Laubach/Oberhessen: Ende Klassentreffen Joachim, auf den Spuren des Jugendzentrumsfestivals (Ziel: Hans Krueger)
Ab Neun treffen wir uns noch zu zehnt zum Frühstück
im Garten des Hotels
bei munteren Gesprächen und weiteren Erinnerungsstücken. Interesse findet meine Mappe mit hektografierten Gruppenarbeitsergebnissen aus der Gemeinschaftskunde zu China, Jugoslawien und anderen Themen, in denen sich mancher mit handschriftlichen Zusätzen wiederfindet. Wir fahren gemeinsam zu einer weiteren Unternehmung des Grafen zu Solms-Laubach, dem “Grünen Meer”, einem besonders für Kinder
eingerichteten Erlebniswald im gräflichen Forst um das Jägerhaus und die Ruinen des ehemaligen Dorfes Ruthardshausen, mit vielen Schautafeln, Robin-Hood-Dorf,
kleinem Wildgehege mit Hirschen und Wisenten und einem 35 m hohen Gitter-Aussichtsturm
aus Aluminium mit mehreren Plattformen, von dem man das “Grüne Meer”, die riesige rundum geschlossene Waldfläche
zwischen dem Hoherodskopf im Vogelsberg und Laubach, nur durchbrochen durch einige kleine Dörfer, komplett übersieht. Ob dieser für Eltern mit Kindern sicherlich interessante Rundweg
wirklich so etwas Außergewöhnliches ist, dass es den hohen Einrichtungs- und Wartungsaufwand und die entsprechenden Eintrittspreise rechtfertigt, können Eltern besser beantworten, die Besucherzahlen an diesem sonnigen Sonntag sind jedenfalls eher mäßig, und meine noch in Laubach wohnenden Mitschüler sind skeptisch. Nach einem kurzen Umtrunk bei ein paar Regentropfen und Gewitterluft
verabschieden wir uns nach diesem schönen Klassentreffen. Es ist erfreulich zu erleben, dass sich nach 40 Jahren noch über die Hälfte der Mitschüler treffen und alle trotz des mittlerweile etwas fortgeschrittenen Alters um die 60, in dem der Ruhestand ein wichtiges Thema ist, noch munter und engagiert sind.
Nach dem Abschied setzen wir uns mit dem Material von Joachims Bruder Hans in den Garten des Café Kunst und lesen. Kern seines Auftrags sind die Jugendzentrumsfestivals, an deren ersten Auflagen Ende der 70er Jahre Hans organisatorisch maßgeblich beteiligt war. Er hat uns Zeitungen des zweiten und dritten Festivals mitgegeben, dazu Elektroplan und Zeitungsausschnitte. Die Organisation lag beim Laubacher Jugendzentrum, damals in der Obergasse, unterstützt von anderen Jugendzentren und finanziert vom Landkreis Gießen. Es ging darum, drei Tage zusammenzuleben mit guter Musik und Aktivitäten. An einer Zeitung hängt ein genauer Lageplan der einzelnen Stationen im alten Steinbruch im Wald oberhalb der Gesamtschule. Von meinem Bruder Rolf, der bei den ersten Festivals die Elektroinstallation organisiert hatte, stammt der Tipp, Dieter Kraffert
anzusprechen, der als junger Lehrer an der Gesamtschule bei vielen Festivals beteiligt war. Ich finde ihn im Telefonbuch und erreiche ihn gleich, wir können ihn sofort besuchen. Er wohnt mit seiner Frau seit etwa 40 Jahren in der Steinbach. Im Garten
steht aktuell ein großes Zelt. Dort findet demnächst das Jahrestreffen von über 30 Menschen statt, die sich gemeinsam einen Platz in einem Ruheforst gesucht haben, und feiern jedes Jahr, das sie noch gemeinsam feiern können. Zwei sind leider schon gestorben. Da wir uns damit auch auseinandersetzen, hat uns dieser Umgang mit dem Sterben tief bewegt. Auf dem Grundstück steht auch ein Fachwerkschuppen,
