18.-20. August: Schweiz, St. Moritz, Glacier-Express

Am Sonntag Nachmittag machen wir uns, eine Stunde früher als geplant, auf den Weg nach Basel, dem Startpunkt der zwei Schweiz-Tage. Sicherheitshalber haben wir 6,40€ ein Ticket Basel Bad.Bf bis Basel SBB gelöst, weil das schon Schweiz ist, unsere 2 Tage aber erst am Montag beginnen sollen. Wir beziehen das IBIS am Bahnhof, mittendrin, Bahnhofs- oder Straßenblick, innen nett, hilfsbereit: WLAN, Tageskarte Straßenbahn, Stecker-Adapter. Wir machen am Abend einen Spaziergang im Stadtteil St. Alban, durch den ein kleiner Mühlbach fließt, mit einigen Fachwerkhäusern, aber auch in Museen umgewandelten Fabrikgebäuden, so das Papiermuseum und das Museum für Gegenwartskunst. Besonders spannend ist das Rheinufer: Es gibt zwei kleine strömungsgetriebene hölzerne Personenfähren, an einem über den Fluss gespannten Seil geführt, und viele Schwimmer, die sich, meist mit einem Schwimmsack, rheinabwärts treiben lassen, bei ordentlicher Strömung. Über den Münsterberg gehen wir in die Innenstadt, finden aber erst nach etwas Suchen ein angenehmes Lokal, da am Sonntag besonders im Sommer einige Ruhetag haben. An die Preise müssen wir uns erst gewöhnen: Damit wir uns nicht dauernd über die Preise ärgern, legen wir fest, dass unsere €-Preise mal 2 die Restaurant-Norm in Franken ist, das bedeutet 2/3 teurer als in Deutschland, seit der Eurokrise also nicht gerade ein Land für längere Urlaube.
Die Nacht ist leider unangenehm, wir merken zu spät, dass die Klimaanlage nicht kühlt, und am Tag war es unerwartet warm in Basel mit Schwüle. Erst am Morgen regnet es etwas und wird erträglicher.
Wir sind gespannt, wie die Fahrt mit 6 Zügen laufen wird. Um 11:04 starten wir mit einem ICN über Olten und Luzern bis Arth-Goldau südlich des Zuger Sees, wo wir auf den Zug von Zürich treffen. Bis dahin geht es durch Tunnel und mit Seen und viel Industrie durchsetzte Landschaften.
Dann wird’s langsam spektakulär: Wir steigen von 400m langsam an, immer enger werdend, um uns schon 3000er. In Göschenen auf 1100m verlassen wir den IR mit dem 1.Klasse-Panoramawagen, der hier im Gotthart-Tunnel verschwindet. Jetzt sind wir im Netz der Matterhorn-Gotthard-Bahn, die Schienen haben jetzt Straßenbahn-Breite und oft eine Zahnstange in der Mitte. In Andermatt sind wir schon fast 1500m hoch, und uns begegnen gleich zwei Glacier-Express-Panoramazüge, die weiter den westlichen Teil nach Zermatt fahren, vorwiegend gefüllt mit Publikum aus Fernost. Den östlichen Teil der Glacier-Express-Strecke werden wir jetzt mit regulären Zügen fahren: steil windet sich die Bahn bis zum Oberalppass, der höchsten Stelle auf 2048m, wo wir zwei Gegenzüge abwarten, das kommt auf der eingleisigen, gut befahrenen Strecke oft vor. Die Landschaft ist spektakulär, steile Hänge, hohe Felsmassive, enge Schluchten, wilde Bäche und Wasserfälle, kleine Orte auf Almen. Die geografische Überraschung: Hier ist die Nord-Süd-Wasserscheide, hier entspringt der Rhein, jetzt geht es das Rheintal hinunter, die Berge tragen jetzt Wolken. In Disentis wechseln wir auf die Rhätische Bahn, und durch die Rheinschlucht erreichen wir den nächsten Umsteigepunkt und sind wieder auf 600m abgestiegen, mit leichtem Regen im Norden. Jetzt verlassen wir das Rheintal, ab hier ist die Strecke Weltkulturerbe und verläuft eng am Hang durch viele Tunnel, Kehrtunnel und über Viadukte, teilweise durch Wolken nach St. Moritz auf 1775m, das wir gegen 19 Uhr erreichen. Diese Fahrt war großartig und in Deutschland nicht zu bekommen, der Glacier-Express ist für uns nun nicht mehr nötig, ohne den touristischen Trubel wars viel schöner. Nur Fotografieren ist schwierig: die Brücken sind immer unter uns, die Scheiben spiegeln, und bis man sie offen hat, ist der Blick weg, ein Busch, Tunnel oder Pfosten davor.
