5. Juni: Bad Reichenhall: Staufen-Aufstieg

Bad Reichenhall: Planung und 1000m-Aufstieg auf den Staufenkamm

Es gibt lange Frühstück, und wir überlegen, wie eine Einteilung der nächsten Tage hier in den Bergen unter Berücksichtigung der durchwachsenen Wettervorhersagen aussehen könnte. Morgen planen wir Salzburg, heute fällt uns, da hier in der Ecke keine Gewitter auftreten sollen, eine Wanderung ein. Da noch Bergtouren als Ziele vorgesehen sind, wollen wir einen Testaufstieg in den nahegelegenen Staufenkamm machen. Wir üben für Mehrtageswanderungen: Marlis nimmt einen weiteren Rucksack, die große Kamera bleibt unten, Kleidung und Technik für Eventualitäten und Übernachtung werden mitgenommen. So kommen wir erst kurz vor Eins los. Wir lassen uns nicht von pauschalen Wetterwarnungen der Rezeption abhalten; die Detailabfragen von Wetteronline und dem Regenradar lassen keine wesentlichen Probleme erwarten und erlauben uns, rechtzeitig zu reagieren, solange wir Handy-Empfang haben und das laufend verfolgen können. Also starten wir. An der Therme vorbei überqueren wir die Saalach und steigen durch Wald zur Padinger Alm auf, wo wir die letzte mögliche Einkehr nehmen. Der Blick auf Bad Reichenhall ist schon gut, ebenso auf die umliegenden Berge wie den Predigtstuhl. Da wir noch unter 700m liegen, ist der Blick auf die dahinterliegenden hohen Berge versperrt. Zunächst auf breitem Schotterweg, dann auf einem in Serpentinen verlaufenden Waldweg mit vielen Stufen steigen wir gleichmäßig auf. Viele Frühaufsteher kommen uns schon auf dem Rückweg entgegen. Es läuft gut, wir steigen langsam, aber stetig und ohne dass es uns anstrengt, höher. Ab 1000 m Höhe wird der Weg schwerer, es ist steinig bis felsig. Der Wald wird lockerer, endlich bieten sich Ausblicke. Bad Reichenhall liegt tief unten, wir kommen langsam auf die Höhe des Predigtstuhl. Jetzt zeigen sich die dahinter liegenden hohen Berge, der Watzmann ragt am Horizont empor. Wir steigen weiter und erreichen unser Wunschziel: den Sattel zwischen Mittel- und Hochstaufen. Wir können jetzt ins Tal auf der anderen Seite schauen. Wir steigen noch ein paar Meter, dann haben wir 1500 m erreicht und sehen noch besser ins Tal, auf Bad Reichenhall, die nahen und mittlerweile als vollständige Kette erscheinenden über 2500 m hohen Berge dahinter mit dem Watzmann, auf dem wir Hocheck, Mittelspitze und Südspitze ausmachen können. Grandios, dieser Blick! Wir sehen gleichzeitig über 2000 Höhenmeter: Bad Reichenhall auf 470 m und den Watzmann auf 2710 m. Von der Zeit her macht es keinen Sinn weiterzusteigen, wir sind außerdem mit dem Erreichten sehr zufrieden, über 1000 m gestiegen, Knochen und Kondition halten, Rucksäcke passen, gute Aussicht. Wir wissen jetzt, dass wir uns noch mehr zutrauen können; Muskelkater morgen muss allerdings zum Einlaufen nicht sein. Wir steigen ab, Marlis wie eine Gemse, sie ist bald nicht mehr zu hören, ich schone meine Gelenke und gehe die Stufen mit Stöcken runter. Es zieht zwar etwas in den Knien, wird aber nicht schlimmer. Wir erreichen wieder die Padinger Alm, jetzt gibt es Abendessen, danach steigen wir den Rest ab. Wir sind hoch zufrieden mit dem Test: Wir sind voll einsatzfähig. Das begießen wir mit einem Sekt in der Dachlounge in der Dämmerung und waschen dann von uns und aus der Kleidung den Schweiß des Tages. Sogar der Text von heute entsteht noch, so fit sind wir.

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4. Juni: Augsburg, nach Bad Reichenhall

Rundgang Augsburg mit Fuggerei, Fahrt nach Bad Reichenhall

Wir lassen uns Zeit bei gutem Frühstück und Sonne auf dem Balkon. Mit der Straßenbahn fahren wir direkt zur Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt, 1521 von Jakob Fugger gestiftet und bis heute von der Fuggerstiftung finanziert und unterhalten. Vorgesehen sind die Wohnungen für “ehrbare katholische Bedürftige”, beispielsweise Handwerker, die durch Krankheit zeitweise ihren Beruf nicht ausüben können, bis sie wirtschaftlich wieder auf den Beinen sind, oder wenn viele Kinder zu ernähren haben. Die 60 qm-Wohnungen in den zweistöckigen Reihenhäuschen waren und sind einfach, aber recht modern eingerichtet und sind laufend erweitert und nach Kriegszerstörungen wieder aufgebaut worden. Heute umfasst die abgeschlossene Siedlung 140 Wohnungen in 67 Häusern. Die Bewohner zahlen nur eine symbolische Miete. Vor dem zweiten Weltkrieg wurde ein Erdbunker eingebaut, in dem heute eine Ausstellung ist. Es gibt eine Musterwohnung aus heutiger Zeit und eine ursprüngliche; auch die später dazugekommene Kirche ist zu besichtigen. Jeder Bewohner betet heute noch täglich drei Gebete im Andenken an die Stifter.
Wir schließen einen Gang durch die Innenstadt an. Die Fuggerkapelle in der evangelischen St. Anna-Kirche ist wegen Sanierung leider nicht zu besichtigen, nur die Goldschmiedekapelle mit Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert ist zugänglich, und der Kreuzgang ist sehr interessant. In der Fußgängerzone gibt es Denkmäler, die auf die Persönlichkeiten der Fuggerzeit hinweisen. Der Damenhof in den Fuggerhäusern ist malerisch und eine gelungene Kulisse für das dortige Café unter den Arkaden und im Hof. Im Handwerkerviertel finden wir kleine verwinkelte Gassen, Wassergräben und keine Läden, hier wohnt es sich angenehm ruhig. So haben wir zumindest einen kleinen Eindruck dieser zweitältesten Stadt Deutschland, vor über 2000 Jahren von den Römern gegründet, gewonnen. Da der ICE unserer ursprünglich vorgesehenen Verbindung über 80 Minuten Verspätung hat, planen wir schon in der Stadt auf die nächste mit RE und Schülerverkehr um und kehren gemütlich ein, bevor wir unser Gepäck aus dem Hotel holen. Dann gehts über München mit Weißwurststopp in den äußersten Südosten. Bald sind die Alpen zu sehen, am Chiemsee schon sehr deutlich. Heute ist es gut warm geworden, erstmalig bieten sich kurze Hosen an. Die Züge heute sind wieder recht voll, aber zum brauchbaren Sitzen reichts. Die Hotelbuchung in Bad Reichenhall über HRS hat sich geändert, das Hotel hatte überbucht, und HRS hat uns unsere teurere, zweite Wahl zum ursprünglichen Preis vermittelt. Vor Ort stellen wir fest, dass das ein 70er-Jahre-Terrassenbau der bayrischen Sparkassenorganisation ist, sehr exakt und sauber geführt, mit Aussicht vom vierten Stock über Bad Reichenhall, Predigtstuhl und Hochstaufen, eine gute Wahl. Die Häuser in den Straßenzügen neben der Innenstadt sind meist älter, villenartig, in großen Gärten, gepflegt. Im Kurbereich mit großzügigem Park mischen sich fragwürdige übertriebene Bauten der 70er und 80er wie die Kurverwaltung mit stattlichen Bauten von ca. 1900, die Fußgängerzone ist für so eine eher kleine Stadt sehr groß mit vielen ansehnlichen Geschäften. Am Rathaus essen wir deftig in der Brauhausgaststätte der Reichenhaller Brauerei. Langsam verdichtet sich die Idee, wie es die nächsten Tage mit Wandern laufen könnte; das Wetter ist allerdings nicht eindeutig, wir können nur von Tag zu Tag entscheiden.

