aufgezeichnet, er vergibt Chargen-Nummern für die Produktkennzeichnung, aus denen er alles: Schwein, Lieferant, Verarbeitungstag usw. nachverfolgen kann – traditionelle Verarbeitung heißt eben nicht primitiv, es beißt sich nicht mit guter Organisation und Nutzung der heutigen Informationstechnik und Kommunikationsmöglichkeiten, das beweist er eindrucksvoll, ein echter Slowfood-Produzent. Wir werden vorschriftsmäßig mit Einmalkittel, Schuhüberzügen und Haube ausgestattet. Auf engem Raum ist alles gut optimiert: Transport der geschlachteten, warmen Schweine in die Zerlegung über Waage und Temperaturmessung, Wurstherstellung, Abfüllen in Därme. Im oberen Stock befindet sich die Vortrocknung und die Hauptreifung, die Würste durchlaufen hier feste Stationen bei kühlen Temperaturen, bis sie sozusagen am Ende angekommen sind, meist nach einem Jahr. Alles ist systematisch und begehbar mit Trockengestellen ausgerüstet, die komplett mit Würsten behängt sind, auch die Decke. Es wird regelmäßig umgehängt und der Weißschimmel abgerieben. Heraus kommt in dieser lückenlos nachgewiesenen Produktionskette, in der alle Daten im Computer gesammelt werden, ein komplett laktose- und glutenfreies Produkt, wobei in allen Schritten auf Freiheit von Gentechnik geachtet wird. Zusatzstoffe sind allein Salz und Gewürze. In verschiedenen Gebäudeteilen des Vorderhauses sind Nachreifung, Versand und Aufenthaltsräume untergebracht. Es wird genau nach Bedarf hergestellt, der allerdings schon ein Jahr vorher disponiert wurde, die Schweine müssen schließlich erst wachsen. So kommt es, dass im Moment alles ausverkauft ist, da der typische Sommerknick nicht wie erwartet eingetreten ist. Wir bekommen von der ältesten Wurst, der Zweijährigen, schön trocken und mürbe, zu probieren, ein Glas Gurken, eingelegt nach Omas Rezept, und Biobrötchen gibt es dazu, köstlich. Hier steckt echtes Engagement und Spaß an der Arbeit dahinter, so konsequent ist alles auf transparente Qualität in der gesamten Kette ausgerichtet. Wir sind echt beeindruckt und kaufen die passenden Würste als Mitbringsel für unsere nachfolgenden Stationen ein. Unseren weiteren Fahrplan verschieben wir kurzerhand um eine Stunde, diese Führung war zu spannend, um sie durch Planungen zu begrenzen, die sich auch ändern lassen. Am Bahnhof Wilhelmshöhe können wir so einen etwas früheren der vielen ICE nach Göttingen nehmen, dann geht dort der Umstieg sicherer, nach Banteln, wo uns Driemels aus Gronau erwarten. Hier sind wir wieder im Leinetal, wie schon in Heiligenstadt. Nach herzlicher Begrüßung, Kaffeetrinken und Hausbesichtigung ignorieren wir alle Wetterberichte und lassen uns zu einer Rundwanderung im Leinetal und durch Gronau verführen. Wir unterhalten uns intensiv, Hans-Jürgen hat Volkshochschulen geleitet und ist jetzt Kulturamtsleiter im Kreis, wir haben viele gemeinsame Themen und Ansichten, Michaela ist künstlerisch tätig mit Malerei und Mode, es gibt einen regen Austausch, da stört noch nicht mal der leichte Regen und das trübe Wetter, der Regenschirm bleibt trocken, weil nicht dabei. Wir kommen an einem Naturschwimmbad vorbei, das ein Verein betreibt, dort kehren wir ein, noch billiger als im Eichsfeld; Driemels sind Mitglieder und haben daher einen Schlüssel. So können sie schwimmen wann sie wollen, sowas würde mir auch gefallen. Am Abend endet die große Wanderrunde, auf der Terrasse unter der Markise essen wir zu Abend und lassen es um uns herum regnen, bis Mitternacht halten wir es draußen aus, dann besichtigen wir bei einem Grappa die imposante Rock-Schallplatten- und CD-Sammlung.