Auffällig ist die überall präsente rätoromanische Sprache, Orts-, Bahnhofsschilder und Infotafeln sind zweisprachig, die Sprache ist ungewohnt und manchmal sind es Zungenbrecher. Später, beim Essen, geht’s noch bunter zu: unsere Tischnachbarn sprechen untereinander Schwyzer Deutsch, bestellen in Italienisch und Rätoromanisch ist die Muttersprache und erste Sprache in der Schule.
Von St. Moritz sind wir angenehm überrascht: Es liegt malerisch an einem See, Hotels sind zwar mondän, aber mit Stil und Historie in angenehmer Zurückhaltung. Wir gehen vom Bahnhof hoch nach St. Moritz Dorf, dort Läden aller Nobelmarken, mehr als in den meisten Großstädten. Unser Hotel ist ein Traditionshaus, liegt am Hang und ist sehr gepflegt. Wir haben zwei klassische Sessel und ein Erkerfenster mit Blick nach drei Seiten hoch über dem See, grandios. Leider regnet es am Abend, morgen soll es aber schön sein, dahaben wir noch Zeit, uns etwas umzuschauen. Zum Essen bekommen wir eine Empfehlung in St. Moritz Bad, die hätten wir nie gefunden. Urig, gut besucht, besonders von Einheimischen, moderate Preise, billiger als in Basel! Wir nehmen ein Käsefondue und Zabaglione und sind sehr zufrieden, zur Beruhigung über die Preise haben wir unsere Formel. Wir kommen mit den Tischnachbarn ins Gespräch, er ist Architekt aus dem Nachbarort, und erfahren einiges über das Engadin und tauschen Adressen. Auf dem Rückweg hört es langsam auf zu regnen, wirentdecken noch einige Nobelgassen. Es sind nur noch 8°, wir merken die Höhe, sind allerdings darauf vorbereitet. Heute schlafen wir bestimmt gut! Dieser Schweiz-Trip, den uns der Deutschland-Pass beschert hat, ist eine positive, schon fast exotische Überraschung.
Wir schlafen tatsächlich gut, morgens scheint die Sonne ins Fenster, draußen sieht alles frisch und freundlich aus, an den Berggipfeln hängen Wolkenreste. Das Frühstück ist gut, das Restaurant ist stilvoll alt, mit Sonne und Seeblick, das Haus stammt aus dem Jugendstil. Den Service machen ältere Herren, alle Profis, in Deutsch und Italienisch, bestimmt auch in Romanisch. Eier dürfen wir inklusive Anleitung und Abschrecken selber kochen, und es gibt eine große Auswahl an Käse, die hatten wir so noch nie. Beim Auschecken erkundigen wir uns nach den Preisen, wir hatten 140€, das sei einer ihrer Aktionspreise gewesen. Zu Spitzenzeiten sind ohne weiteres 440 CHF! Wir gehen nochmals durch den Ort und werden in der Touristinfo kompetent mit Informationen über Wandern, Wassersport, Lifte, Saisonzeiten und Infomaterial versorgt. Wir gehen etwas höher im Ort als gestern abend, was bei dem Wetter auch mehr Spaß macht, finden noch mehr Nobelläden, aber auch eher normale Sportgeschäfte und den „Schiefen Turm“ von St. Moritz, einen auffälligen, übriggebliebenen Kirchturm von 1510, dann geht’s zum Bahnhof. St. Moritz hat uns völlig unerwartet so gut gefallen, dass wir wiederkommen wollen. Das Wetter, die Höhe, die Seen, alles mehrsprachig, wenig Alpenromantik, sondern stilvoll gepflegte, städtische Athmosphäre mit bester Infrastruktur in einem 5000-Seelen-Dorf, viele Busse zwischen allen umliegenden Orten im kurzen Taktverkehr, Züge im Stundentakt, und überall unaufgeregter, professioneller Service. Das hat zusammen mit dieser grandiosen Landschaft eine einzigartige Ausstrahlung.