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3. Juni: über Schaffhausen nach Augsburg

Schiffsfahrt von Konstanz nach Schaffhausen, mit der Bahn nach Augsburg

Heute morgen bin ich endlich ausgeschlafen. Ich erledige einige Bürokratie, die sich nicht vermeiden lässt. Nach gutem, italienisch angehauchtem Frühstück ziehen wir mit dem Gepäck los zum Hafen. Barbara hat uns wärmstens die Schiffsfahrt nach Schaffhausen über Untersee und Rhein empfohlen, das war immer ein Tagesausflug mit der Oma. Wir beobachten die vielen Sportboote, die ablegen, die Segler auf dem See, den auslaufenden Katamaran nach Friedrichshafen und unser Schiff beim Einlaufen. Viele Gäste warten, das Schweizer Schiff läuft pünktlich aus und pendelt zwischen dem deutschen Nord- und dem Schweizer Südufer hin und her. Alles lässt sich aus nächster Nähe beobachten. Erst kommt ein schmalerer Flussbereich, der Rhein zwischen dem Bodensee und dem Untersee, der hier durch Konstanz fließt. Auf dem Untersee laufen wir auch die Insel Reichenau an. Kiesbänke und Schilfflächen mit Vögeln sind zu sehen, Ruderer, Segelboote, Motorboote. Besonders fallen lange flache Kähne, die Gondeln ähnlich sehen, auf, wahrscheinlich spezielle Flachwasserboote im Bodensee, die sogar ohne Motor stehend mit einer langen Stange wie Gondeln vorwärts gestakt werden. Nach dem Untersee beginnt der Rhein sehr breit, nach Öhningen wird er schmal. In einigen Passagen scheint die Navigation schwierig zu sein, es wird im Zickzack hautnah entlang dicker Markierungspfosten gefahren, und auf der Brücke schauen der Steuermann und noch zwei Offizielle angestrengt nach vorn. Manche An- und Ablegevorgänge sind mit komplizierten Wendemanövern verbunden. Wir haben gelesen, dass der Wasserstand erst seit gestern zum Befahren der ganzen Strecke reicht. Wenn die Sonne scheint, ist es richtig warm, dann mal wieder bedeckt, windig und jackenkühl. Besonders malerisch ist die geschlossene Holzbrücke zwischen Diessenhofen und Gailingen. Danach sind lange Abschnitte komplett grün, die Bäume hängen übers Wasser, die machmal recht hohen Uferhänge bewaldet. Zwischendrin steht auch mal eine einsame Villa am Ufer oder im Hang, und Weinbau ist auch vertreten. Die Schweizer bemühen sich um einwandfreien Service; bei dem aktuell ungünstigen Euro-Kurs sind die Preise allerdings gesalzen. Straßen, Schiff und Anlegestellen sind voll mit Fahrradfahrern, man nutzt das lange Wochenende für Bodenseeumrundungen und ähnliche Touren. Mit Schaffhausen erreichen wir die zweite Auslandsstation: nach Polen die Schweiz. In Schaffhausen sind die Fußgängerbereiche voll. Wir können gemütlich durchrollen, uns an frühere Aufenthalte erinnern und uns bekannte Bäcker anlaufen, bevor eine Stunde später der IRE nach Ulm startet. Seit dem Nachmittag kommt die Sonne kaum mehr durch. Wir fahren teilweise ganz dicht am Überlinger See entlang und biegen in Friedrichshafen nach Norden Richtung Ulm ab. Mit leichter Verspätung geht es in Ulm weiter nach Augsburg. Dort legen wir in einem teuren Hotel in einem runden Hochhaus am Kongresszentrum im siebten Stock mit Balkon und Fernblick einen Zwischenstopp ein, der Wochenendtarif macht es bezahlbar. Die Straßenbahn fährt hier in kundenfreundlichem Takt: am Werktag alle fünf, am Wochenende alle zehn und abends bis Mitternacht alle 15 Minuten. Die Lokal-Empfehlungen begeistern uns nicht. Wir landen in einem Café auf dem schönen großen Rathausplatz mit Blick auf das imposante Renaissance-Rathaus mit Perlachturm. Die Innenstadt ist sehr belebt, es gibt viele Kneipen. Uns langts für heute, morgen sehen wir noch mehr an, bevor wir weiterfahren.