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12. Juli: Ausflug von Kassel nach Großbartloff

Tagesausflug von Kassel: Großbartloff (Ideengeber: Christel Busse) im Eichsfeld, schon mehrfach angedacht

Heute hat mich Marlis schon wieder überholt. Ihre Allergie hat sie etwas geärgert, und so ist sie schon früh wach. Sie hatte sich nach der spätesten Frühstückszeit erkundigt, jetzt muss sie sich an die früheste erinnern und erlebt mal die Geschäftsleute beim Frühstück. Als sie wieder aufs Zimmer kommt, wache ich gerade auf, ich musste und konnte mich von der Woche ausschlafen. So habe auch ich reichlich Zeit zum Frühstücken und Vorbereiten, und unsere Diskussion: Mietauto, späteste Verbindung nach Großbartloff, 900 Einwohner mitten im Eichsfeld, ist hinfällig, wir können die beste um 10:05 nehmen. Die aktuellen Zahlen der Bahn zeigen, dass bei der späteren der knappe Anschluss in Göttingen heute schiefgegangen wäre.
Es ist warm und sonnig, durch viel Wald geht es von Kassel über Hann.Münden und Eichenberg nach Heilbad (seit 1993) Heiligenstadt, Kreisstadt des Eichsfeldes. Christel Busse ist hier bei Nachkommen ihres Großvaters, der aus dem Ort stammt, auf der Flucht von Königsberg zwischengelandet, nach einer abenteuerlichen und entbehrungsreichen wochenlangen Fahrt musste sie sich auf dem Bahnhof in Heiligenstadt erstmal an den Zielort erinnern und wird dann sicherlich mit der “Kanonenbahn”, die als Teilstrecke der Direktverbindung zum Westwall nach Eschwege führte und 1993 stillgelegt wurde, nach Großbartloff gefahren sein, heute Draisinenstrecke für Touristen. Diese Orte werden wir uns heute anschauen und auch nach dem Namen des Großvaters Schreiber Ausschau halten.
In Heiligenstadt treffen wir auf einen kleinen, gut renovierten Bahnhof mit schönem Vorplatz, Stadtbushaltestelle und einem modernen ZOB. Der Kreis Eichsfeld betreibt ein eigenes Bussystem mit zentralen Knoten, das jedes Dorf erreicht, wobei es an Wochenenden und in den Ferien etwas dünn werden kann. Das System können wir etwas kennenlernen, der Busfahrer vertritt einen Kollegen und tippt erstmalig auf dem Computer herum. Am Marktplatz steigt sein Kollege ein, der ab der Buszentrale die Fahrt übernimmt, die dann richtig nett wird, wir erzählen und bekommen den Kreis erklärt. Im Zickzack geht es durch kleinste Orte im Kreis bis zum nächsten Knoten Dingelstädt. Wir warten ein paar Minuten, unser nächster Bus ist schon angezeigt. Beinahe hätten wir ihn dann doch übersehen, denn es ist ein unauffälliger Achtsitzer. Die Besichtigung des Kreises Eichsfeld wird bis Großbartloff fortgesetzt, gegen 13 Uhr sind wir da.
Das Dorf liegt etwas abseits, der Verkehr ist begrenzt, wir treffen auf eine schöne, unaufgeregte Häusermischung mit viel Fachwerkbestandteilen und wenig Stilbrüchen in gutem Zustand und manchem nett gepflasterten Sträßchen. Die Infrastruktur ist überraschend gut, nach kurzer Zeit haben wir Edeka-Laden, Bäcker, Kneipe, Allgemeinarzt, Blumenladen und einige Handwerksbetriebe entdeckt. Alles gibts nur einmal, aber alle Achtung, für den Alltag ist alles da. Von hinten gehen wir in den Kummerberg. Christel Busse konnte uns Details nicht mehr sagen, sie ist 2009 verstorben, ihre Tochter hat uns aus der Erinnerung eines Besuchs gleich nach der Wende diese Straße genannt, dort hatten sie gemeinsam einen Vetter besucht, der das Haus von “Mariechen”, der Zwischenstation auf der Flucht, damals bewohnte. Mehr wusste sie nicht.
