20. August: Olfen, Lüdinghausen und nach Altena

Olfen: Campingplatz und Umgebung (Ziel: Marlis), kurzer Gang durch Lüdinghausen und Fahrt nach Altena(Westfalen)

Das Frühstück in der dunklen Gaststube ist nicht der Hit, das sehr große Zimmer mit Dachziegelblick aus dem Badfenster hat uns gut gefallen. Es gelingt uns, das Hotel Post direkt am Busbahnhof zu überreden, unser Gepäck zu nehmen. Mit dem Bus geht es nach Olfen, dort wollen wir Marlis’ Ziel, die Umgebung des Campingplatzes Füchtelner Mühle, erkunden, wo sie mit ihren Eltern und der Schwester bis 1965 an vielen Wochenenden war und auch Schwimmen gelernt hat. Dem Wanderprospekt habe ich den Rundweg von Olfen Friedhof am Nordrand des Ortes die Stever entlang entnommen, südlich hin, nördlich zurück. Diese fünf Kilometer passen schon mal bestens, das deckt den östlichen Aktionsradius von damals komplett ab. Heute ist dieses Gebiet komplett Naturschutzgebiet, die Wege gut markiert und ausgebaut, vorwiegend sind Fahrradfahrer unterwegs, wir haben Samstag und Top-Ausflugswetter, blauer Himmel bei 24 Grad. Unser erster Anlaufpunkt ist die Gaststätte “Zum Sternbusch”, altbekannt von damals. Wir trinken etwas und begegnen dem Chef, Herrn Grundmann, in meinem Alter, damals hatten seine Eltern das Lokal. Er kann uns einiges erzählen: er berichtet über den ambitionierten Rückbau der Stever-Auen, vom schon lange nicht mehr existierenden Tante-Emma-Laden gegenüber, der für die Campingplatzbewohner wichtig war, der Stromgewinnung im Wehr an der Füchtelner Mühle mit Wasserrädern, dass es seit einem Jahr das neue Naturbad, ein Freibad, in der Nähe gibt, und dass der Campingplatz bis Ende 2012 geräumt sein muss, und der Kiosk schon nicht mehr geöffnet ist. Als wir vor einem Jahr mit dem Auto dort vorbeifuhren, haben wir uns schon gewundert, dass keine Neuvermietungen mehr vorgenommen werden, der Platz kaum mehr gepflegt wird und viele Leerstellen und verlassene Wagen aufweist. Als wir den Platz heute begehen, sehen wir diese Tendenz noch verstärkt. Der Platz war schon immer schwierig, da er im Überflutungsbereich der Stever liegt und öfter alles nasse Füße bekommen hat; Marlis’ Eltern sind deswegen in den 60er Jahren auf einen anderen Platz umgezogen. Wir beginnen am Stever-Ufer am nördlichen Platzrand direkt unterhab des kleinen Wehrs, der Badestelle der Kinder. Im Ufergebüsch beobachten wir Libellen, gegenüber liegt etwas höher ein neuerer Campingplatz. Beim Rundgang finden wir nur noch einzelne benutzte Plätze, die alle richtig eingewachsen sind: Hecken, Vorbauten, Verkleidungen. Wir treffen das Ehepaar Meinert, das seit 45 Jahren hier die Sommerwochenenden verbringt, sie haben es immer genossen, jetzt geht für sie passend ein Lebensabschnitt zuende, nächstes Jahr werden sie nicht mehr kommen und sind froh, dass sie jemanden gefunden haben, der ihre Installationen kostenfrei entsorgt. Für uns sieht das Ganze hier sehr trostlos aus, dieser Eindruck verstärkt sich, als wir nach Überschreiten des maroden Holzbrückchens über einen Steverarm in den neueren, düsteren Teil des Platzes unter hohen Bäumen kommen: vielleicht noch drei benutzte Plätze inmitten von Wohnwagen- und Bretter-Ruinen. Von hier kommen wir auf einen beliebten Spazierweg von Marlis, wir folgen dem nach Westen in den nächsten Wald, machen Picknick auf einem Hochstand und weiten den Weg zu einer Runde über die nächste Stever-Brücke aus. Es gibt keine Punkte deutlicher Erinnerung; der Wald ist massiv gewachsen oder vielleicht auch verschwunden, Mais, in der Masse bestimmt für Biosprit, über den man nicht drüberschauen kann, bestimmt die Landschaft, den gab es damals nicht, und die Bauernhöfe haben höchstens im Kern noch Gebäudeteile von früher. Allerdings: Zurück an der Straße entdeckt sie den Bauernhof, wo sie Milch geholt haben. Gegenüber liegt der neuere Campingplatz, wir gehen kurz rein, sehr gepflegt, doch typisch eng, der Kiosk hat zu, etwas weiter haben sich alle zum Sommerfest versammelt und schleppen Kuchen an. Wir gesellen uns nicht dazu, das ist uns zu eng. Statt dessen gehen wir ins Gasthaus “Füchtelner Mühle”, das heute wie damals unstimmig vornehm wirkt, und trinken Kaffee. Auf dem Weg entlang der früheren Schwimmstrecke gehen wir zum Ausstieg, heute ausgebaut mit Brücke, Park- und Rastplatz und einer besonderen Konstruktion von Aussichtsplattform, verschraubt an gezüchteten Weidenruten, die die Stützfunktion übernehmen, und so den Eindruck vermitteln, als würde man aus einem geschützten Baumhaus in die Landschaft blicken. Auf Infotafeln wird von der Storchenansiedlung berichtet. Für die Rückfahrt haben wir den Rufbus bestellt; als die Haltestelle in Sicht kommt, hält er gerade, und da keine weitere Bestellung vorliegt, fährt uns die Fahrerin sofort und direkt nach Lüdinghausen, wo wir 20 Minuten früher sind. Auch das Buskürzel SV-RF im Online-Fahrplan kann sie erklären: Shuttleverkehr Rosenfest in einem Vorort, also Busse, die nur heute abend fahren. So bleibt noch Zeit für eine kurze Tour zu den Wasserschlössern Lüdinghausen und Vischering, die wir sonst nicht gesehen hätten.
Wir sammeln wie kalkuliert unser Gepäck ein und gehen zum Bahnhof; leider habe ich doch die Zeit unterschätzt und wir erreichen nur mit strammstem Walking-Schritt sekundengenau den pünktlichen Zug, was einen Rüffel gibt. In den Zügen ab Dortmund und Hagen treffen wir auf viele Fußballfans der Borussia, friedlich, laut, einige schwankend und leicht desorientiert, andere passen auf die auf. So kommen wir mit besonderer Unterhaltung nach Altena im Lennetal, einem weiteren Ort aus Marlis’ Kindheit, von dem sie ein Foto gefunden hat. In der Dämmerung wandern wir vom Bahnhof über die Lennebrücke durch die Fußgängerzone zum Gasthaus Mythos, wo wir ein Zimmer gefunden haben, wir sind gespannt. Die Lage des Ortes im schmalen, verschlungenen Lennetal ist bedrückend, die Häuser kleben förmlich an den steilen Hängen und haben abenteuerliche Treppen- und Gartenkonstruktionen. Viele Häuser und Geschäfte stehen leer, anderes wirkt verstaubt. Der hier besonders ausgepägte demografische Wandel – in den letzten 17 Jahren hat die Stadt 25% ihrer Bewohner verloren – ist unübersehbar, auch wenn man mit Fördermitteln versucht, dem entgegenzusteuern und die weltberühmte Burg und das Thema Draht weiter ausgebaut wird. Im Mythos werden wir herzlich empfangen und bekommen ein Zimmer unter dem Dach, erreichbar über enge steile Treppen. Dafür können wir uns hier voll ausbreiten und den Flur mit Tischen mitbenutzen. Da uns nichts besseres beim Gang durch die Fußgängerzone aufgefallen ist, kehren wir hier ein; der Lammbraten mit Weinblättern ist vorzüglich, und der Freund des Wirtes zeigt uns bei einem Ouzo noch Zaubertricks. Hier zwischen den Bergen wird es richtig kalt nachts, die Wärme des Tages ist schnell draußen, wir schlafen bald.