Dazu kommen Beobachtungen in der Schweiz, die mit manchen Themen pragmatischere Lösungen hat als wir in Deutschland, wahrscheinlich auch, weil EU-weite Regeln keine Rolle spielen: Es gibt oft keine Fahrstühle, dafür viel öfter relativ kurze Rampen auf Bahnhöfen. In Basel fahren noch viele Generationen von Straßenbahnen, auch kurze mit zwei Anhängern, in kleineren Zügen gibt es noch ganz alte, gepflegte Wagen mit Klapptüren, meist nicht klimatisiert, in Hotels noch alte Aufzüge, nicht alles hat eine Mindesthaltbarkeit … Dafür funktioniert mehr, in Städten wird mehr aufgeräumt. Die Bahnen fahren komplett elektrifiziert und scheinen pünktlicher zu sein. Es ist eine willkommene Abwechslung, das Schweiz-Angebot im Deutschland-Pass der Bahn eine tolle Idee, solch eine Fahrt hätten wir sonst nie unternommen und St. Moritz wohl nie besucht.
Die Rückfahrt wählen wir aufgrund des schönen Wetters etwas anders: zunächst die Albula-Strecke zurück bis Filisur, von dort wieder aufwärts nach Davos, das wir von einer Wochenend-Busfahrt vor fast 20 Jahren gerade noch wiedererkennen, und das zwar einen städtischen Eindruck macht, aber nicht die Athmosphäre von St. Moritz hat, es erscheint viel gewöhnlicher. Weiter geht’s über Klosters nach Landquart, auf allen Strecken bis dahin können wir uns nicht sattsehen, die Berge, die Kehrtunnel, Örtchen im Tal, Wasserfälle, Schluchten, spektakulär. Und dann fahren wir den Rhein entlang, noch lange mit Alpenbergen und Blick nach Liechtenstein. Auf der linken Seite werden aus den Alpen Mittelgebirge, rechts wird aus dem Rheintal der Bodensee. Mit drei knappen Anschlüssen und zwei Schweizer S-Bahnen geht’s über Rorschach, Romanshorn und Kreuzlingen nach Deutschland, mit dem Schwarzwald-Express über Triberg nach Karlsruhe. Die Berge hier erscheinen jetzt niedlich gegenüber dem Panorama in der Schweiz. Und noch einen Unterschied gibt es: Die Rhätischen Bahnen sind Schmalspur mit viel engeren Kurven und daher schöner am Hang, komfortables Fahren bei gemütlichem Tempo von 20 bis 60 km, da fängt die Schwarzwald-Normalspur erst an, und zweispurig ist auch nicht ganz so naturnah. Die großen Kehren hier fallen bei den weiten Kurven nur auf der Karte auf. In der Dämmerung erreichen wir wieder das Rheintal, jetzt sind wir fast von der Quelle bis Ludwigshafen den Rhein abgefahren. Noch ein Umstieg in Mannheim, und wir kommen nach fast 10 Stunden – es hätte auch kürzere, aber langweiligere Strecken gegeben – reibungslos nach 8 Umstiegen hochzufrieden zu Hause an.

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