Wir beginnen mit der Suche. Auf der Straße treffen wir Wilhelm Wallbraun, der als Malermeister einiges kennt, aber unsere Geschichte nicht auflösen kann. Er führt uns zur Nachbarin Elisabeth Schreiber, wir schauen zusammen in die drei Bände Ortschronik, kommen damit aber ohne Nachnamen auch nicht recht weiter. Sie denken die Häuser der Straße rauf und runter. Schreiber gibt es mehrere, auch ohne Zusammenhang mit Otto Schreiber, und der Zweig kann sich schon namentlich verändert haben. Hängen bleiben wir an der Familie Gerling, da soll es eine Marie gegeben haben, wir werden sie besuchen. Zunächst werden wir in die andere Ortsecke am Friedhof zum Ortschronisten und Ahnenforscher Bernd Homeier geschickt, auf dem Weg schauen wir in die schöne katholische Kirche, davor steht die alte Glocke, präsentiert vom Männerkirmesverein St. Peter & Paul. Im Schaukasten des CDU-Ortsverbandes hängt einsam ein Bild des Papstes, mehr Info ist wohl nicht nötig, Wikipedia weist aus: acht Gemeindevertreter, acht CDU. Schnell kommen wir mit Herrn Homeier ins Gespräch, wir bleiben wieder bei den Gerlings hängen, weiteres fällt ihm auch nicht ein. Er erzählt noch von seinen vielfältigen Kontakten in Sachen Ahnenforschung, oft in Erbschaftsangelegenheiten, die Aktenordner füllen, und bei denen es auch um Fragen der Bezahlung geht. Wie bei allen bisherigen Kontakten stößt unser Projekt auf großes Interesse. Er hat auch umfangreiches Material für eine Dorfchronik gesammelt, leider zuerst per Schreibmaschine, wir vermuten, das war zum 700-jährigen Ortsjubiläum 2006 zu schlecht zu verwerten, so sind die anderen erschienen, danach hat er sein Material mit Hilfe seines Sohnes in den Computer getippt, doch jetzt findet er keinen Sponsor mehr. Wir verabschieden uns, er bekommt noch Besuch. In der Bäckerei versorgen wir uns zu Preisen, die für uns aus dem Westen unglaublich günstig sind, und treffen Herrn Homeier wieder. Nun sind wir gerade wieder nahe am Kummerberg (hier gibts übrigens keinen Kummer, sondern es wächst kümmerlich), also suchen wir nach Gerling und finden sie in Hausnummer 3, auf der Terrasse mit Blick über den Ort auf den gegenüberliegenden Hang mit einem großen schlanken Gedenkkreuz. Nachdem wir einiges über Mariechen, den entfernten Vetter und den Besuch 1991/2 erzählt haben, wird klar: Karl und Johanna Gerling, das waren die gastfreundlichen Vettern, und Marie Küstner war Mariechen, wohnte früher hier und ist 1959 in Küllstedt im Krankenhaus gestorben und ihren Sarg hat Herr Gerling im Pferdefuhrwerk nach Großbartloff überführt. Karl Gerling ist tatsächlich 77 und zwar schon etwas langsamer, aber geistig und konditionell fit und bearbeitet noch einen großen Nutzgarten und etwas Landwirtschaft und führt uns durch die alte Schreinerwerkstatt und die “Datscha” im Garten. Er war lange Monteur und hat viel gebaut, alle seine Touren liefen per Bahn, heute fahren sie mit dem Bus. Er bietet sich an, mit uns den alten Bahnhof und den Lutter-Wasserfall aufzusuchen, ein Glücksfall, wir steigen direkt durch sein Grundstück