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19. August: über Bad Rothenfelde nach Lüdinghausen

Fahrt nach und Rundgang in Bad Rothenfelde (Ziel: Marlis), Fahrt nach Lüdinghausen

Beim abendlichen Lesen sind wir fürs Frühstück an das Traditionscafé Kleimann erinnert worden, das steuern wir an und essen gut, aber etwas kleiner als an den Frühstücksbüffets; leider ist es für die verlockenden Torten noch zu früh. Der Morgen in Dortmund startet trübe, so bleibt es auch auf der Fahrt mit ICE nach Bielefeld und mit dem NWB-Triebwagen nach Bad Rothenfelde. Diese kleine Strecke, der “Haller Willem”, führt immer am Teutoburger Wald entlang, eine ungewöhnliche Landschaft mit dem geraden, langen Höhenrücken, der sich unmittelbar aus der Ebene erhebt. Wir erkennen viel von unserer Autodurchquerung mit Wanderung von Borgholzhausen nach Hilter im vorigen August, wo wir zwei Stationen auf dieser Strecke gefahren sind, und wo am Bahnhof Hilter das Foto mit dem blau-gelben Triebwagen auf unserer Projektkarte entstanden ist. Im Zug verkauft der örtliche Eisenbahnverein eine Festschrift zu 125 Jahren Bahnstrecke Osnabrück-Bielefeld; erst vor sechs Jahren ist die Strecke vom Landkreis Osnabrück wieder durchgängig in Betrieb genommen worden. Pünktlich vor Bad Rothenfelde fallen die letzten Regentropfen, im Westen wird es blauer. Den Tag über bleibt es heiter und gerade warm genug. Der alte Bahnhof wird vom gegenüberliegenden Fleischfabrikanten zum Kulturhaus umgebaut. Wir laufen die Strecke in den Ortskern, knapp zwei Kilometer. Unterwegs finden wir einen Supermarkt, bei dem wir unser Gepäck unterstellen können, ein Debut, für uns und das Marktpersonal, so können wir befreit weiterlaufen. Gleich am Beginn des Kurparks stoßen wir auf die neue Saline, einen geraden, einige hundert Meter langen Bau aus dem 19. Jahrhundert. In der Verlängerung vor dem Kurmittelhaus ist das alte Gradierwerk zu sehen. Bad Rothenfelde ist ein Ziel von Marlis, im Alter von fünf Jahren, Anfang der 50er, war sie hier für sechs Wochen in Kinderholung. Die Erinnerung ist natürlich schwach, Dokumente, Fotos oder Aufzeichnungen gibt es nicht. Die Salinen kommen ihr allerdings bekannt vor. In der Touristeninformation treffen wir auf eine Dame in Marlis’ Alter, Marlies Schlingmeyer, die das ehrenamtlich macht. Sie kann einiges zu “Kinderheime in den 50ern” erläutern; damals soll es 58 gegeben haben, heute kein einziges mehr. Also sind auch etliche Gebäude abgerissen oder umgebaut. Da sind die Chancen schlecht, irgendwas wiederzuerkennen, wir wissen weder Name noch Ortsgegend, nur Waldnähe. Sie nennt uns den ehemaligen Standort des Dortmunder Kinderheimes. Wir kommen zweimal dort vorbei, in der Gegend finden wir zwei Häuser, die es gewesen sein könnten, mittlerweile in ganz anderer Verwendung und total renoviert, teilweise sind in den Parks später noch andere Häuser entstanden. Zu eindeutigen Erinnerungen reichts nicht, auch nicht im Wald, wo wir in der Bismarckhütte einkehren. Es gibt sehr schön gelegene Reha-Kliniken für Haut und Orthopädie, wir schauen in drei rein, oft sind es alte Häuser mit großen Eingangshallen und neueren Erweiterungen in gepflegten Parks. Eine kleine evangelische Kirche sehen wir, das meiste ist aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Kurbetrieb so richtig in Schwung kam. Richtige Erinnerungen kommen am Kurmittelhaus mit den langen Gängen und kleinen Zimmern auf, da waren die Sole-Wannenbäder drin, heute eher Solarien, Fango und weitere Spezialanwendungen. Wir gehen in den Demonstrationsgang in der neuen Saline, da riecht man intensiv das Salz und sieht die dicken Krusten, die sich auf dem Schwarzdornreisig gebildet haben. Entlang der Salinen stehen auf Masten dicke Kameras oder sowas ähnliches, wir wissen nicht, ob Brandschutz, Überwachung oder Beleuchtung. Die neue Saline hat obendrauf einen Aussichtsgang, und am Ende steht eine Windkunst, die schon auf alten Abbildungen zu sehen ist, ein Windmühlenrad auf einem Fuß. Unterhalb liegt ein schöner großer Rosengarten. Insgesamt ist Bad Rothenfelde ein hübscher, gepflegter Kurort mit einigen schönen Häusern und Parkanlagen. Es ist nicht mondän, es ist nicht verstaubt, es ist erfrischend normal und scheint gut zu funktionieren. Ob wir hier in Kur gehen würden, ist ein anderes Thema. Marlis ist mit dem Wiedergefundenen zufrieden, wir gehen durch langweilige Einfamilienhausgegenden zurück zum Supermarkt, sammeln unser Gepäck ein und ziehen weiter zum Bahnhof. Es folgen drei Stunden Reise für vielleicht 100 km Luftlinie: Umsteigen in Osnabrück, Münster und Dülmen, davon fast eineinhalb Stunden Aufenthalt: Zeit genug, um uns gründlich umzuschauen. Originell sind die Bahnhöfe Osnabrück und Dülmen, beides Schienenkreuzungen mit Bahnsteigen an beiden Achsen. Alles klappt, wir kommen wie geplant in Lüdinghausen an, dem Ausgangspunkt für unser morgiges Ziel bei Olfen. Der Weg zum Hotel ist länglich, wir kommen gerade so an, dass wir noch was zu essen bekommen. Ich bereite den Ausflug morgen nach Olfen vor, passend habe ich einen Wanderprospekt gefunden, der bei Bus-Auswahl und Wanderung hilft.

