Um 11:21 geht’s mit der Erfurter Bahn, diesmal mit 1. Klasse (andere Sitzfarbe) los, bald sitzen wir mit einem Piccolo Rotkäppchen trocken auf dem letzten Umsteigebahnhof in den „neuen“ Bundesländern, in Jena-Göschwitz, Kreuzung der Strecken Weimar-Gera und Halle-Nürnberg, große Fläche, ungenutzte Gebäude, nicht saniert, und warten auf den Anschluss. Jena ist weit weg, hier sieht man nur Industrieanlagen wie Jenoptik, an Schott Jenaer Glas sind wir vorbeigekommen. Nebenan fährt die Straßenbahn, davor ein Imbisswagen, der jetzt zum Mittagessen gut frequentiert ist. Mit einem modernen elektrischen Triebwagen geht es weiter. Wir fahren durch eine schöne, kleinteilige, abwechslungsreiche Mittelgebirgslandschaft mit dicht bewaldeten Bergrücken, kleinen Orten und einzelnen Burgen. Nach Probstzella kommen wir nach Bayern. Am höchsten Punkt der Frankenwaldbahn, fast 600m hoch, in Steinbach am Wald, legen wir eine Zwangspause ein, Störung am Triebfahrzeug. Nach etlichen Klicks, Klacks, und Komplett-Reset der Zugsteuerung geht’s 12 Minuten verspätet weiter, es kühlt auch wieder.
In Hochstadt-Marktzeuln lässt der Zug außerplanmäßig nach Hof umsteigen, wegen einer Baustelle Richtung Lichtenfels muss er wegen seiner Verspätung auf Gegenzüge warten, dafür fährt er jetzt doch bis Bamberg durch, obwohl baustellenbedingt ein Umstieg in Lichtenfels fällig gewesen wäre. Bequem, allerdings mit 32 Minuten Verspätung kommen wir nach Bamberg.
Das Hotel ist, besonders gemessen an den hohen Preisen in Bamberg, eher eine Enttäuschung, für 50% mehr als in Weimar sind die Zimmer eher kleiner und unpraktischer. Die erste Begegnung mit Bamberg ist nicht so begeisternd: viel Verkehr an Autos in den engen Straßen, Massen Touristen im Zentrum auf der Inselstadt am Grünen Markt, ein schlechtes Konditorei-Café in der Nähe, obwohl stadtbekannt. Der Eindruck bessert sich erst in der Tourist-Info, wo ein äußerst kompetenter Berater schnell meine Sichtweise begriffen hat und uns sofort interessante Stellen, Bereiche und Lokale nennt, mit Edding zum Einzeichnen in den Plan. Das Lokal Eckert, in einer alten Mühle mitten im linken Regnitzarm, gefällt uns vom Design und Anspruch gut, das merken wir uns. Wir drehen eine große Runde über die Berge: Domberg, Michaelsberg, Stephansberg, „auf sieben Hügeln wie Rom“ können wir uns jetzt fast vorstellen. Der viertürmige Dom, die alte Residenz mit Rosengarten, der Michaelsberg und einige Kirchen sind monumental und beeindruckend und bieten Überblick über die Inselstadt, morgen werden wir uns manches noch von innen ansehen. Der Spezial-Keller auf dem Stephansberg bietet sehr einfache Speisen, gutes Bier und einen guten Blick; bei dem seit dem Nachmittag nieseligen und zunehmend grauen Wetter überzeugt das nicht, wir gehen zum Eckert. Dort ist es modern und schlicht, leider im Hauptgastraum sehr hallig und laut, wir finden im Zwischenbereich einen tollen Platz mit direktem Blick in die heftig vorbeirauschende Regnitz. Essen, Bier und Service sind hervorragend und mit regionalem Anspruch, und dabei erstaunlich preiswert, das dazugehörige Hotel ist zwar teurer, aber dafür auch einmalig gelegen und mit Hirn eingerichtet, wird vorgemerkt. Wir gehen noch bei der „Brauerei Spezial“ in der Nähe des Hotels vorbei, eine der letzten urigen selbstbrauenden Brauereigaststätten, mit einem richtig rauchigen Rauchbier, bevor wir uns bei Lokalschluss ins Hotelzimmer zurückziehen.
Am Morgen ist es immer noch feucht und etwas kühler, das erste und wohl einzige Mal in den fast 3 Wochen kommt die Jacke zum Einsatz. War es die ganze Zeit draußen wärmer als drinnen, ist es jetzt umgekehrt, in jedem Laden, den wir durchstöbern, geht das Schwitzen los. Bei leichtem Dauerregen geht es heute durch kleine Nebengassen, die wirklich überall ein im wesentlichen fachwerkfreies, aber doch historisches Gesamtbild abgeben, fast alles Kopfsteinpflaster, überall etwas Verkehr, richtig große Durchgangsstraßen gibt’s in der historischen Stadtstruktur mit den 2 parallelen Flussläufen, dem schmalen, schäumenden linken und dem kanalisierten rechten Regnitzarm, gleichzeitig Rhein-Main-Donau-Kanal, auf dem wir immerhin einen Frachter sehen, nicht. Der Innenraum des Doms ist erhaben groß und schlicht, komplett der helle Sandstein von außen, großer West- und Ost-Chor, Krypta, und sehr große Orgel in der Mitte oben, die wir zufällig während der Mittagsmeditation hören, mit direktem Blick darauf, gewaltig. Erwähnenswert sind die vielen Kunstschätze wie der Bamberger Reiter und der Veit-Stoss-Altar. Vorbei an vielen Brauereigaststätten passieren wir „Klein-Venedig“, die malerische Fachwerk-Häuserzeile direkt am Regnitzufer, früher mit direkten Bootsschuppen im Untergeschoss, heute mit Vorgärten und Anlegestegen. Über das Alte Rathaus mitten im Fluss geht’s in die Gärtnerstadt, den nördlichen zum Weltkulturerbe gehörenden Stadtteil. Hier umgrenzen die kleinen einstöckigen Häuserzeilen große gärtnerische Innenbereiche, die heute noch für Wochenmärkte und Gastronomie Bamberger Besonderheiten produzieren wie den Knoblauch oder die Kartoffelsorte Bamberger Hörnla. In eine Gärtnerei und das “Gärtner- und Häcker-Museum” können wir hineinschauen, von einer Aussichtsplattform überblicken wir das ganze Areal. Zum Abschluss des Bamberg-Besuchs kehren wir in der Slowfood-Bäckerei Kerling ein und nehmen Bamberger Hörnla als Zugverpflegung mit, mit Versorgung ist im RE ja nicht zu rechnen.
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