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2. Juni: von Sigmaringen nach Konstanz

Abschied von Sigmaringen, im Naturpark-Express ins touristische Konstanz mit besonderer Altstadt (Ziel: Barbara Auer)

Heute morgen empfängt uns besseres Wetter. Die Sonne schaut öfter durch, das klamm-feuchte verschwindet. Annheuers sind schon lange auf, Eileen ist schon gefahren. Der Frühstückstisch ist liebevoll und üppig gedeckt, vor lauter Angebot übersehe ich die Hälfte. Margarete fährt mit vollbepacktem Fahrrad auf einen Geburtstag, wir verabschieden uns von ihr, und Hans-Bernd brutzelt auf dem alten Gasherd das beste Spiegelei mit Speck unseres ganzen Reisejahres. Wir warten auf die Anzeige der Sonnenuhr, wandeln durch den üppigen Garten mit hohen Bäumen und dichten Büschen, der überall versteckte Sitznischen offenbart. Auch das sonnige Gruppenbild für Linn mit uns und Hans-Bernd vor den Rosen im Innenhof gelingt uns, die große Linde präsentiert sich freundlicher, und wir schließen noch einen Rundgang durch das Haus an. Mittags starten wir Richtung Konstanz, es ist ein Wochenend-Sonderzug des Naturparks Oberes Donautal, vorn und hinten ein Triebwagen, in der Mitte ein zum Fahrradwagen umgebauter alter Gepäckwagen mit nettem Beladepersonal. Das Angebot wird gut genutzt, einige Minuten Verspätung entstehen durch das viele Beladen, die Verspätungen greifen allerdings passend ineinander, in Konstanz sind wir wieder pünktlich. Das Hotel liegt gut und ist besser als befürchtet, wir hatten beim Buchen kaum Auswahl, und Konstanz war teuer. Wir beginnen mit dem Hafen. Es ist alles voll mit Tagestouristen, eine richtige Vergnügungsmeile mit Yachthafen, SeaLife-Aquarium, Kneipen und Souvenirs wie in einem Kreuzfahrthafen. Uns war absolut nicht klar, dass es hier so viel Tourismus gibt. Auf der Spitze der Hafenmole dreht sich auf einem alten Leuchtturmsockel die Zement-Skulptur “Imperia”, Deutschlands einzige Hurenskulptur, von Peter Lenk 1992 geschaffen in Anlehnung an das Konstanzer Konzil, auf der einen Hand trägt sie einen kleinen Papst, auf der anderen den Kaiser; sie hat sie im Griff. So umstritten das Kunstwerk war: es ist zum Publikumsmagnet geworden.
Die ganze Innenstadt beeindruckt durch ganze Zeilen alter Kaufmannshäuser aus der Zeit zwischen 1300 und 1500, oft gut erhalten. Wenn es Fachwerkhäuser sind, sind sie fast immer verputzt, aber auch alte Steinhäuser und das Renaissance-Rathaus sind dazwischen zu finden. Die Straßen sind schmal, oft eher Gassen und Fußgängerzone. Das Münster ist eindrucksvoll und zeugt von der Bedeutung in der Zeit als Bistum, die geschnitzte Tür, das Chorgestühl, die Orgel und andere wertvolle Einbauten sind über 500 Jahre alt. Noch kleinräumiger ist das älteste Viertel, die Niederburg, im Winkel zwischen Bodensee und Rhein, das frühere Handwerker- und Fischerviertel. Hierhin, in die Inselgasse 13, hat uns Barbara Auer geschickt, es ist ihr Elternhaus und Ausgangspunkt für die Kinderzeit in den Gassen. Unten drin ist die Weinstube Weinglöckle, wir trinken zwei Achtel und prosten uns am Tisch draußen zu, schon ist das Foto fertig. Bevor es dunkel wird, wollen wir noch weiteres ansehen. Hinter der Bahn finden wir auf der Insel das ehemalige Dominikanerkloster, jetzt großes Nobelhotel. Die Insel ist frei zugänglich, von hier hat man einen wunderbaren Blick auf das Jahrhundertwende-Wohnensemble Seestraße auf der anderen Rheinseite, bei ungeschickter Standortwahl verziert durch einen dahinter aufragenden Telekom-Komplex. Die ältesten Kaufmannshäuser finden wir in der Zollernstraße und am Rhein zwei Stadttürme. Jetzt ist es Zeit zur Einkehr im Weinglöckle. Stammkunden und Studenten kehren hier ein, besonders begehrt ist die Sitzgruppe im großen Weinfass. Die Vesper ist gut, die Weine sind es erst recht. Alles stammt aus dem Badischen oder vom Bodensee. Die Chefin, Frau Irling, ist von unserem Projekt begeistert, sie denkt mit 65 noch nicht ans Aufhören und ist stolz darauf, die Stube schon seit 17 Jahren zu betreiben; ihr Mann in der Küche ist sogar schon über 70. Sie gibt uns gerne ein Interview und kann auch von ihrem Vermieter, Barbaras Vater, erzählen, der nicht mehr im Haus wohnt. Zufrieden gehen wir ins Hotel zurück, wo ich gleich einschlafe. Wir haben einen kurzen Einblick in eine unerwartet hochinteressante Stadt erlebt, einiges wie die Universität und die Viertel Paradies und Petershausen haben wir großzügig weggelassen.

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1. Juni: nach Sigmaringen

Fahrt nach Sigmaringen (Ziel: Linn Schöllhorn), bei Assheuers und durch Schloss und Park