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18. August: nach Dortmund

Fahrt nach Dortmund: Besuch der Schwester, Essen im “Alten Markt” mit Unwetter

Wir schaffen es tatsächlich, wie mal angedacht um 12:23 in die S-Bahn zu steigen, allerdings sekundengenau, Marlis ist schon auf dem Bahnsteig und hält die Tür auf, während ich von hinten angerast komme. Morgens war noch jede Menge unkalkulierbares zu erledigen, wie Scans beschaffen und beurteilen, CD brennen und ausliefern. Ich hatte schon ins Auge gefasst, eine Stunde später zu fahren. Der ICE in Mannheim spielt dann nicht ganz mit: eine Stunde vorher galt er noch als pünktlich, er startet dann mit 15 Minuten. Da hätte ich nicht hetzen müssen und 7 Minuten später mit der Straßenbahn fahren können. Und der ICE sammelt langsam weiter, bis er in Dortmund 40 Minuten Verspätung hat. Das ist uns allerdings egal, wir müssen nicht mehr umsteigen, und wir schaffen es so, die Fotos des letzten Abschnitts auszuwählen und zu bearbeiten. Solch einen Blog-Rückstand hatten wir noch nie, mal sehen, wie wir aufholen. Der Zug ist proppenvoll mit Menschen und Koffern vom ersten bis zum letzten Wagen. Wir schaffen es, zwei Einzelplätze im letzten Wagen zu ergattern, und jonglieren mit zeitweise freien Nebenplätzen über den Gang so, dass wir zusammen die Fotos beurteilen können. In Dortmund gehts zügig mit Koffern in die U-Bahn, wir wollen Marlis’ Schwester im Krankenhaus besuchen und da nicht noch später ankommen. Aus dem sechsten Stock gibt es eine gute Aussicht über Dortmunds Norden. Während eines anderen Besuchs legen wir eine Kaffeepause ein. Als sich draußen das Gewitter ankündigt, verabschieden wir uns. Die U-Bahn kommt sofort, am Hotel steigen wir aus und laden schnell ab, auf der Straße tropft es schon. Gerade so ohne Schirm schaffen wir es in den “Alten Markt”, wo wir schon voriges Jahr Grünkohl gegessen haben. Der Platz ist voll mit Sonnenschirmen, alle sitzen draußen. Wir wissen vom Regenradar, dass es jeden Moment los geht, und suchen uns drinnen einen Platz im Obergeschoss am Fenster. Schon beim Bestellen können wir zusehen, wie der Regen zunimmt, bis es stürmt und gießt, die Schirme und Markisen beängstigend wackeln, das Personal kommt mit dem Aufräumen kaum hinterher, und die Gäste drängen nach innen. Das haben wir diesmal bestens eingeteilt, wir haben einen guten Platz und essen gut, während draußen alles schwimmt. Als wir fertig sind, ist das Wetter immerhin regenschirmgeeignet, wir haben zwei mit und kommen bequem zum Hotel. Wir haben bahnhofsnah ohne Frühstück gebucht, dadurch noch bezahlbar und sehr komfortabel mit Theke, Sitzecke, Schreibtisch, Schlafzimmer, Durchgang mit Waschbecken und Schrank zum Bad mit Ausgang zum Wohnzimmer, eine richtige kleine Suite, in der wir ausschlafen können. Das überteuerte Minibarangebot nutzen wir nicht, in Dortmund kennen wir die Versorgungsstellen im Bahnhof.

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15. August: Wismar und zurück

Wismar: letzte Ziele, schnelle, volle Rückfahrt mit vielem Umsteigen

Etwas mehr kann ich heute schon essen, zur Normalität reichts noch lange nicht. Vor der Abfahrt drehen wir noch eine kleine Runde: Wir besichtigen das Zeughaus aus dem 18. Jahrhundert, heute aufwendig modernisierte Stadtbibliothek. Auf dem zweistöckigen Gebäude sitzt ein mächtiger Dachstuhl mit komplizierten Balkenkonstruktionen, so dass der erste Stock komplett frei von Pfeilern ist, früher wurde das Material über eine Rampe direkt hier hineingefahren. Nach einem kurzen Blick in die Heiliggeistkirche mit ihrer unregelmäßigen Holzdecke, den einzeln gestalteten Bankenden und dem Glasfenster des 15. Jahrhunderts aus der gesprengten Marienkirche verabschieden wir uns von der Weinhändlerin in der Löwenapotheke und steuern den Bahnhof an. Die kürzeste Verbindung, die ich gestern gesehen hatte, finde ich nicht mehr, vielleicht habe ich den Tag falsch angegeben, es dauert jedenfalls 14 Minuten länger. Verblüffenderweise sind ab Bad Kleinen alle Züge rappelvoll und die meisten haben Koffer mit; wir haben Mühe, Plätze nebeneinander zu finden, und müssen schwer hinschauen. Ich jongliere trotzdem entlang der Strecke über Lauenburg mit Einzelabfragen herum; dadurch finde ich in Lüneburg einen etwas verspäteten ICE, an den wir dadurch Anschluss bekommen, in Hannover gehts dann sofort am anderen Gleis und noch vor dem ICE von Lüneburg direkt weiter nach Mannheim. So packen wir es, mit fünfmal Umsteigen (Bad Kleinen, Büchen, Lüneburg, Hannover, Mannheim) 40 Minuten früher als im Fahrplan vorgesehen zu Hause anzukommen, allerdings ist die Fahrt durch das viele Umsteigen, die knappen Anschlüsse und die vollen Züge ungewohnt unruhig, und mit dem Tippen bin ich noch nicht fertig. So schön wies war, diesmal bin ich froh, meinen Darm zu Hause entspannen zu können.

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14. August: Ausflug zur Insel Poel

