16. Juli: Neumünster

Neumünster: Gerisch-Skulpturenpark und Grillen des Slowfood-Conviviums Lübeck in Einfeld

Heute nutzen wir die Hotelinfrastruktur und starten daher später. In den Stadtunterlagen habe ich den Gerisch-Skulpturenpark gefunden. Die gesamte Beschreibung klingt so interessant, dass wir das keinesfalls verpassen wollen. Schon die Annäherung kündigt Besonderes an: Der Zaun zur Straße besteht aus großen Glasplatten, transparent mit weißem Gardinenmuster bedruckt, der sich später als Skulptur von Olaf Nicolai herausstellt. Weiter gehts mit der wunderbar restaurierten Villa Wachholtz, die Eingang, Shop, Café und einen Teil der Sonderausstellungsfläche beherbergt. Auffällig sind die Jugendstil-Holzeinbauten, große Holzfenster zum Hochschieben, und ein freigelegter umlaufender Fries mit Malereien des früheren Kinderzimmers. Zum Park hin ergibt sich eine Terrasse, die erhöht über dem 1924 von Harry Maasz angelegten Reformgarten liegt, der nach hinten mit einer beeindruckenden Gruppe von Trauerbuchen, die einen großen Innenraum überdachen, abgeschlossen wird. Der Garten wird umschlossen von einem gestalteten Landschaftspark, nach hinten begrenzt durch die Schleifen des Flüsschens Schwale. In den Park mit seinen Teichen sind an passender Stelle eingefügt eine wachsende Zahl, mittlerweile 21, zeitgenössische Skulpturen international bekannter Künstler, darunter Antes, Breloh und Lüpertz. Die Natur liefert dazu passende Skulpturen. Als Sonderausstellung wird der schon mehrfach auf der Documenta vertretene Carsten Höller mit “Problemspiel” vorgestellt; es geht in Innen- und Außenobjekten und Fotografien um Verlockung – Risiko. Die ganze Anlage ist sehr gepflegt und in sich stimmig, darüber wacht die Frau des Stifterpaares Gerisch persönlich, die uns sogar an der Kasse berät. Den Stifter, den früheren Bauunternehmer und Landtagsabgeordneten Herbert Gerisch treffen wir vor seiner Villa aus den 60er Jahren, von der Teile als Malschule und Ausstellungsraum in die Anlage integriert sind. Herr Gerisch, fast 90-jährig, und sein Dobermann genießen sichtlich das Interesse an der durch seine 2001 gegründete Herbert-Gerisch-Stiftung geschaffenen Anlage, die für Neumünster und auch Schleswig-Holstein ein Highlight darstellt, wir empfinden es jedenfalls so. Durch die lebhafte Unterhaltung sehen wir nicht alles, was nichts macht, denn morgen vormittag findet hier eine Open-Air-Bläser-Matinee im Rahmen des jährlichen Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, das mich schon lange interessiert, statt. Wir sichern uns Karten und können morgen den Rest des Parks sehen.
Jetzt brechen wir auf durch die Stadt zum Bahnhof. Schon vor Monaten haben wir eine Veranstaltung des Slowfood-Conviviums Lübeck gefunden und uns angemeldet, einen Grillnachmittag bei einem Mitglied im Garten. Mit dem Stadtbus fahren wir in den Stadtteil Einfeld. Beim Ehepaar Sfreddo ist alles gerichtet, wir werden überrascht: nicht wir grillen zusammen, sondern ein Grillmeister, der auch an Weltmeisterschaften teilnimmt, hat ein Dach und darunter einen großen Gasgrill, einen Holzkohlen-Kugelgrill und einen Smoker aufgebaut. Verarbeitet wird nur Fleisch von einem ausgesuchten Schlachter aus dem Umland, der lange abgehangene Qualitäts-Ware mit lückenlosem Herkunftsnachweis liefert. Dazu gibt es Reh und gefüllte Champignons sowie Antipasti und Salate der Gastgeber. Der Convivienleiter, Gerrit Rinck, hat von einem Besuch in Geisenheim eine Probe von sechs Weinen eines Nahe-Winzers mitgebracht, sonst wird hier eher Bier getrunken, vertreten ist das Märzen der Ricklinger Landbrauerei. Wir bekommen eine Einführung in das professionelle Grillen; Michael Schwetasch von der Baltic BBQ-Crew erläutert, dass es ohne Bedeutung ist, ob Gas oder Holzkohle, speziellen Geschmack bringt nur Rauch, beispielsweise von speziellen Holzspänen. Er demonstriert mit seinen Speckspießen, Nacken- und Rindersteaks eindrucksvoll, dass es nicht um dunkel und angekohlt, sondern maximal um “Goldbraun-Metallic” und auf den Punkt geht. Alles schmeckt jedenfalls vorzüglich, alle sind komplett satt. Wir unterhalten uns angeregt, das Interesse an uns als externen Exoten und unserem Reiseprojekt ist groß. Wir erleben ein sehr aktives Convivium, das Reisen unternimmt, die bisher nicht mal die große Pfalz gemacht hat. Alles wird bereichert durch das gemeinsame Programm von Lübeck, Kiel, Hamburg und Lüneburg. Wir verabschieden uns nach einem gelungenen Abend, der uns nebenbei den Einblick in ein altes Neumünsteraner Adressbuch von 1970 beschert hat, darin in der Lütjenstraße 7 Puppen-Popp, Spielwaren, und die Schwestern Popp Marie, Gertrud und Hildegard. Auch die Produktion der Eis-Sahnescheiben, die ihren Ursprung im nahen Krückenkrug hier in Einfeld unter anderen beim Schausteller Thiel hat, kommt zur Sprache. Wir laufen durch Einfeld zum Bahnhof und fahren mit dem Zug nach Neumünster, für einen Stadtbus ist es zu spät. Den Mexikaner von gestern suchen wir für einen Absacker auf, dann reichts vor dem Einschlafen nur für etwas Fernsehen, der Text ist auf der Rückfahrt im Zug entstanden.

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