Wir wollen starten, aber irgendwelche Technik-Baustellen gibts immer, unser Festnetzanschluss ist seit gestern gestört, heute morgen soll was gesucht werden. Bis zur geplanten Abfahrt tut sich nichts, wir fahren. Die Telefone sind auf die Handys umgeleitet. Entweder kriegen das die Kinder geregelt, oder es bleibt. Wir fahren jedenfalls, lästig ist nur, dass so unterwegs mehr Telefonunterbrechungen bei uns ankommen und beim Erleben stören können. Es ist heute trübe und kühl, regnet aber (noch) nicht. Die Züge sind voll, jede Menge Kurzurlauber, nicht nur nach Stuttgart, sondern auch weiter über Tübingen auf die Alb, es gelingt uns aber, gute Sitzplätze zu finden. Auf den Höhen ist alles grün und wolkenverhangen. Außer 20 Minuten Verzögerung am Ende durch ein Problem am entgegenkommenden Zug auf eingleisiger Strecke passiert nichts außergewöhnliches. Wir lesen und schreiben. Unsere Ideengeberin Linn Schöllhorn schickt uns in ihr Elternhaus und zu ihren Eltern nach Sigmaringen, wo wir von ihrem Vater am Bahnhof empfangen werden. Schon auf dem kurzen Weg zur Wohnung erreicht uns die Geschichte Sigmaringens und der Hohenzollern mit Volldampf, Hans-Bernd war abgeordneter Geschichtslehrer am örtlichen privaten Gymnasium des Erzbistums Freiburg, 37 Jahre lang und sehr gerne.
Wir erreichen den außergewöhnlichen Wohnort, an dem Linn aufgewachsen ist. Zum weiteren Bericht merke ich gleich an: alle geschichtlichen Daten und Begriffe sind ohne Gewähr, aus dem Gedächtnis. Korrekturen nehme ich gern entgegen.
Das Gebäude ist ein öfter erweitertes Nebengebäude mit 680 Jahren Geschichte des Nonnenklosters Hedingen, früher ein Vorort des damals ca. 1000 Einwohner zählenden Sigmaringen. Vor 34 Jahren haben Assheuers zufällig die freigewordene Wohnung hier entdeckt und sind sofort umgezogen, Linn war da gerade geboren. Mit der Zeit und entsprechendem Kinderzuwachs konnten sie sich auf zwei weitere Wohnungen in dem hohenzollernschen Haus ausbreiten, so dass genug Platz für alle und auch zeitweise Zwischenstationen von Familienmitgliedern war. Wir sehen den Wohnungen an, dass sie so lange und intensiv eingewachsen sind: Überall sind nette Nischen, Sitzgruppen, Ruheplätze, hängen Bilder, liegen Sammlerstücke, ohne dass es unaufgeräumt aussieht. Die Mauern sind fast meterdick, geheizt wird mit Gasöfen und gelegentlich auch mit uralten Kohleöfen. Die Atmosphäre erinnert etwas an Wohngemeinschaften der siebziger Jahre in den Altbauten in Darmstadt. Wir werden herzlichst von Linns Mutter Margarete empfangen, eine Freundin aus der Schweiz und die Nichte Eileen sind da, es gibt selbstgemachten Erdbeerkuchen und Dampfnudeln satt. Margarete ist Kunstlehrerin, jetzt an der staatlichen Gewerbeschule, und unterrichtet auch Pädagogik. Sie strahlt geradezu ansteckende Dynamik und Lebensfreude aus. Ich bin mir noch nirgends so selbstverständlich willkommen vorgekommen. Wir unterhalten uns gleich intensiv über unsere Reisen. An den Außenwänden des U-förmigen Hauses haben wir schon bei der Ankunft die Rosen gesehen, die Linn erwähnt hat. Wir haben die richtige Zeit getroffen: die Rosen blühen in allen Farben. Auch die Linde von 1868 steht mächtig in vollem Grün im Garten. Die Fotos lassen wir uns für morgen, da soll es sonniger werden. Das Sitzen im Garten bietet sich nicht so an, statt dessen läuft Hans-Bernd mit uns durch den langen Garten (auch Prinzengarten) zum Schloss. Dieser sehr schöne, im englischen Stil angelegte Schlosspark mit alten Bäumen, Hügeln und einem Teich mit vielen blühenden Seerosen verbindet Schloss und Prinzenhaus mit der Klosterkirche Hedingen, die heute den Hohenzollern gehört und in deren Gruft etliche Hohenzollern beerdigt sind. Die Kirche wird nur zu besonderen Gelegenheiten geöffnet, sie steht direkt vor dem Wohnhaus, mit dem sie teilweise verbunden ist. Ursprünglich war es ein Nonnenkoster, das wegen “sittlicher Verwahrlosung” 1680 aufgelöst wurde, danach kamen Franziskaner. Unter dem Garten dürften noch Gräber liegen. Von 1818 bis 1890 war der Komplex Gymnasium.
Im Schloss sehen wir eine Ausstellung über die Hohenzollern und ihre Bedeutung und der Sigmaringens in der großen Politik. Für Sigmaringen begann es mit der Erbteilung des Hohenzollern-Gebietes 1576 in Hechingen, Sigmaringen und Haigerloch. Von September 1944 bis April 1945 war das Schloss exterritoriales Gebiet als Sitz der französischen Vichy-Regierung unter Petain. Wir sind bei der letzten Schlossführung dabei, auf einem roten Teppich geht es durch viele beeindruckende Räume mit Originaleinrichtung. Durch die Fenster blickt man auf die unten vorbeifließende Donau. Größere Teile des Schlosses sind nach einem Brand um 1900 neu aufgebaut worden, damals haben die Hohenzollern Strom und Zentralheizung sowie Bäder vorgesehen und teilweise auch im älteren Schlossteil nachgerüstet. Herausragend sind Ankleide, Herrenzimmer, Ahnengalerie und die speziellen Einrichtungen, die jeweils für ein Mitglied der Familie nachgerüstet wurden. Hans-Bernd ergänzt die Ausführungen der jungen Führerin mit etlichen geschichtlichen Details und Hintergründen. Zum Schluss bekommen wir eine große Waffen- und Rüstungssammlung zu sehen. Über die Pfarrkirche mit einem heute noch benutzten Taufkissen und die kleine, hügelige Altstadt vorbei am Rathaus gehen wir durch den Park zurück, vorbei an der zugewucherten Rodelstrecke aus Linns Kindheit. Das beim Übergang von draußen nach drinnen beschlagene Objektiv liefert malerische Verläufe. Es folgt ein üppiges Abendessen an einem anderen Tisch. Wir werden weiter zu unseren Reiseerlebnissen befragt, bei der Frage nach dem komischsten Erlebnis müssen wir echt nachdenken. Erst jetzt beim Schreiben fältt es mir wieder ein: das war der Winterabend in und ab Koblenz mit dem 1€-Brötchen im Bahnhof und die Begegnung mit den Zugbegleitern im IC. Nach intensiven Gesprächen über Reisen, Schule und Vergangenheit ziehen wir uns um Mitternacht in die obere Wohnung zurück, die wir ganz für uns haben.