Ausflug von Wismar zur Insel Poel: Hin mit dem Schiff, zurück mit dem Bus

Heute Nacht hat mich mein Magen-Darm-Trakt heftig geärgert, es kam in jeder Richtung raus, ich bin unausgeschlafen und etwas schlapp. Der Appetit ist auch weg, wir gehen alles langsam an. Nach einem Mini-Frühstück laufen wir zum alten Hafen und schauen kurz ins Baumhaus, von wo aus früher der Hafen-Sperrbaum ausgelegt wurde, bevor wir mit dem Schiff zur Insel Poel starten. Im Reisejahr hat uns jemand die Insel genannt, und da wir von ihr noch nie gehört hatten, wollen wir sie mal ansehen. Das Wetter ist trüb, jedoch angenehm lauwarm. Es ist windstill, auf dem Schiff nach Kirchdorf auf Poel können wir bequem oben sitzen. Es tuckert gemütlich durch den Hafen, vorbei an den Schwedenköpfen, am Holzladekai, der riesigen Werfthalle und dem Yachthafen und der Seebrücke im Stadtteil Wendorf. Vorbei an der Vogelschutzinsel Walfisch gehts durch den langen Schlauch des Kirchsees ins Inselinnere nach Kirchdorf. Der Ort besteht aus unauffälligen Häuschen, nur die Kirche aus dem 13. Jahrhundert, mit etlichen sehr alten Einrichtungsgegenständen, fällt auf, der Turm ist auf der flachen Insel weithin zu sehen. Sie liegt innerhalb eines mächtigen Erdwalls, der Rest eines Schlosses, das früher rund um die Kirche stand. Davor gastiert ein Zirkus; wir wandern auf ruhigen Wegen quer durch den Westteil über das verschlafene Dörfchen Neuhof, an dessen Rand tatsächlich jemand einen aufwendigen, hässlichen Zweitwohnsitz hingestellt hat. Ein Betonweg führt von hier zum Strand, hin und wieder von Autos befahren zum Parkplatz am Strand – Wiese mit Parkscheinautomat! Die Insel ist von Landwirtschaft mit Weizenfeldern geprägt; zu DDR-Zeiten war Poel ein Zentrum der Saatzucht. Durchsetzt ist die Landschaft mit einigen schön glitzernden Naturwäldchen, der Strand wird von einem dichten Waldstreifen geschützt. Oft sieht man den Turm von St. Marien in Wismar – wirklich eine auffällige Landmarke. Wir erreichen den schmalen Sandstrand, einige Spaziergänger sind unterwegs. Es tröpfelt schon etwas, ich geselle mich trotzdem noch unter die einzelnen FKK-Badenden. Das Wasser ist glatt und kalt, und längst nicht so salzig wie an der Nordsee. Auf der Strandwanderung nach Timmendorf Strand treffen wir auf einen kleinen Surferstützpunkt im Wald, der hat sogar Salzgebäck für meinen Magen zu bieten und auch sonst einiges zu erzählen, besonders zum schlechten Urlaubswetter hier im Norden in diesem Jahr. Es regnet jetzt kräftiger, aber nicht so, dass es uns am Weiterlaufen hindert. Richtung Timmendorf wird der Strand etwas breiter und es gibt um die 100 Strandkörbe zu leihen. Am Wassersaum liegt ein Streifen Tang und viele kleine Miesmuschelschalen. Am kleinen Hafen trinken wir Kaffee, bei mir kommt nur Kamillentee mit Hühnersuppe in Frage. Es wird immer nasser, wir beenden daher den Poel-Ausflug mit der Busfahrt zurück nach Wismar. Der Bus fährt zu allen Badeorten der Insel; wir sitzen vorn beim Busfahrer, der – wie schon viele Fahrer im Reisejahr – uns zwischendurch einige Informationen geben kann. Er ist viel herumgekommen und hat trotz schwieriger Bedingungen immer eine Arbeit gefunden; zuletzt hat er seinen LKW-Führerschein auf Bus aufgestockt, um diese Arbeit zu bekommen. Über den Damm durch die Salzwiesen im Osten und eine kleine Brücke erreichen wir das Festland. Wir haben einen guten Eindruck von der Insel gewonnen; am ehesten erinnert sie an Föhr, ist aber viel ursprünglicher, längst nicht so aufgeräumt und herausgeputzt und mit anderer Landwirtschaft, hat jedoch nicht mit soviel Flair wie Hiddensee. Im Hotel angekommen, ruhen wir uns zwei Stunden aus, das tut meinem Magen gut. Zum Essen haben wir im To’n Zägenkrog reserviert, gestern war da komplett belegt, sonst ginge es heute meinem Magen sicher besser. Ich hatte mich so auf das Fischangebot gefreut, das Restaurant wird vom Feinschmecker empfohlen und ist angenehm preiswert, jetzt muss ich Kartoffel-Kräutersuppe essen, Marlis hat Nackenkamm mit Zwiebeln, alles bestens. Die Bedienungen sind äußerst zuvorkommend und fühlen richtig mit mir mit. Auf dem Rückweg kommen wir wieder an der “Volkskammer” vorbei, einer DDR-Nostalgiekneipe mit Sprüchen und einer alten DDR-Speisekarte im Fenster. Danach reichts wieder nicht zum Schreiben, ich bin zu schlapp. Hoffentlich kann ich morgen aufholen.

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13. August: Rundgang in Wismar

Wismar: Kirchen, Karstadt, Sektkellerei, Stadt

Heute haben wir uns entschieden, Wismar zu entdecken, weil am Samstag die Geschäfte offen sind. Schon die Breite Straße mit dem Hotel ist malerisch. Im Vorbeigehen ist uns das Gebäude der früheren Löwenapotheke aufgefallen, heute Café und Weinhandlung, spontan gehen wir hinein und treffen die Architektin und Inhaberin Doreen Rump. Alles ist sehr schlicht und stimmig gestaltet, und einige uns bekannte Pfälzer Winzer sind vertreten. Das gefällt uns gut, so kommen wir gleich ins Gespräch. Dazu gesellt sich noch Dr. Zielenkiewitz, der Präsident der Bürgerschaft. Wir erfahren viel über die Sprengung des kriegsbeschädigten Kirchenschiffs der Marienkirche Anfang der 60er in einer Nacht- und Nebel-Aktion, Weltkulturerbe-Status der Stadt, verschiedene Ausstellungen, das Zeughaus, Seilschaften und den Stolz der Bürger auf ihre Stadt, den wir in LU vermissen. Das ist ein fulminanter Tages-Start. Richtung Marktplatz kommen wir am Karstadt-Stammhaus vorbei. 1881 ist Rudolph Karstadt mit dem neuen Anspruch angetreten: alles unter einem Dach, günstigst zu Festpreisen, aber nur gegen bar. Heute ist es ein eher kleines Kaufhaus, es dürfte nach der Wende wieder von Karstadt übernommen und saniert worden sein. Es soll ein altes Kontor geben, das finden wir erst auf Nachfrage in einer hinteren Ecke, eher eine lieblose Altmöbelansammlung als ein Museum. Auf dem riesigen quadratischen Marktplatz mit seinen schmucken Giebelhäusern verliert sich ein eher kleiner Wochenmarkt, das ganze Ensemble, aus dem das Backsteinhaus des alten Schweden und die Wasserkunst besonders hervorsticht, zeugt allerdings von dem Reichtum der Hanse. Durch kleine Straßen gehen wir zur Hanse-Sektkellerei, deren Gewölbe sich unter einem hässlichen Neubau am Rande der historischen Innenstadt versteckt. Das alte Gewölbesystem selbst ist beeindruckend, hier werden hauptsächlich Marken des heutigen Stammhauses Schloss Wachenheim angeboten, eine spezielle Hanse-Abfüllung reift sogar hier vor Ort. Zu DDR-Zeiten wurde hier Wein zu verschiedenen Cuvees mit Phantasienamen verschnitten. Wir sind in einer kurzen ruhigen Zeit zwischen Bustouren und Touristengruppen da, so bekommen wir exklusive Proben und Erläuterungen der Verkäuferin. Durch andere Straßen erreichen wir den malerischen Fürstenhof, heute Amtsgericht. Das macht das Weltkulturerbe aus: in der fast kreisrunden Altstadt von etwa einem Kilometer Durchmesser, um die eine Ringstraße entlang der früheren Stadtbefestigung führt, hat jede Straße ein fast geschlossenes historisches Ambiente zu bieten, wenig Fachwerk, viel Backstein, schöne Giebel, kein übertriebener Kontrast zwischen poppiger Übersanierung und dazwischenliegenden Abbruchhäusern. Hier wartet zwar auch noch manches, aber nicht in übelstem Zustand. Und es gibt viel guterhaltenes Kopfsteinpflaster der grobesten Sorte. In einem netten Cafégarten machen wir Pause, dann nehmen wir uns die Kirchen vor: Wir beginnen mit dem übriggebliebenen wuchtigen, quadratischen, über 80 Meter hohen Turm von St. Marien. Ein Film erläutert anschaulich die damalige Baudurchführung, manches davon haben wir noch nicht so anschaulich gesehen: die Grundriss-Konstruktion mit großen Schnurzirkeln, die Herstellung der Formsteine mit Schablonen, der Gerüstbau, das Hochziehen schwerer Teile mit Tretrad-angetriebenen Seilwinden. Am Platz steht noch das beeindruckende Gebäude des Archidiakonats, zwischendurch immer mal ein unsaniertes Gebäude. Das Zeughaus muss für Montag bleiben, wenn die Bibliothek geöffnet ist. In der mächtigen, an Rostock erinnernden Kirche St. Georgen ist ein Konzert, wir können nur durchs Fenster in den fast fertig wiederaufgebauten Innenraum schauen. Die heute evangelische Heiligen-Geist-Kirche ist aus einem Siechenhaus gewachsen und bildet mit diesen Nebengebäuden einen schönen Innenhof. Der quaderförmige Innenraum mit der alles frei überspannenden Holzdecke, die die bei einer Pulverexplosion um 1700 zerstörte Gewölbedecke ersetzt hat, deren Spannbalken noch etwas unmotiviert und unsymmetrisch unter der Decke hängen, birgt viele interessante Details, die etwas vom Kirchen-Üblichen abweichen. Der Küster Rüdiger Röpke spricht uns an und gibt uns umfassende Erläuterungen, leider begrenzt durch die Öffnungszeit der Wismar-Ausstellung unter dem Rathaus, in die wir wenigstens kurz reinschauen wollen. Hier gibt es Vitrinen mit Dokumenten, Sammlerstücken und Texttafeln besonders über die Hansezeit, recht anschaulich dargestellt, der kurze Überblick reicht uns. Beeindruckend ist auch die wuchtige, hohe Nikolaikirche aus Backstein, die uns an Stendal erinnert. Mit Mühe erreichen wir die Turmführung auf St. Marien, für die wir uns eingetragen haben. Man ist sekundengenau gestartet, lässt uns netterweise aber zwei Minuten später noch hinterher. Die Sicht aus dem Turm ist zwar schlecht, und in die Uhrspitze darf nur der Uhrmacher, die Holztreppenkonstruktion im riesigen offenen Quadrat des Turminneren mit den langen gotischen Fenstern und dem 750 Jahre alten, komplett originalen Glockenstuhl samt Glocken ist sehenswert genug. Neben dem gesprengten Kirchenschiff, dessen Grundriss 1,50 Meter hoch gegenwärtig als Mahnmal wieder den bisherigen Parkplatz ersetzt, steht die Notkirche, eine in drei Modelltypen von Otto Bartning entworfene und in 43 Exemplaren gebaute, sehr preiswerte, leicht vor Ort zusammenbaubare Holzbogenkonstruktion, die mit Trümmersteinen ausgefacht wurde, und, wie viele Provisorien, heute noch hält. Auf das von Dr. Zielenkiewitz erwähnte Konzert der “Herren”, das gleich in dieser Kirche stattfindet, verzichten wir nach dem langen Tag, was sich im Endeffekt als nicht so schlau erweist. Wir streben statt dessen gleich seine Restaurantempfehlung, den Ziegenkrug, an, leider hoffnungslos auf längere Zeit ausgebucht, im nächsten gefällt uns das Schnitzel-orientierte Angebot nicht, wir landen im “Zum Weinberg”, einem Muss für Touristen mit seinem 650 Jahre alten Innenraum und leider auch darauf abgestellter Speisekarte, Fisch nur als langweilige, wenig regionale Filets. In der Not wähle ich kalte eingelegte saure Heringe, die ich mit dem Wein zusammen nicht vertrage. Es liegt mir jedenfalls im Magen, ich bin schlapp, und in der Nacht dreht sich alles um. Wären wir ins Konzert gegangen, hätte danach der Zigenkrug Platz gehabt, der Text wäre vielleicht noch am Abend entstanden, und ich hätte nicht bis Montag abend mit meinem Magen gekämpft. Hätte … Wir sind ja positiv verwöhnt im Bahn-Reise-Jahr, aber es kann ja nicht alles optimal laufen.