nach oben, über die Wiese durch Elektrozeune, die Direttissima, hätten wir uns nie getraut. Wir treffen im Wald oberhalb des Ortes auf ein süßes kleines Bahnhofsgebäude, an der Schiene steht “Straßenkreuzung, Absteigen” für die Draisinenfahrer, hier gibts ein Prozent Gefälle! Wir sehen einen Tunnel und die Böschung, hier gab es tatsächlich ein zweites Gleis, das nach dem Krieg abgebaut werden musste. Über einen tollen Waldrandweg mit Spitzenblick über den Ort führt uns Herr Gerling wieder direkt über Wiesen hinter Kühen her zum Wasserfall, ein schöner, zehn Meter hoher Felsen in einem kleinen Waldstück, in dem man das fallende Wasser der Lutter bei diesem trockenen Wetter suchen muss, zumal die Teiche der darüberliegenden Forellenzucht, die von den Nachfolgern der LPG betrieben wird, gerade bei Trockenheit Bedarf am Restwasser haben. Wieder zurück am Kummerberg schlagen wir für die verbleibende halbe Stunde bis zum Bus einen Besuch in der Dorfkneipe vor, zu dem Herr Gerling tatsächlich seine Frau motivieren kann. Wir schaffen es, gegen Widerstand eine Runde auszugeben, und das wieder zu halben Preisen. Der Gastwirt sammelt Wände voll die kleinen Modelltrucks, wie unser Onkel Klaus, das ist ein Foto wert. Passend gehen wir zum schon bereitstehenden Rufbus, den wir am Nachmittag bestellt haben, und verabschieden uns herzlich. Es war ein echtes Erlebnis, und wir sind glücklich, dass wir – auch noch in der begrenzten Zeit, die der Bustakt vorgegeben hat – die Spuren wiedergefunden und deutlicher gemacht haben. Der Busfahrer im Achter-Bus stellt uns einen handschriftlichen “Notfahrschein” aus, den Preis kann ich ihm schon von der Hinfahrt nennen, einen Computer hat der Kleinbus nicht. Am ZOB Dingelstädt treffen wir unseren Busfahrer vom Mittag wieder, die Begrüßung ist jetzt schon humorvoll herzlich, wir folgen ihm in den Rewe-Markt gegenüber für die Viertelstunde bis zur Abfahrt. Mit zwei weiteren Fahrgästen starten wir, so fährt er eine etwas größere Route, um alle abzuliefern, und erklärt uns das ausgeklügelte System aus Ruf- und Linienbus mit GPS-Überwachung, automatischer Umstellung auf Leerfahrt usw. Auf Nachfrage empfiehlt er uns alle kulinarischen Lokationen von Heiligenstadt und setzt uns gezielt am Marktplatz ab. Wir sind absolut begeistert vom Busservice im Eichsfeldkreis, der ist wirklich bürgernah! Es wäre sträflich gewesen, hätten wir mit einem Carsharing-Auto Zeit “gespart”, über 30 € mehr ausgegeben und uns um diese Erlebnisse gebracht! Die Ortsmitte von Heiligenstadt ist schön, Fachwerk, Fußgängerzone, mächtige Kirchen und klassizistische Bauten, Barockgarten, wir schauen uns auch eine Gaststätte an, entscheiden uns aber, den letzten durchgehenden Zug zu erreichen und in Kassel zu essen, weil die Läden schon zu sind und es hier demnächst heftig regnen dürfte.
In Kassel bekommen wir eine Empfehlung zum Essen und fahren mit der Straßenbahn zum “Eckstein” am Rathaus, einem deftigen, preiswerten und ideenreichen Restaurant, wie es nur in Studentenstädten zu finden ist. Das Essen kommt schnell, ist heiß und durchaus gut. Satt kommen wir ins Hotel, es hat in Kassel nur etwas getröpfelt, dieser Text entsteht noch vollständig, auch Fotos haben noch Chancen, lassen Sie sich überraschen!