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24. Mai: Kehna und zurück

Fahrt nach Kehna (Ziel: Erdmuthe Menze), Besichtigung der Lebensgemeinschaft, Rückfahrt

Wir schreiben Texte und rufen in Kehna an. Wir können kommen, ruhig etwas früher. Dadurch wird der Gang durch Gießen kürzer und beschränkt sich auf den fast direkten Weg zum Bahnhof: Stadttheater, Blick auf die Johanneskirche, in die Fußgängerzone auf den Seltersweg, über das Elefantenklo und vorbei an Liebigmuseum und Mathematicum. Wir schließen das Gepäck wieder ein und fahren zwei Stationen weiter als gestern, nach Niederwalgern, von dort fährt mittags dreimal ein Schulbus nach Kehna. Die Fahrerin nimmt uns gerne mit und kümmert sich rührend um die fünf Grundschulkinder im Bus. Wie gestern ist das Wetter stabil und sonnig, für uns geradezu ideal. Kehna ist ein abgelegenes, idyllisches Dörfchen mit heute 80 Einwohnern, das fast nur aus stattlichen Fachwerk-Bauernhöfen besteht und seit 1988 unter Denkmalschutz steht. Bei einem kurzen Dorfrundgang finden wir beide Höfe der “Gemeinschaft in Kehna”, gegründet von Mitarbeitern aus Friedelhausen, mit im Grundsatz ähnlichen Zielen. Im Detail gab es wohl verschiedene Ansichten über die weitere Richtung, und als 1993 die Gelegenheit zum Kauf dreier Höfe in Kehna bestand, startete ein Kreis um den jetzigen Geschäftsführer Michael Gehrke und Rafael Mader mit dem Ausbau, der 1996 fertig wurde. Acht Bewohner aus Friedelhausen zogen mit um. Als Mitte der Neunziger mein Bruder Rolf, damals in Gießen, sich mit seiner jetzigen Frau Erdmuthe Menze neu orientierte, war auch ein Einstieg in Kehna im Gespräch. Beide entschieden sich dann für ein Projekt in Aachen, am Ort von Erdmuthe, das sie maßgeblich mit aufbauten. Daher hat Erdmuthe Kehna als Ort benannt. Wir treffen Michael Gehrke, der sich wirklich Zeit für uns nimmt und sich nach Rolf erkundigt. Auch andere können sich an ihn und seine genialen Lösungen in allen technischen Bereichen erinnern. Rolf betreute damals einen Diplomanden, der ein Heizungskonzept für Kehna ausarbeitete, das vom Prinzip her auch realisiert wurde. Man setzt hier mehr auf Offenheit und soziale Kontakte nach außen; wichtig ist den Initiatoren die Einbettung ins Dorf, das man aber nicht “übernehmen” will. Zwei der drei Höfe sind voll und liebevoll ausgebaut mit Wohnungen, Verwaltung und Werkstätten. Wichtig ist auch hier der Ansatz der Lebensgemeinschaft auf Basis der Anthroposophie und der heilpädagogischen Camphill-Bewegung.
Die Unternehmungen sind hier andere: Kaffeerösterei, Schreinerei, Weberei sowie Landschaftspflege, die unter anderem die Brennholzproduktion für die eigene Holzheizung und Kaminbetreiber übernimmt. Man vertreibt intensiv übers Internet, das manche der Verkaufsmöglichkeiten erst eröffnet, und an Firmen und Kantinen. Ein kleinerer Teil wird auch vor Ort verkauft, die Rösterei ist wie ein Laden geöffnet, und man kann gemütlich im Hof einen Kaffee trinken. Die Mitarbeiter zeigen uns mit Begeisterung ihre Arbeit, sei es Handselektion von Kaffee, Verpacken oder Weben. Mit immer frisch geröstetem Kaffee, immer in Bio-Qualität und fair gehandelt, spielt man einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Gemeinschaft ein. Mit einer Frauenkooperative bestehen direkte Kontakte, dieser Rohkaffee wird selbst importiert und an andere Röstereien vertrieben. So hat sich der DeKene-Kaffee einen Namen am Markt gemacht. Der dritte Hof wird aktuell mit viel Eigenarbeit von Grund auf saniert, und dort soll spätestens Ende 2012 die neue, größere Rösterei mit Café und neuen Wohnungen eröffnen, dann ist der Vollausbau der Gemeinschaft erreicht, die insgesamt etwas kleiner als in Friedelhausen, das wir gestern besucht haben, ist. Dynamik und Atmosphäre erscheinen uns ähnlich, mit ähnlichen Lebens- und anderen Arbeitsschwerpunkten. Auch hier sind wir von der Entwicklung und der laufenden Arbeit äußerst beeindruckt.
Die ganzen Gräser, die wegen konstant regenfreiem Wetter heftig Pollen verteilen, setzen Marlis heftig zu und legen sich auf die Stimmung. Wir laufen daher etwas früher als geplant nach Niederwalgern und erreichen noch im Hellen Ludwigshafen.

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23. Mai: Friedelhausen und Gießen

Fahrt von Laubach nach Friedelhausen (Ziel: Rolf Krueger und Erdmuthe Menze), Übernachtung in Gießen