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12. August: Waren, Fahrt nach Wismar

Waren: Suche nach der Getränkeproduktion (Ziel: von mir), Weiterfahrt nach Wismar

Schon früh ruft die Stadtarchivarin Frau Linne an und nennt die Ernst-Alban-Straße 9 als vermutlichen Standort der Getränkeabfüllung, die allerdings höchstens bis 1995 existiert hat. Unterlagen hat sie keine. Wir frühstücken gut mit vielen anderen Gästen zusammen, mit Blick in den Garten, den wir nach dem Auscheck besichtigen. Das Lebenshilfswerk Waren hat ab 2001 hinter dem Hotel eine Gärtnerei mit Baumschule und Pflanzenverkauf errichtet, in der Behinderte ausgebildet werden. Das Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei wurde integriert, dadurch stand eine Halbinsel im Tiefwarensee zur Verfügung. Entstanden ist ein wunderschöner Garten mit einer geordneten barocken Abteilung, in die die Zitrusfrüchte integriert sind, ein englischer Gartenteil mit Hecken, Rosen und freigelegtem altem Baumbestand und langer Uferlinie, ein Heide- und ein Blumengarten. Dazu kommt ein kleines, jedoch sehr variantenreiches Kakteen-Schauhaus und Orchideen. Dieser Garten ist an sich schon einen Besuch wert. Vom Plateau der Feuertreppe genießen wir einen besseren Blick über den See. Mit nur wenig leichtem Regen schaffen wir die nächste Etappe: Am Bahnhof schließen wir unser Gepäck ein und gehen durch die Wohnsiedlungen von Waren-West ins Gewerbegebiet. Wir passieren die Westsiedlung, die der Berliner Architekt Günther Paulus 1936 bis 1941 um den Friedrich-Engels-Platz für die deutschen Werksangehörigen eines Rüstungsbetriebes erbaut hat. Es sind schöne Backsteinhäuser, deren Vorgärten und Bürgersteige heute noch akkurat gepflegt werden, was uns sogar live vorgeführt wird. Im Blockinneren gibt es Kleingärten mit Schuppen, dann folgen einige Straßen mit meist älteren, ebenfalls gut erhaltenen Einfamilienhäusern.
Jetzt gelangen wir in die Ernst-Alban-Straße. Es hat sich viel verändert, etliche Hallen sehen neuer aus, viele sind mindestens saniert und neu verkleidet, damit kaum wiedererkennbar. Vor allem ist das Umfeld aufgeräumter, die Außenflächen sind sauber oder begrünt, Straßen und Bürgersteige ausgebaut. Nur einzelne Hallen sind unverkennbar DDR-Hinterlassenschaft. Wir kommen an der Nr. 9 vorbei, wo heute die Warener Waschfee sitzt, die von der Stadtarchivarin Frau Linne als ehemaliger Standort der Getränkeproduktion genannt wurde. Hinten am Wendehammer, am nächsten an der Bahn gelegen, befindet sich auf einem Gelände ein Getränkemarkt mit zwei weiteren alten Hallen. Da ich mich an den Wendehammer erinnern kann, gehen wir hier erstmal stöbern. Die Inhaberin des Getränkemarktes denkt mit uns nach, kennt aber die Geschichte des Geländes nicht so genau und vermutet, dass es nicht in Frage kommt, weil die bis vor kurzem in anderen Hallen existierende Mosterei schon zu DDR-Zeiten produzierte, was uns andere später bestätigen. Dafür nehmen wir Original Mecklenburger Fassbrause der kleinen Vielanker Brauerei, eine typische DDR-Limo, zum Probieren mit. Wir laufen um die Hallen bis zum Bahndamm, als auf der eingleisigen Strecke ein kleiner Triebwagen der ODEG, die wir schon aus Joachimsthal kennen, vorbeifährt; das dürfte genau der Zug sein, den wir zwei Stunden später nehmen wollen. Der Hof besteht aus großen, nicht ganz ebenen Betonplatten, die Wege aus Betonfertigteilen, erkennbar an den versenkten Eisenhaken, alles noch DDR-Hinterlassenschaft. Gegenüber liegt die große Fischverarbeitung der Firma Friedrichs aus Hamburg, zu deren Büro werden wir weiterverwiesen. Die Damen lassen sich gerne bei der Mittagspause stören, tatsächlich kann sich eine Mitarbeiterin, die schon lange hier im Gewerbegebiet arbeitet, an die Getränkeproduktion im Gebäude der Waschfee erinnern. Zur benachbarten, etwas abgerupft und verlassen aussehenden Disko nebenan können die Damen berichten, dass das nur am Tag so aussieht; morgens begegnen sie manchmal noch den letzten Gästen. Wir ziehen weiter zur Waschfee. Vorbei an einem kleinen als privat gekennzeichneten Gebäude und nach Blicken in die Halle mit großen Mangelanlagen finden wir hinten im noch original betonierten Hof, in dem links ein Metallbaubetrieb werkelt, von hinten den Aufgang ins Büro über der Halle. So ganz klickt es bei mir noch nicht. Hier oben sind alle Räume für die Mitarbeiter. Wir werden in die Verwaltung verwiesen, dort wird gleich der Inhaber und Geschäftsführer Wolfgang Woiterski eingeschaltet, der von unseren Forschungen sehr angetan ist und viel berichten kann. Im Gespräch schließt sich die Geschichte: Er selbst

