2. Juni: von Sigmaringen nach Konstanz

Abschied von Sigmaringen, im Naturpark-Express ins touristische Konstanz mit besonderer Altstadt (Ziel: Barbara Auer)

Heute morgen empfängt uns besseres Wetter. Die Sonne schaut öfter durch, das klamm-feuchte verschwindet. Annheuers sind schon lange auf, Eileen ist schon gefahren. Der Frühstückstisch ist liebevoll und üppig gedeckt, vor lauter Angebot übersehe ich die Hälfte. Margarete fährt mit vollbepacktem Fahrrad auf einen Geburtstag, wir verabschieden uns von ihr, und Hans-Bernd brutzelt auf dem alten Gasherd das beste Spiegelei mit Speck unseres ganzen Reisejahres. Wir warten auf die Anzeige der Sonnenuhr, wandeln durch den üppigen Garten mit hohen Bäumen und dichten Büschen, der überall versteckte Sitznischen offenbart. Auch das sonnige Gruppenbild für Linn mit uns und Hans-Bernd vor den Rosen im Innenhof gelingt uns, die große Linde präsentiert sich freundlicher, und wir schließen noch einen Rundgang durch das Haus an. Mittags starten wir Richtung Konstanz, es ist ein Wochenend-Sonderzug des Naturparks Oberes Donautal, vorn und hinten ein Triebwagen, in der Mitte ein zum Fahrradwagen umgebauter alter Gepäckwagen mit nettem Beladepersonal. Das Angebot wird gut genutzt, einige Minuten Verspätung entstehen durch das viele Beladen, die Verspätungen greifen allerdings passend ineinander, in Konstanz sind wir wieder pünktlich. Das Hotel liegt gut und ist besser als befürchtet, wir hatten beim Buchen kaum Auswahl, und Konstanz war teuer. Wir beginnen mit dem Hafen. Es ist alles voll mit Tagestouristen, eine richtige Vergnügungsmeile mit Yachthafen, SeaLife-Aquarium, Kneipen und Souvenirs wie in einem Kreuzfahrthafen. Uns war absolut nicht klar, dass es hier so viel Tourismus gibt. Auf der Spitze der Hafenmole dreht sich auf einem alten Leuchtturmsockel die Zement-Skulptur “Imperia”, Deutschlands einzige Hurenskulptur, von Peter Lenk 1992 geschaffen in Anlehnung an das Konstanzer Konzil, auf der einen Hand trägt sie einen kleinen Papst, auf der anderen den Kaiser; sie hat sie im Griff. So umstritten das Kunstwerk war: es ist zum Publikumsmagnet geworden.
Die ganze Innenstadt beeindruckt durch ganze Zeilen alter Kaufmannshäuser aus der Zeit zwischen 1300 und 1500, oft gut erhalten. Wenn es Fachwerkhäuser sind, sind sie fast immer verputzt, aber auch alte Steinhäuser und das Renaissance-Rathaus sind dazwischen zu finden. Die Straßen sind schmal, oft eher Gassen und Fußgängerzone. Das Münster ist eindrucksvoll und zeugt von der Bedeutung in der Zeit als Bistum, die geschnitzte Tür, das Chorgestühl, die Orgel und andere wertvolle Einbauten sind über 500 Jahre alt. Noch kleinräumiger ist das älteste Viertel, die Niederburg, im Winkel zwischen Bodensee und Rhein, das frühere Handwerker- und Fischerviertel. Hierhin, in die Inselgasse 13, hat uns Barbara Auer geschickt, es ist ihr Elternhaus und Ausgangspunkt für die Kinderzeit in den Gassen. Unten drin ist die Weinstube Weinglöckle, wir trinken zwei Achtel und prosten uns am Tisch draußen zu, schon ist das Foto fertig. Bevor es dunkel wird, wollen wir noch weiteres ansehen. Hinter der Bahn finden wir auf der Insel das ehemalige Dominikanerkloster, jetzt großes Nobelhotel. Die Insel ist frei zugänglich, von hier hat man einen wunderbaren Blick auf das Jahrhundertwende-Wohnensemble Seestraße auf der anderen Rheinseite, bei ungeschickter Standortwahl verziert durch einen dahinter aufragenden Telekom-Komplex. Die ältesten Kaufmannshäuser finden wir in der Zollernstraße und am Rhein zwei Stadttürme. Jetzt ist es Zeit zur Einkehr im Weinglöckle. Stammkunden und Studenten kehren hier ein, besonders begehrt ist die Sitzgruppe im großen Weinfass. Die Vesper ist gut, die Weine sind es erst recht. Alles stammt aus dem Badischen oder vom Bodensee. Die Chefin, Frau Irling, ist von unserem Projekt begeistert, sie denkt mit 65 noch nicht ans Aufhören und ist stolz darauf, die Stube schon seit 17 Jahren zu betreiben; ihr Mann in der Küche ist sogar schon über 70. Sie gibt uns gerne ein Interview und kann auch von ihrem Vermieter, Barbaras Vater, erzählen, der nicht mehr im Haus wohnt. Zufrieden gehen wir ins Hotel zurück, wo ich gleich einschlafe. Wir haben einen kurzen Einblick in eine unerwartet hochinteressante Stadt erlebt, einiges wie die Universität und die Viertel Paradies und Petershausen haben wir großzügig weggelassen.

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2 Antworten auf 2. Juni: von Sigmaringen nach Konstanz

  1. Linn Schöllhorn sagt:

    Beste Marlis,

    Deine Bilder sind einfach immer ein Traum! Was ist das für ein schönes Geschenk für den ‘Auftraggeber’, nun solch tolle Bilder von seiner Heimat zu haben. Ich danke Dir/Euch sehr, dass ihr Euch für mich auf die Reise gemacht habt und ich nun so viel davon zurück bekomme :) ! Danke auch übrigens für die tolle Foto-Postkarte, die zu Hause bei mir einen Ehrenplatz hat.

    Weiterhin Euch Schönes und Interessantes und ganz liebe Grüße
    Linn

  2. Peter Krauss sagt:

    Die Bodensee-Therme hätte sich noch gelohnt, und eine außergewöhnlich gute Pizzeria gibt es auch in Konstanz. Den Weinglöckle-Tip merke ich mir.