Wir schlafen aus, frühstücken und texten gestern fertig. Ein Missgeschick gibt es noch zu beheben: Marlis ist ein Salbentopf beim Einpacken aus dem Badfenster über das Schneefanggitter in die Dachrinne gehüpft, keine Chance, den ohne großen Aufwand zu angeln. Zum Glück ist die Apotheke nahe und Marlis hat die Rezeptur mit. So lässt sich das übers Frühstück regeln. Wir erreichen eine Verbindung mit dem Bus hintenrum nach Grünberg über schöne Waldstrecken, die mich an die Zeit in Laubach erinnern. Der Bahnhof in Gießen ist genauso erinnerungsbehaftet: von Laubach aus war er immer der Ausgangspunkt von Reisen, davor der Ankunftsort für Besuche beim Onkel, und die ersten zwei Jahre habe ich in Gießen studiert. Wir haben für unsere zwei Ziele heute und morgen Gießen als optimalen Ausgangspunkt gewählt und schließen unser Gepäck hier ein, bevor wir nach Friedelhausen weiterfahren, das wir schon nach einigen Minuten erreichen. Von diesem kleinen Waldhaltepunkt sind es zwei Kilometer zum Hofgut Friedelhausen, das uns unsere Ideengeber, mein Bruder Rolf mit seiner Frau Erdmuthe, genannt hat. Auf dem Weg dahin sehen wir die Lahn, gehen auf die Brücke und sehen unten eine Kanu-Anlegestelle mit Tretbootverleih, auch der Lahnradweg macht hier eine Schleife. Ein restaurierter Bauwagen mit kleinem Vorbau stellt einen Imbiss mit Biergarten dar, hier trinken wir erstmal was, bevor wir uns aufmachen zum Hofgut, einer anthroposophischen Hofgemeinschaft mit 60 Arbeitsplätzen für Behinderte, davon 41 Bewohnern in Familien und noch etwa 20 weiteren, die zur Arbeit kommen. Vorbei am Neubau, der Scheune und der Gärtnerei kommen wir in den Innenhof des Hauptkomplexes, sitzen lauschig auf der Bank unter großen Bäumen und schauen dem geschäftigen, keinesfalls hektischen Treiben zu. Immer wieder überquert jemand den Hof, mit Eimer, Schubkarre oder Geräten. So haben wir schon viel von der angenehmen Atmosphäre hier aufgenommen, als wir jemand zum Ansprechen finden, die uns den Weg zur Verwaltung weist und den Kontakt herstellt. Bettina Brand ist für Führungen zuständig. Nachdem wir von Rolf erzählt und unsere Projektkarte übergeben haben, erinnert sie sich an den Artikel über uns in Bahn-Mobil, den sie gelesen hat. Begeistert nimmt Sie sich Zeit für eine kurze Führung, aus der dann 45 Minuten werden, die uns ebenfalls begeistert, und die wir für Rolf komplett aufzeichnen. 1982 wurde das Hofgut vom Graf von Schwerin, dessen Schloss hinter dem Hügel steht, gepachtet. Ich habe Rolf einmal bei seiner Arbeit Anfang der 90er Jahre hier besucht, er hat hiertechnische Anlagen gebaut und gewartet. Seitdem hat sich viel geändert. Alle Gebäude sind saniert und in Benutzung, ein Café und die Käserei sind angebaut, der Rittersaal im alten Schloss von 1564 ist von einem Restaurator in den letzten Jahren original wiederhergestellt worden und dient als Versammlungsraum und für monatliche Kulturveranstaltungen, zu denen in der ganzen Umgebung eingeladen wird. Der ganze Komplex wirkt ausgesprochen aufgeräumt, friedlich und idyllisch, rundherum die Gärtnerei, die Stallungen, Wald, und nicht weit unterhalb fließt die Lahn vorbei. An der Zufahrt liegt die Scheune mit den landwirtschaftlichen Geräten; die kommt mir von meinem früheren Besuch bekannt vor, daneben ein Geräteschuppen, wir können einen Blick in eine gut geordnete Werkstatt werfen. Noch davor liegt als erstes Gebäude der Neubau, im April eröffnet, mit dem die Anzahl der Bewohner erweitert werden konnte, nachdem schon alle alten Gebäude genutzt waren. Es ist eine Lebensgemeinschaft, wer sich, meist nach der Schule, bewirbt und wenn sich nach einer Probezeit beide Seiten das Zusammenleben sinnvoll vorstellen können, startet einer Art Lehre. In diesen zwei Jahren lernt er alle Arbeitsmöglichkeiten in Landwirtschaft, Gärtnerei, Käserei und Hauswirtschaft kennen, so dass die beste Arbeit gefunden werden kann. Wir sind sehr angetan und verlassen, kurz nachdem alle um 17 Uhr ihre Arbeit beendet haben, das Anwesen und schauen uns das englisch-neugotische Schloss von 1851 aus dunklem, weichem Basalt – Lungstein aus Londorf – an. Auf dem Rückweg machen wir unser Foto vor dem Hofgut und gehen auf die Imbisswiese vor Odenhausen, um den sonnigen Tag hier draußen mit Tretboot auf der Lahn und Bratwurst zu beschließen. Wir fahren der Strömung gemütlich entgegen – nur unter der Brücke müssen wir heftig Gas geben – und beobachten Enten, Vögel, Insektenschwärme. Die Ufer sind lauschig und naturbelassen, überall hängen Weiden und andere Bäume und Sträucher über. Ein Paddler überholt uns. Nach der kurzen Bahnfahrt nehmen wir in Gießen den Stadtbus zum Hotel am Ludwigsplatz. Viele Erinnerungen meiner zwei Studienjahre ab 1971 kommen hoch. Das mittlerweile alte Kongresszentrum am Berliner Platz, das noch ältere, aber nicht weiter gealterte Stadttheater, das Dachcafé am Berliner Platz erkenne ich. Die Straßenführung habe ich noch im Kopf, ebenso manche Buslinien. Wir gehen die Ludwigstraße entlang vorbei am Hauptgebäude der Uni unter der Bahn durch zur Mensa, dem Otto-Eger-Heim. Die wird jetzt saniert (wird auch Zeit). Alles vom Eindruck her wie damals, nur dass die einzelstehenden Gründerzeithäuser entlang der Ludwigstraße so ansehnlich sind, und die Liebig- und Wilhelmstraße, an der ich zeitweise gewohnt habe, ganz grün und voll Villen sind, war mir nicht mehr so in Erinnerung. Ich finde das kleine Gebäude des mathematischen Instituts und die damals neuen Riesenkästen der Chemie und Physik, heute saniert oder in Sanierung. Dahinter haben sich, wie überall, Biologie, Biochemie, Gentechnik und Umwelt in neuen Gebäuden ausgebreitet. Was ich nicht finde, ist das damalige Hörsaalgebäude. Zwischen Physik und Chemie gibt es einen zugewucherten Wald, darunter der Parkplatz, an dem es meiner Meinung nach liegen sollte. Auf einem Uniplan im Internet sehe ich kein Hörsaalgebäude mehr. Weitere Recherche ergibt, dass es vor der Physik liegt, ich habe es wohl durch die Sanierung und eine Baustelle am Parkplatz nicht erkannt. Es dämmert, wir gehen zu einem Biergarten, den wir auf dem Weg gesehen haben. Das Publikum ist studentisch, das Angebot auch. Es gibt “Hessen-Tapas” wie Handkäs oder Wurstsalat, und Flammkuchen “Der Hesse” mit Grüner Soße und Eiern. Spät sind wir im Hotel, und müde, so dass dieser Text erst am Dienstag entsteht.