zwei Mathematiker

ist wie ich Diplom-Mathematiker, damit hätte er in der DDR in die Wissenschaft gehen sollen, die EDV war eher für die anderen Naturwissenschaftler vorgesehen. Er fühlte sich jedoch als Praktiker und landete schon um 1975 in der Wäschereibranche. Nach der Wende leitete er einen kleineren Wäschereibetrieb in der Rosenthalstraße in Waren. Den Betrieb konnte er vor der Eingliederung in eine größere Einheit durch die Treuhand retten, indem er ihn selbst übernahm. Das kleinere zentrumsnahe Gelände konnte er gut verkaufen und damit von Coca-Cola 1993 den mittlerweile ausgeräumten Betrieb kaufen. Den Betrieb müßte ich damals als AFG unter Geschäftsführer Weiß kennengelernt haben, er hatte sich wohl schon gleich nach der Wende aus dem VEB Getränkekombinat Neubrandenburg gelöst. Coca-Cola hat den Betrieb bald übernommen, sicher von vornherein mit dem Ziel, die Produktion zu konzentrieren, die Mitarbeiter wurden großzügig mit bis zu 100.000 DM abgefunden, heute wird nur noch in Bad Doberan abgefüllt. Die Anlagen waren noch nicht alt, das Gebäude wurde 1982 vom Landbaukombinat errichtet. Er führt uns durch einige Räume, frühere Labore, zeigt alte Fliesen, Holz-Deckentäfelung und eine DDR-Spezialkonstruktion: die tragenden Beton-Fensterrahmen, auf denen die Dachträger aufliegen. Es gibt also für das Dach keinen umlaufenden Ringanker, die Fenster lassen sich zu vertretbaren Kosten nicht verändern. Insgesamt hat er hier kostenbewusst erweitert und übrige Hallen weiterverkauft, sicher das Geheimnis, wie er den Übergang geschafft hat. Sein Betrieb ist von 600 auf 2200 Tonnen Jahreswaschleistung gewachsen, er führt noch einen größeren Betrieb in Stralsund und gehört zu einem deutschlandweit anbietenden Wäschereiverbund. In der Halle musste er einen neuen Boden legen, der alte war durch Mengen von Glassplittern unbenutzbar. Das habe ich damals mitbekommen: die Anlagen waren in schlechtem Zustand, es gab oft Bruch. Als ich nach dem kleinen Eingangshäuschen frage, hilft Herr Woiterski meiner Erinnerung auf die Sprünge: Das war nicht die Verwaltung, sondern das Pförtnerhaus, dort hing eine große alte Telefonzentrale, und ich kann mich dunkel erinnern, dass der Pförtner mir eine Verbindung in den Westen herstellen musste, als ich auftretende Probleme klären musste. Wir verabschieden uns begeistert, mehr ist aus meiner Erinnerung nicht herauszuholen. Damals war ich schließlich nur auf die Arbeit konzentriert, Fotos habe ich keine gemacht, und viel Zeit, Waren anzusehen, hatte ich bestimmt nicht, übernachtet habe ich sicher in einem Ferienheim. Da sieht heute alles ganz anders aus: Waren weist 25 Hotels und Pensionen aus, dazu noch jede Menge Ferienwohnungen und Privatzimmer. Bei leichtem Regen durchqueren wir die Plattenbausiedlungen im Westen, die großenteils saniert und wärmegedämmt sind, beim Rest läuft die Sanierung und teilweise der Rückbau an. Am Volksbad am Müritzufer entscheide ich mich, nicht zu baden, es ist zwar warm genug, aber in keiner Weise attraktiv bei feuchtem, trübem Wetter. Vorbei an Ufervillen in unterschiedlichem Zustand gehen wir Richtung Altstadt. Kurz vor dem neuen Naturmuseum Müritzeum fängt es heftig an zu regnen, wir kehren kurz ein und stellen fest, dass es in den nächsten Stunden ähnlich nass bleiben wird, und machen uns daher auf die letzten Meter Richtung Bahnhof. Auch wenn wir einiges ausgelassen haben, sind wir sehr angetan von Waren, das sich bei unserem Kurzbesuch in überwiegend sehr gutem Zustand präsentiert hat, und der Mecklenburgischen Seenplatte. Es sind allerdings auch sichtbar große Summen investiert worden. Am Nachmittag fahren wir auf der eingleisigen Bahnstrecke über Parchim gemächlich mit Blick auf Wiesen und Wälder mit viel Regen und Rehen nach Ludwigslust, das sich auf einem kurzen Rundgang während der Umsteigezeit ebenfalls als interessant zeigt, auch wenn wir es nicht bis zum Schloss und in die Altstadt schaffen. In Wismar angekommen, bekommen wir auf dem Weg ins Hotel und beim Rundgang in der Dämmerung schon einen guten Eindruck von Altstadt und Hafen, den wir morgen vertiefen werden. Wir essen im Hotel; ich bin begeistert vom der gleich zweifach auf meinem Teller liegenden Ostseeflunder mit Speckwürfeln, die sich bestens zerlegen lässt. Heute abend kommt die Müdigkeit, mit der ich gestern gerechnet hatte, der Bericht zum umfangreichen Tag bleibt bis morgen liegen.

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11. August: nach Waren (Müritz)

Waren (Müritz): Bahnfahrt über Berlin, Hotel am Tiefwarensee, Fischessen am Müritz-Hafen