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11. Juli: Fahrt nach Kassel

Start zur nächsten Nordfahrt: Abendtrip nach Kassel-Wilhelmshöhe

Diese Woche war Nacharbeit dran, alles, was vor Amrum wegen der Architektouren liegengeblieben war, dazu kamen noch Sitzungen mit viel Vor- und Nacharbeit sowie der Ausstellungsaufbau beim Ludwigshafener Inselsommer. Ein Kundenproblem und ein Arztbesuch haben sich heute auch noch eingeschoben. So kamen wir gestern auf die gute Idee, Kassel-Wilhelmshöhe als Ausgangspunkt zu wählen, da können wir flexibel bis spät abends hinfahren, sobald wir fertig sind, ein Hotel mit günstigem Last-Minute-Tarif haben wir auch gefunden. Ich bin begeistert, dass ich die vorletzte Verbindung erreiche, dann bleibt die pünktlich gekommene S-Bahn in unserem Heimatbahnhof LU-Mitte 10 Minuten stehen und lässt einen IC durch, damit erreiche ich den pünktlichen ICE in Mannheim nicht mehr. Zwei Minuten früher am Bahnhof, und ich hätte den verspäteten Zug davor erreicht, mit dem Marlis vorgefahren ist. So wirds doch der letzte ICE eine Stunde später. Wir einigen uns, uns darüber nicht zu ärgern oder drüber zu reden, setzen uns in den Biergarten vor dem Bahnhof mit dem passenden Namen “Murphy’s Law” und ziehen Abendessen und Reiseplanung vor. Wir fahren dann pünktlich nach Kassel, kommen spät im Hotel an und haben Blick aus dem Fenster auf ein großes beleuchtetes DB-Schild, ein passendes Zeichen zum Bahnreisejahr.

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Bericht im Wochenblatt Ludwigshafen

Das Wochenblatt Ludwigshafen hat am Mittwoch unter Stadtleben erneut über unser Projekt berichtet: (zum Lesen Artikel anklicken, evtl. 2x, dann zurück)

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5. Juli: Tagesfahrt nach Stockach

nach Stockach: Tagesfahrt durch den Schwarzwald

Heute machen wir einen Tagesausflug nach Stockach, wo wir was zu erledigen haben, via Offenburg und Radolfzell am Bodensee. Es ist recht warm, aber alle Klimaanlagen funktionieren, manchmal zu gut. Die Strecke durch den Schwarzwald kennen wir schon, sie ist allerdings immer wieder schön, mit Tunneln, tiefen Tälern, Wäldern und jetzt viel Grün. Am Bodensee ist es fast wie im Norden, auf der Mole stehen allerdings Schatten spendende Bäume, und es ist entsprechend wärmer, das Wasser ruhig und natürlich nicht salzig. Am Ende der Mole treffen wir zufällig den Steinbalancierer (Steinestapler war sehr nachlässig formuliert, siehe Peters Kommentar) Sepp Bögle, der sich als Lebenskünstler und Ästhet versteht, und nicht auf Rekorde aus ist wie Volker Paul, den wir am 24.3., auch in Radolfzell, getroffen haben. Die Zeit in den Zügen lässt sich gut nutzen, um einiges aufzuholen.

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4. Juli: Rückfahrt nach Ludwigshafen