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22. Mai: Laubach

Laubach/Oberhessen: Ende Klassentreffen Joachim, auf den Spuren des Jugendzentrumsfestivals (Ziel: Hans Krueger)

Ab Neun treffen wir uns noch zu zehnt zum Frühstück im Garten des Hotels bei munteren Gesprächen und weiteren Erinnerungsstücken. Interesse findet meine Mappe mit hektografierten Gruppenarbeitsergebnissen aus der Gemeinschaftskunde zu China, Jugoslawien und anderen Themen, in denen sich mancher mit handschriftlichen Zusätzen wiederfindet. Wir fahren gemeinsam zu einer weiteren Unternehmung des Grafen zu Solms-Laubach, dem “Grünen Meer”, einem besonders für Kinder eingerichteten Erlebniswald im gräflichen Forst um das Jägerhaus und die Ruinen des ehemaligen Dorfes Ruthardshausen, mit vielen Schautafeln, Robin-Hood-Dorf, kleinem Wildgehege mit Hirschen und Wisenten und einem 35 m hohen Gitter-Aussichtsturm aus Aluminium mit mehreren Plattformen, von dem man das “Grüne Meer”, die riesige rundum geschlossene Waldfläche zwischen dem Hoherodskopf im Vogelsberg und Laubach, nur durchbrochen durch einige kleine Dörfer, komplett übersieht. Ob dieser für Eltern mit Kindern sicherlich interessante Rundweg wirklich so etwas Außergewöhnliches ist, dass es den hohen Einrichtungs- und Wartungsaufwand und die entsprechenden Eintrittspreise rechtfertigt, können Eltern besser beantworten, die Besucherzahlen an diesem sonnigen Sonntag sind jedenfalls eher mäßig, und meine noch in Laubach wohnenden Mitschüler sind skeptisch. Nach einem kurzen Umtrunk bei ein paar Regentropfen und Gewitterluft verabschieden wir uns nach diesem schönen Klassentreffen. Es ist erfreulich zu erleben, dass sich nach 40 Jahren noch über die Hälfte der Mitschüler treffen und alle trotz des mittlerweile etwas fortgeschrittenen Alters um die 60, in dem der Ruhestand ein wichtiges Thema ist, noch munter und engagiert sind.
Nach dem Abschied setzen wir uns mit dem Material von Joachims Bruder Hans in den Garten des Café Kunst und lesen. Kern seines Auftrags sind die Jugendzentrumsfestivals, an deren ersten Auflagen Ende der 70er Jahre Hans organisatorisch maßgeblich beteiligt war. Er hat uns Zeitungen des zweiten und dritten Festivals mitgegeben, dazu Elektroplan und Zeitungsausschnitte. Die Organisation lag beim Laubacher Jugendzentrum, damals in der Obergasse, unterstützt von anderen Jugendzentren und finanziert vom Landkreis Gießen. Es ging darum, drei Tage zusammenzuleben mit guter Musik und Aktivitäten. An einer Zeitung hängt ein genauer Lageplan der einzelnen Stationen im alten Steinbruch im Wald oberhalb der Gesamtschule. Von meinem Bruder Rolf, der bei den ersten Festivals die Elektroinstallation organisiert hatte, stammt der Tipp, Dieter Kraffert anzusprechen, der als junger Lehrer an der Gesamtschule bei vielen Festivals beteiligt war. Ich finde ihn im Telefonbuch und erreiche ihn gleich, wir können ihn sofort besuchen. Er wohnt mit seiner Frau seit etwa 40 Jahren in der Steinbach. Im Garten steht aktuell ein großes Zelt. Dort findet demnächst das Jahrestreffen von über 30 Menschen statt, die sich gemeinsam einen Platz in einem Ruheforst gesucht haben, und feiern jedes Jahr, das sie noch gemeinsam feiern können. Zwei sind leider schon gestorben. Da wir uns damit auch auseinandersetzen, hat uns dieser Umgang mit dem Sterben tief bewegt. Auf dem Grundstück steht auch ein Fachwerkschuppen, den er in der Stadt abgebaut hat. Wir erfahren etliches Neues über das Festival und die Zusammenarbeit mit meinen Brüdern. Viele Kurse fanden statt, zahlreiche regionale Musikgruppen haben deutsche Pop-und Rock-Musik, oft sehr gute, auch politische, gemacht. Bis zu 2000 Besucher kamen in den kleinen Steinbruch, zelteten auf nahegelegenen Wiesen, und die Jugendzentren organisierten Verpflegung, Elektro, Kurse und Musik. Es gab einige Vorbehalte bei Bevölkerung und Politikern, aber die Jugendzentrumsaktivisten konnten sich durchsetzen. Es fand dann meist jährlich ca. 8 mal statt, später auch an wechselnden Orten im Landkreis. Heute gibt es den Nachfolger, “Bring-Anna-mit”, zum 23. Mal in Lich am 26./27.8.2011. 2010 war es in Heuchelheim, 2008 in Laubach. Das Jugendzentrum Laubach gibt es auch noch, es ist mittlerweile im alten Bahnhofsgebäude. Nach diesem spannenden Gespräch, das wir für unseren Ideengeber aufgezeichnet haben, starten wir zum praktischen Teil. Durch die nette, ruhige Altstadt Laubachs, die mit einigen Fachwerkhäusern durchsetzt ist, die die Laubacher Bausünden der 70er Jahre überlebt haben, laufen wir Richtung Steinbruch. Und wie der Zufall so will: Auf dem Marktplatz ruft man nach uns: im Café Göbel am Markt sitzt in der Sonne Josef Krahforst, über Laubach hinaus bekannter Maler, der auch unser Hotel, den “Bunten Hund”, ausgemalt hat, erkennt mich, neben ihm ein Sohn des Lehrers Kammer, der gestern beim Klassentreffen war, und erkundigt sich nach meinen Brüdern. Er war mit Hans ebenfalls maßgeblich an den Festivals beteiligt. Die Gewitterfront kommt näher, direkt am Anfang des Steinbruchs beginnt es kurz zu gießen. Wir stellen uns in einem alten Plumpsklohäuschen am Waldrand unter und versuchen, den Plan mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Bald können wir weitergehen. Im hinteren Teil des Steinbruchs finden wir in Bäumen versteckt das Klipstein-Haus des 1941 in Laubach verstorbenen Malers. Im mittleren, heute stark zugewachsenen Teil mit sichtbarer Steinbruchwand stand 1979 die Bühne. Der große rechte östliche Teil ist eine große Wiese, auf der ein etwas verwachsener Sportplatz, eine Feuerstelle und eine große, verschlossene Hütte für Veranstaltungen steht. Hier standen Filmzelt, Theke, Toilette, Organisation. Wir wählen den anderen Weg runter, vorbei an der ehemaligen Jugendherberge – heute Gästehaus Laubach des Hessischen Wassersportzentrums -, und der als Zeltplatz für die Festivals genutzten Wiese. Auf direktem Wege gehen wir zum alten Bahnhof. In diesem Backsteinbau wird heute vom Internationalen Bund das Jugendzentrum unterhalten. Dort komme ich auf die Idee, noch auf den nahegelegenen Friedhof zu gehen, wir besuchen das Grab meiner Eltern und Großmütter und das meiner zwei Onkel, das ich mit Hilfe eines Anrufs bei meiner Tante finde. Durch die Stadt gehen wir zur “Eule”, dem ältesten Gasthaus der Stadt, heute im Besitz des Grafen und als Steakhaus betrieben, wo wir am letzten Tisch gut essen. Durch den großen Schlosspark vorbei an unserer gestrigen Tagungsstätte und einer mächtigen Linde, Kiefer und Platane, die mir früher nie so aufgefallen sind, gehen wir zur Richard-Wagner-Straße, wo meine Eltern 1965 gebaut hatten, und ich meine Laubacher Zeit bis 1971 und nochmals 1992 verbracht habe. Das Haus ist noch gut erkennbar, die heutigen Besitzer haben es durch einen Wintergarten ergänzt und im Garten die alten Obstbäume durch neuere ersetzt. Die alten Gartenstrukturen sind teilweise vollständig erhalten. Es wird dunkel, wir gehen ins Hotel, es ist noch einiges zu schreiben.