Heute starten wir nach Waren (Müritz), ins Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Idee stammt von mir. 1990, direkt nach der Wende, als ich noch mit eigener Firma Software entwickelt sowie ERP-Software eingerichtet und geschult habe, habe ich drei DDR-Getränkehersteller mit kompletten EDV-Lösungen ausgestattet, einer davon Zweigbetrieb des VEB Getränkekombinats Neubrandenburg mit Sitz in Waren. Das war eine verrückte Zeit, mit einem Lieferwagen voll mit Hardware fuhr ich los, schließlich durfte nichts fehlen, und alle nötigen Informationen mussten dabei sein, vor Ort konnte man nichts besorgen, und Telefonieren ging nur manchmal, mit Drehwählscheiben und Handvermittlung. In den ehemaligen VEBs, die sich am neuen Markt positionieren mussten, gab es neugierige Mitarbeiter und erbarmungswürdig desolate Technik. Ob diese Betriebe überleben würden, konnte ich nicht beurteilen; ohne geeignete EDV jedenfalls schon gar nicht. Im Internet konnte ich keine Spuren der Firma mehr finden, Unterlagen habe ich keine mehr. Ein Anruf beim Stadtarchiv in Waren auf der Fahrt liefert erste Anhaltspunkte, mal sehen, was ich wiederfinde.
Der Fahrplan liefert wie üblich in den Osten verschiedenste, fast gleichlange Verbindungen. Mich interessiert eine über Lüneburg und kleine Oststrecken, mit fünfmal Umsteigen. Kurz vor Göttingen, wo wir hätten umsteigen müssen, wird klar, dass die zehn Minuten Verspätung des zweiten Zuges zu Anschlussproblemen in Lüneburg führen würden, und damit auf den selten befahrenen Nebenstrecken zu deutlichen Verspätungen. Also entscheiden wir, die langweiligere und einfachere Variante über Berlin zu nehmen, mit der Bahncard 100 sind solche Wechsel kein Thema. Auch diese Verbindung dauert länger als üblich, weil im Sommer wegen Baustellen 40 Minuten Verzögerung in den Fahrplan eingebaut sind. Unterwegs nehme ich Kontakt mit dem Stadtarchiv auf und frage nach Spuren der Getränkeproduktion. Die Straße kann Frau Linne mir schon nennen, für Weiteres will sie morgen früh anrufen. Der Zug kommt dann zwar deutlich früher in Berlin an, es reicht aber nicht, um einen Zug früher im Takt zu erreichen. Wir machen eine Kaffeepause im Berliner Hauptbahnhof; den nächsten RE nehmen wir nicht, weil der kurzfristig etwas Verspätung ausweist, was das Umsteigen in Neustrelitz gefährdet. Kurz danach fährt ein ICE, mit dem kommen wir ohne Umsteigen und nur geringfügig später an. Wir haben ein schönes Hotel am Tiefwarensee, nah am Zentrum und doch ruhig, bestens renoviert in einer alten Villa mit Blick auf den See, zugehörig zu einer Lebenshilfe-Einrichtung.
Wir gehen Richtung Altstadt und zum Hafen an der Müritz. Hier wurde einiges Geld investiert, schöne Häuser, Renaissance-Rathaus, viel neues Kopfsteinpflaster, viele Lokale, und an Häusern in der Fußgängerzone auf die Fassade gemalte Läden, sowas haben wir noch nie gesehen. Am Hafen liegen jede Menge Yachten, es gibt viele gut besuchte Strandcafes, fast wie in Südfrankreich, nur dass es etwas kühler und feuchter ist. Wir finden ein empfohlenes Fischrestaurant, ich esse eine Maräne, ein Süßwasserhering, geschmackvoll, schön kross, gut zu demontieren. Danach sind alle Gäste wieder auf den Yachten verschwunden, es regnet etwas. Wir gehen zum Hotel zurück. Ich bin wach und tippe den ganzen Text von heute, das geht diesmal wohl, weil ich heute morgen länger ausschlafen konnte.

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1. August: Freiburg und zurück

Freiburg: Rundgang durchs Quartier Vauban und Rückfahrt

Später und ausgeschlafener starten wir in den letzten Tag des Abschnitts, heute mal wieder sommerlich und sonnig. Zwischen 19° und bewölkt und 24° mit Sonne liegt echt ein himmelweiter Unterschied: einerseits Jacke und vielleicht noch eine zusätzliche Schicht mit Erkältungsgefahr bei Feuchtigkeit, und andererseits Kurzarm-Hemd, und auch die Hose kann kurz sein. Wir haben uns heute den Stadtteil Vauban vorgenommen, durch den wir mit der Straßenbahn bis zur Endstation durchfahren. Den mal geplanten S-Bahn-Anschluss gibts auf der nahen Haupt-Bahnstrecke nach Basel nicht, dafür hören die hintersten Hausreihen die Bahn deutlich. Der Nahverkehr ist auch so gut genug: am Werktag alle sieben Minuten eine Straßenbahn und ein Bus zu Innenstadt und zum Bahnhof, abends und am Sonntag alle 15 Minuten. Das Auto ist hier wirklich in den Hintergrund getreten: Parkhäuser nur am Rand des Viertels, keine Parkmöglichkeiten oder Garagen bei den Häusern, nur Durchfahrt zum Be- und Entladen durch die U-förmigen oder Stich-Wohnstraßen. Fahrräder sind hier, wie überall in Freiburg, massenweise vertreten. Auf der Hauptachse mit Straßenbahn ist 30er-Begrenzung, dort gibt es auf 24 Stunden begrenzte Besucherparkplätze mit Parkschein, die nicht alle genutzt sind. Und tatsächlich sind nur selten Autos unterwegs. Die Bebauungspläne folgen einem städtebaulichen Konzept, das in einem Ideenwettbewerb gewonnen hatte. Das beinhaltet Grünzüge zwischen den Straßen mit Spielplätzen, ein Bach mit Biotop am Südrand ist integriert, einige Geschäfte und Gewerbe dienen der Nahversorgung. Die Häuser sind überwiegend zwei- bis viergeschossige Reihenhäuser mit begrünten Flach- oder solarbestückten Schrägdächern. Der Neubaubestand muss mindestens Niedrigenergie-Standards erfüllen, meist erreicht er viel mehr. Dabei hilft eine Heizzentrale mit Kraft-Wärme-Kopplung. Gebaut haben seit 2001 Einzel-Bauherren und Bauherrengemeinschaften nach den Vorgaben des Konzepts. Die Häuser sind im Grundsatz modern, architektonisch anspruchsvoll, gradlinig und doch vielfältig in Gestaltung, Materialien und Farbgebung. Die Gärten sind klein, intensiv grün, oft nicht akribisch abgegrenzt und eher wilder und nicht übermäßig angelegt, vielfach mit Sitzgelegenheiten vor oder hinter dem Haus und größeren Fahrradsammlungen. Alles sieht freundlich, gut eingelebt, angenommen und genutzt aus. Nicht immer gelungen sind die häufig verwendeten Holzfassaden, oft ist das Holz sehr scheckig. Die nicht immer aufgeräumten Eingangsbereiche sind sicher nicht Jedermanns Sache. Der zentrale Quartiersladen ist bestens und bioorientiert sortiert und sorgt über Mitgliedschaften und Rabatte für Kundenbindung. Am Eingang gibt es einen Bio-Supermarkt und einen Drogeriemarkt und diverse Ärzte, ein Schreiner und ein Radladen sind auch vertreten, ebenso Schule und Kindertagesstätte. Am Quartiersplatz mit wöchentlichem Bauernmarkt gibt es ein Restaurant mit Mittagstisch, dort essen wir gut vegetarisch. Andere Teile des Viertels bestehen aus Blocks von Wohnungsbaugesellschaften oder einheitlichen Häuserzeilen mit Solardächern, auch ein Studentendorf und umgebaute alte Kasernengebäude mit Sozialwohnungen gibt es, man zielt auf eine geeignete Mischung, auch wenn heute das Durchschnittsalter eher niedrig ist. Auf einem noch unbebauten Gelände an der Einfahrt ins Viertel ist ein Wagenplatz entstanden, in dem hinter Bretter-Sichtschutz und Grafitti Jugendliche, die sich eher der autonomen und Punk-Szene zugehörig fühlen, niedergelassen haben. Der Platz soll wohl schon lange einer Bebauung weichen, Verhandlungen über den Verbleib oder Alternativen für den “Kommando Rhino” genannten Wagenpark sind wohl gescheitert, die Räumung ist beschlossen und für heute angedroht. Im Moment, wo wir dort sind, veranstalten die Bewohner eine Spontandemonstration mit Musik und Sperrung der Eingangsstraße; Die Polizei ist mit einer Hundertschaft Schild- und Helm-bewaffnet bereit, ebenso Deeskalations-Beamten und die Stadtreinigung, die die Straßensperren einsammelt. Bald darauf zieht die Polizei wieder ab und die Demonstranten räumen die Straße; wann eine Räumung des Geländes versucht wird bleibt unklar; die Bewohner telefonieren jedenfalls heftig herum, um neueste Informationen und Vermutungen auszutauschen. Wie aus Spruchbändern im Viertel hervorgeht, ist die Meinung der Viertel-Bewohner zu dem Wagenpark gespalten. Wir finden den Rundgang durchs Viertel äußerst interessant und gut, solch ein europäisches Musterviertel mal praktisch zu erleben; offensichtlich funktioniert das Viertel. Uns wäre es in der Zusammensetzung etwas zu einseitig, zu uns passt unser Wohnstandort besser, so wie zu Neo Rauch, wie er betont, nur Leipzig passt, wo er trotz aller Berühmtheit studiert und unterrichtet hat und als Künstler wirkt.
Wir fahren wieder in die Innenstadt, besuchen einige Läden und finden doch wirklich original meinen knautschbaren Panama-Hut wieder, den ich in Koblenz im Zug liegengelassen hatte, an einem Marktstand am Münster und gegen Geld. Wir lassen den Abend vor einem historischen Gebäude hinter dem Münster, der “Alten Wache”, bei einem Wein und Sekt ausklingen, bevor wir mit Straßenbahn und ICE den Rückweg nach Ludwigshafen antreten. Beim Beobachten des Sonnenuntergangs fällt uns, besonders gegenüber Amrum, auf, dass die Tage wieder deutlich kürzer werden, der Kreis des Reisejahres beginnt leider sich zu schließen.