Rückfahrt von Amrum über Dagebüll und Niebüll nach Ludwigshafen

Das Wetter ist immer noch grau, nur der Wind ist etwas abgeflaut. Heute verabschieden wir uns von Amrum, für uns ist es bisher die schönste Nordseeinsel. Immerhin haben wir in dem Jahr noch Spiekeroog, Sylt und Föhr kennengelernt, kurz vorher noch Pellworm. Die Zeiteinteilung ist angenehm, wir müssen morgens nicht umstellen, um 11:30 geht der Bus. Wir haben gründlich Zeit zum Lesen, Schreiben und Fotos vorbereiten; reichen dürfte die Zeit trotzdem nicht. Die Direktüberfahrt erlaubt einen letzten Blick zurück auf Amrum, Sylt und Föhr, auf der anderen Seite begleiten uns lange die Warften auf Hooge und Langeness. In Dagebüll steht die witzige Kurswagenzusammenstellung bereit: vorn der normale Nahverkehrs-Dieseltriebwagen der neg als Zugmaschine, dahinter der IC-Steuerwagen und der zweite IC-Kurswagen, hintendran noch ein kleiner Güterwagen, wohl ein Generator. Dieses Gespann zockelt nach Niebüll und hält an den kleinen Bahnhöfen, die Bahnsteige reichen nur für den Triebwagen. Das Umhängen erleben wir ebenfalls ganz nah: nach dem Halt in Niebüll neg fährt das Gespann vor auf die Strecke von Westerland, gleichzeitig fährt entgegen der IC von Westerland ein, an dessen Ende wir kommen. Vor dem Passieren der entscheidenden Weiche hält er kurz an, lässt den Generator stehen, und unser Ende ist offen, in der Tür hängt ein Rangierhelfer, der per Sprechfunk für den Triebwagenführer hinten Strecke, Entfernungen und Einstellungen beschreibt, während der die Kurswagen langsam an den IC dranschiebt, nachdem zunächst ein Zug nach Westerland ausgefahren und die Weiche umgestellt ist. Der Helfer springt nach dem Anstoßen zwischen die Zugteile, hängt den Kupplungshaken ein und zieht ihn fest, koppelt die Hydraulikschläuche, öffnet innen die Durchgangstür, klappt die Platten des Wagenübergangs runter und steckt die zwei Elektroverbindungen im Durchgang – fertig. Bald darauf gehts weiter, über den Nord-Ostsee-Kanal, bei einem etwas längeren Halt wird in Itzehoe die Diesel- gegen eine E-Lok getauscht, ab hier ist die Strecke elektrifiziert. In Hamburg dürfen wir kurzfristig von F nach A laufen, da der ICE verkehrtrum fährt, im Wagen 1 haben wir ein Abteil für uns alleine. Die Verpflegung heute sind zwei üppige Fischbrötchen, die wir zum Abschied beim Fischbäcker in Norddorf als Bausatz mitgenommen haben. Langsam kommt die Sonne raus und es wird wärmer, mehr gibt es von der pünktlichen Fahrt nicht zu berichten. Kurz nach 22 Uhr sind wir in Ludwigshafen, morgen früh fahren wir weiter.