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21. Mai: nach Laubach

Fahrt nach Laubach, 40. Abiturtreffen von Joachim

Vormittags starten wir nach Laubach. Der Bus ab Bahnhof Gießen durchkurvt Lich und fährt eine nostalgische, schmale, kurvenreiche Umleitung nach Nieder-Bessingen. Die leichte Verspätung des Busses rührt, wie uns der Fahrer erzählt, von einem notwendigen Bustausch her, weil ein Fahrgast unbedingt die Notausstiegsklappe im Dach wie bei alten Bussen zur Lüftung öffnen wollte und so Daueralarm auslöste. Wir kommen rechtzeitig zum Klassentreffen im Hotel an, treffen dort die ersten ehemaligen Mitschüler und gehen zusammen zum Treffen wie immer ins Café Göbel. Der Kreis ist seit dem letzten Schreiben noch gewachsen, bis zum Abend ist über die Hälfte des Jahrgangs da, etwa 15, dazu sechs Lehrer, heute alle im Ruhestand, der älteste 93. Wir sind auch schon alle nahe 60 und reden vom Ruhestand und allen Übergangsformen, auch wenn alle Anwesenden sich gut gehalten haben und engagiert in ihren Bereichen sind. Die meisten erkenne ich direkt am Aussehen oder Stimme wieder, obwohl ich seit 15 Jahren keinen wiedergesehen habe, und alle mehr oder weniger ergraut sind. Und bei jedem sind die von der Schule bekannten Wesenszüge noch erkennbar. Es macht Spaß, sich über Vergangenes und Aktuelles auszutauschen und Erinnerungsstücke anzusehen. Dr. Kammer, einer unserer Lehrer, ist in der Heimatforschung des Nachbarortes Villingen aktiv und bringt aus Archiven Protokolle von örtlichen Gerichtsverfahren aus dem 16. Jahrhundert mit, die wir mit viel Spaß, sozusagen als Unterrichtssimulation, nachspielen. Am Abend besichtigen wir die Laubacher Schlossbibliothek, eine der größten Privatbibliotheken Europas. Die jetzige Bibliothekarin Trautel Wellenkötter zeigt uns den beeindruckenden, über viele Räume verteilten Bücherpark. Solange die Grafen ihre Souveränität hatten, wurde gesammelt, Buchbinder haben hier ganze Lebenswerke hinterlassen. Es gab Kontakte zu Melanchton und ab 1555 eine Lateinschule als Vorläuferin unseres evangelischen Gymasiums, der Paul-Gerhard-Schule mit drei Internaten, das heute in der Gesamtschule und dem Laubach-Kolleg aufgegangen ist. Bedingungen der Erhaltung und Lagerung werden erläutert. Ein öffentlicher Zugang zur Bibliothek würde massive Investitionen in Klimatisierung und Brandschutz erfordern, was für die gräfliche Familie nicht zu leisten ist. Seit 1980 gibt es einmal wöchentlich einen Führungstermin und jährlich eine Themenausstellung, aktuell mit Reisebüchern aus fünf Jahrhunderten. Viele bedeutende Privatsammlungen, so auch die des Klosters Arnsburg, wurden der Bibliothek vermacht und vervollständigen den Bestand.
Nach der Führung lassen wir uns im Schlossrestaurant, der Hirschfrikadelle, an einer langen Tafel im Schlossinnenhof bei klarem Sternenhimmel verwöhnen. Wir singen zusammen, und die letzten verlassen erst nach zwei den Hof.

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Fernsehbeitrag im SWR Rheinland-Pfalz

Am 17. Mai (22:00-22:30) lief im SWR-RP die Sendung “Fahr mal hin – Ludwigshafen”. Hier sind ausnahmsweise mal nicht wir in die Ferne, sondern der SWR zu Marlis und anderen Ludwigshafenern gereist. Einen Text dazu und die ersten 5 Minuten des Films findet man auf SWR-Fahr mal hin. Wiederholt wurde die Sendung am 22.5. um 13:40 in EinsPlus

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