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31. Juli: Freiburg

Freiburg: Augustiner-Museum mit Schwarzwald-Ausstellung, Essen im Ochsen

Wir haben uns die Ausstellung “Unser Schwarzwald – Romantik und Wirklichkeit” im neuen Augustinermuseum vorgenommen. So kommen wir früh in die Gänge und sind um 10:30 im Museum gleich um die Ecke. Uns erwartet eine Führung. Viele Aspekte des Schwarzwaldes werden frisch und hintergründig dargestellt: das früher beschwerliche Leben, die Naturausbeutung durch Glasbläser und ihren Holzbedarf, Tourismus, neue Aktivsportarten, Trachten, Möbel, Uhren und Feinmechanik. Leider bin ich kein besonders guter Zuhörer und werde müde, was auch noch während den von Freiburger Studenten gedrehten kreativen, frischen und multikulturellen Kurzfilmen anhält, bis mich die im Film wild durch den Schwarzwald rasenden und springenden Mountainbiker nachhaltig wecken. Das Museum ist das architektonisch interessant umgebaute Augustinerkloster und beherbergt viele originale Glasfenster und Figuren vom Freiburger Münster, die dort zu stark angegriffen waren und durch Kopien ersetzt wurden. Hier sind sie im alten Kirchenschiff eingebaut und entfalten eine ganz besondere Wirkung, da sie aus ungewohnter Nähe und durch Wandlücken betrachtet werden können. Fenster im oberen Stock eröffnenden Blick auf den Münsterturm, später sehen wir den Blick von dort zurück. Auch eine Orgel und der Kirchenschatz des Münsters werden gezeigt; eine absolut sehenswerte Kollektion in einem sehenswerten Gebäude, das noch zulegen wird, wenn der letzte Bauabschnitt fertig ist. Mit Kolumba in Köln kann es allerdings vom Gesamteindruck nicht mithalten, es ist auch kein Kunstmuseum. Im Café mit Blick in den Hof des alten Kreuzgangs stärken wir uns. Im Naturmuseum gegenüber ist eine Fotoausstellung über Menschen in Usbekistan; der erste Teil umfasst absolut sehenswerte Fotos von Max Penson aus dem Zeitraum von 1925 bis 1935, der zweite Teil der Fotografin Gabriele Keller beschäftigt sich mit Frauen in Usbekistan von 1990 bis 2001. Diese sind überwiegend Bilder mit Trachten, deren Farbigkeit übertrieben herausgearbeitet wurde, was uns eine angemessene Wahrnehmung erschwert. Für den Abend finde ich ein Restaurant in Freiburg-Zähringen, das gut zu erreichen ist. Wir besuchen vorher das Münster mit seiner beeindruckend schlichten und klaren Halle. Diesmal gelingt uns – sozusagen als Ausgleich zum Leuchtturm auf Hiddensee – in letzter Minute die Turmbesteigung, damit löst sich auch das Rätsel, wer die Geranien in 40 Meter Höhe gießt: da oben werden die Eintrittskarten verkauft. Die Turmspitze ist in Restaurierung, wir kommen nur bis auf die Höhe der Glocken. Die älteste, die Hosanna, ist über drei Tonnen schwer und mehr als 750 Jahre alt und hat alle Kriege überstanden, nur 1989 war sie einmal zur Restaurierung ausgebaut. Nach einer Runde durch die Gassen setzen wir uns in die Straßenbahn – hier am Abend noch im 15-Minuten-Takt – und fahren zum “Ochsen”. Die Beschreibung bei Slowfood stimmt: “Das urige Traditionsgasthaus gehört mit zu den ältesten Gasthäusern Freiburgs und genießt ob seiner qualitativ und quantitativ hervorragenden Schweineschnitzel schon fast Kultstatus. Das Ambiente des Hauses kommt offensichtlich seit Jahrzehnten gänzlich ohne Erneuerungen aus und hat innen wie außen nostalgische Patina angesetzt.” Kurz: ohne die Beschreibung würde man das unauffällige und nicht einladend wirkende Gasthaus in dieser eher von Wohnblocks bestimmten Gegend nie betreten. Zu unserer Überraschung kommen wir in einen alten Gastraum mit lauter voll besetzten Tischen, unsere zwei reservierten Plätze sind da leicht auszumachen. Die Organisation ist übersichtlich: Eine Bedienung fürs Essen, eine für Getränke, der schwergewichtige Chef kocht. Eine Speisekarte gibt es nicht, die wenigen heute verfügbaren Angebote erfahren wir mündlich. Der Gutedel vom Fass ist gut und sehr günstig, das Rehgeschnetzelte mit Spätzle sehr zart und lecker, besonders auch die Soße. Marlis hat ein Cordon Bleu, zart und saftig. Die Bratkartoffeln hätten gut zum Essen in Frankreich vorgestern gepasst, der einfache Salat ist mit einer leckeren Sauce angemacht, deren Bestandteile ich nicht entschlüsseln kann. Zur Krönung gibt es hervorragendes Mousse au chocolat, alles zu moderaten Preisen: die Getränke sehr billig, das Essen angemessen. Komplett gesättigt, ich mit leichtem Völlegefühl ob der Reste, die ich vor lauter Appetit alle gegessen habe, treten wir die Heimfahrt an. Heute bin ich noch ausreichend wach und die Zeit reicht, um mit dem Tippen aufzuholen. Dieser Abschnitt hat sich zu einer “Slow-Travel”-Reise entwickelt: jeder Abend entstammte Slowfood-Empfehlungen.

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