den er in der Stadt abgebaut hat. Wir erfahren etliches Neues über das Festival und die Zusammenarbeit mit meinen Brüdern. Viele Kurse fanden statt, zahlreiche regionale Musikgruppen haben deutsche Pop-und Rock-Musik, oft sehr gute, auch politische, gemacht. Bis zu 2000 Besucher kamen in den kleinen Steinbruch, zelteten auf nahegelegenen Wiesen, und die Jugendzentren organisierten Verpflegung, Elektro, Kurse und Musik. Es gab einige Vorbehalte bei Bevölkerung und Politikern, aber die Jugendzentrumsaktivisten konnten sich durchsetzen. Es fand dann meist jährlich ca. 8 mal statt, später auch an wechselnden Orten im Landkreis. Heute gibt es den Nachfolger, “Bring-Anna-mit”, zum 23. Mal in Lich am 26./27.8.2011. 2010 war es in Heuchelheim, 2008 in Laubach. Das Jugendzentrum Laubach gibt es auch noch, es ist mittlerweile im alten Bahnhofsgebäude. Nach diesem spannenden Gespräch, das wir für unseren Ideengeber aufgezeichnet haben, starten wir zum praktischen Teil. Durch die nette, ruhige Altstadt Laubachs, die mit einigen Fachwerkhäusern durchsetzt ist, die die Laubacher Bausünden der 70er Jahre überlebt haben, laufen wir Richtung Steinbruch. Und wie der Zufall so will: Auf dem Marktplatz ruft man nach uns:
im Café Göbel am Markt sitzt in der Sonne Josef Krahforst, über Laubach hinaus bekannter Maler, der auch unser Hotel, den “Bunten Hund”, ausgemalt hat, erkennt mich, neben ihm ein Sohn des Lehrers Kammer, der gestern beim Klassentreffen war, und erkundigt sich nach meinen Brüdern. Er war mit Hans ebenfalls maßgeblich an den Festivals beteiligt. Die Gewitterfront kommt näher, direkt am Anfang des Steinbruchs beginnt es kurz zu gießen. Wir stellen uns in einem alten Plumpsklohäuschen am Waldrand
unter und versuchen, den Plan mit der Wirklichkeit in Einklang
zu bringen. Bald können wir weitergehen. Im hinteren Teil des Steinbruchs
finden wir in Bäumen versteckt das Klipstein-Haus des 1941 in Laubach verstorbenen Malers. Im mittleren, heute stark zugewachsenen Teil mit sichtbarer Steinbruchwand
stand 1979 die Bühne. Der große rechte östliche Teil ist eine große Wiese, auf der ein etwas verwachsener Sportplatz, eine Feuerstelle und eine große, verschlossene Hütte für Veranstaltungen steht. Hier standen Filmzelt, Theke, Toilette, Organisation. Wir wählen den anderen Weg runter, vorbei an der ehemaligen Jugendherberge – heute Gästehaus Laubach des Hessischen Wassersportzentrums -, und der als Zeltplatz für die Festivals genutzten Wiese. Auf direktem Wege
gehen wir zum alten Bahnhof. In diesem Backsteinbau
wird heute vom Internationalen Bund das Jugendzentrum unterhalten. Dort komme ich auf die Idee, noch auf den nahegelegenen Friedhof
zu gehen, wir besuchen das Grab meiner Eltern und Großmütter und das meiner zwei Onkel, das ich mit Hilfe eines Anrufs bei meiner Tante finde. Durch die Stadt
gehen wir zur “Eule”, dem ältesten Gasthaus der Stadt, heute im Besitz des Grafen und als Steakhaus betrieben, wo wir am letzten Tisch gut essen. Durch den großen Schlosspark vorbei an unserer gestrigen Tagungsstätte und einer mächtigen Linde, Kiefer und Platane, die mir früher nie so aufgefallen sind, gehen wir zur Richard-Wagner-Straße,
wo meine Eltern 1965 gebaut hatten, und ich meine Laubacher Zeit bis 1971 und nochmals 1992 verbracht habe. Das Haus ist noch gut erkennbar, die heutigen Besitzer haben es durch einen Wintergarten ergänzt und im Garten die alten Obstbäume durch neuere ersetzt. Die alten Gartenstrukturen sind teilweise vollständig erhalten. Es wird dunkel,
wir gehen ins Hotel, es ist noch einiges zu schreiben.