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3. Juli: Ausflug nach Nebel

Wanderung über den Strand nach Nebel, Museum, Ortsrundgang, Kirche

Letzter Tag auf Amrum, Wetter wie gestern: Bedeckt, kühl, windig, aber kein Regen. Wir gehen wieder zum Strand, biegen aber nach Süden ab. Hier wird der Strand immer breiter, es sind erste Primärdünen vorgelagert. Jetzt ist ansteigendes Wasser, der Sand am Wassersaum ist feucht und hart, gut zu gehen. Die Sandstrukturen sind abwechslungsreich, und wir finden interessante Teile: ein Tintenfischschulp und eine von Bohrwürmern zerlöcherte Austernschale. Das aufsteigende Wasser treibt einen Schaumsaum vor sich her. Als wir querab vom Quermarkenfeuer sind, beenden wir unseren letzten Strandgang ohne ein Bad, es war dazu außer am ersten Tag zu unfreundlich und zu windig. In den hier umfangreichen Primärdünen steht ein Strandgut-Bauwerk, von denen im Reiseführer die Rede war, arrangiert aus lauter Strandmüll vom Gummistiefel bis zum Fischernetz, alles schon halb vom Wind zugesandet. Nach einer weiten, braunen Sandfläche, die an einen Salzsee erinnert, umrunden wir ein abgesperrtes Brutgebiet der geschützten Zwergseeschwalbe und erreichen den Bohlenweg, der am Leuchtfeuer durch die Graudünen führt. Diese Bohlenwege sind wirklich gut gemacht und bestens gepflegt, mit Beschreibungen zu Fauna und Flora bestückt und mit Sitzbänken und Abfallkörben ergänzt. Das Feuer kann man umrunden, ein kurzes altes Stahltürmchen. Mitten in den Dünen landen wir in einer archäologischen Zone, erst Findlinge aus einem Gräberfeld der Jungsteinzeit, wo man an den gefundenen Gebeinen schon Schädeloperationen nachweisen konnte, dann Grundrisse einer 2000 Jahre alten Häuseransammlung. Am Übergang von Dünen zum Wald befindet sich eine Vogelkoje, um die ein Bohlenweg mit Erläuterungen führt. Diese quadratischen Teiche mit langen Reusenkäfigen in den Ecken wurden als eine Art Genossenschaft geführt und von ca. 1850 bis 1930 zum Anlocken und Fangen von Wildenten benutzt, deren Fleisch dann verwertet wurde. Es gibt noch etliche auf Föhr und dem Festland, allerdings nicht mehr in Betrieb. Auf schönen Wegen durch Wald und Heide erreichen wir die Ränder von Nebel mit vielen neu gebauten reetgedeckten Ferienhäusern als Zweitwohnsitz oder mit Ferienwohnungen. Die alte Windmühle am Ortsrand, die bis 1963 von einem Müller betrieben wurde, wird seitdem von einem Verein als nettes kleines Heimatmuseum geführt, das man gegen Spende besichtigen kann: Flora und Fauna auf der Insel, Mühlengeschichte und -ausstattung, Landwirtschaft, Dünenveränderungen, Leuchtturm und Seezeichen, Inselbahn. Es gibt auf der Insel einige Vereine, die aktiv die Geschichte bewahren und für schonenden Umgang mit der Umwelt sorgen, und dabei aktiv die Touristen ansprechen. Auch hier am Ortsausgang wird kräftig gebaut, alles im Backsteinstil mit Reetdach, richtig teuer. Die Immobilienpreise sind auf Amrum und Föhr gesalzen: auch bei älteren Objekten liegt alles um die 3000€ pro qm Wohnfläche mit ganz normalen Grundstücksgrößen. Wir schließen einen Rundgang durch den historischen Teil des Ortes an. Die nicht ganz geraden, nicht immer gepflasterten Wege sind gesäumt von sehr schönen Friesenhäusern, natürlich reetgedeckt, mit Vorgärten voll Blumen und Mäuerchen aus Natursteinen mit Steingartenpflanzen oder Heckenrosen. Die wirklich alten sind zu erkennen an den sehr niedrigen Geschosshöhen, und tatsächlich steht zentral auch ein Haus, das eben lange nicht gepflegt ist. Zwischendurch steht die kleine St.-Clemens-Kirche in Weiß inmitten des Kirchhofs mit über 250 Jahre alten Grabmalen voller Lebensgeschichten. Die Kirche hat eine linksseitige Holzempore, eine Orgel hinter dem Altar, auf der gerade für das Abendkonzert geprobt wird, und eine bemerkenswerte geschnitzte gotische Apostelreihe. Von der Aussichtsplattform am Watt über den Salzwiesen können wir auf Föhr und in der Ferne die Insel-Nordspitze blicken. Wir sind trotzdem froh, Norddorf ausgesucht zu haben: es ist dort unauffälliger, natürlicher und doch schön, die Infrastruktur ist sogar besser, Strand und Watt sind näher, der Verkehr hat dort sozusagen eine Sackgasse. Die Straßennamen stammen noch alle aus dem Dänischen, die meiste Zeit gehörte Amrum, wie auch Sylt und Föhr zu Dänemark, viele Ortsschilder sind zweisprachig. Zum Zurücklaufen haben wir bei dem trüben Wetter keine Lust und beeilen uns, um den nächsten Bus zu bekommen. Heute kehren wir im Hüttmanns zu Kaffee und Kuchen ein und machen einen kleinen Rundgang durch noch nicht begangene Straßen. Hier sind nur auf vereinzelten alten Häusern Reetdächer, auch ohne macht fast alles einen angenehmen Eindruck. Jetzt kommt noch ein Eisbecher dran, der ist in der italienischen Eisdiele unerwartet preiswert, die Inneneinrichtung ist dafür optisch anstrengend. Ein Abendessen brauchen wir nicht mehr, nach einer Pause im Hotel nehmen wir einen Cocktail als Absacker und lassen den letzten Abend ausklingen.

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