17. Dezember: nach Berlin

Fahrt nach Berlin im “Schneechaos”, Spaziergang im Berliner Schnee

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war ja in Deutschland “Schneechaos”. Wie sagte einer im Twitter: “ich stamme aus einer Generation, in der man für Schneechaos noch den Begriff Winter kannte”. Wir hatten uns – in weiser Vorahnung? – den Zug um 11:31 ab Mannheim nach Berlin ausgesucht und Plätze reserviert. Es ist heute der erste halbwegs pünktliche Fernzug, jedenfalls steht er rechtzeitig vor dem Bahnhof. Nachdem die Nachzüglerzüge weg sind, kann er mit neun Minuten Verspätung starten. Bis Berlin sammelt er dann Strecke für Strecke mehr ein und hat in Berlin dann 60 Minuten Verspätung. Der Zug ist proppenvoll, aber wir haben gute Plätze. Überall ist es weiß, auch auf den Bäumen. Und oft scheint noch die Sonne dazu. Zauberhaftes Schneechaos! Dafür nehmen wir doch gern eine Stunde längere Fahrzeit in Kauf. Bei der Durchfahrt durch Wolfsburg fährt vor der Kulisse des mächtigen alten VW-Kraftwerks ein Ausflugsschiff zwischen den Eisschollen auf dem Mittellandkanal. Aus den Ludwigshafener 2 cm Schnee sind in Berlin 15 cm geworden. Und kein Matsch! Die regionalen Bahnen fahren zwar nicht ganz pünktlich (10 min Verspätung), aber mit Handy-Auskunft ist schnell was zusammengesucht, so dass wir fast wie angekündigt in Pankow bei unserer alten Bekannten Annette klingeln. Beim Gang zum Abendessen können wir an den vielen verschneiten Autos feststellen, dass nur wenige ihr Auto täglich benutzen. Statt dessen dient der viele Schnee auf den Autos den Kindern als Zeichenfläche: viele Gesichter, drei Fragezeichen und anderes Lustiges ist reihenweise zu sehen. Der Schnee glitzert und knirscht unter den Füßen.
Am Abend ist Gedankenaustausch bei Wein dran. Morgen ziehen wir los zum Ziel von Gabriele Heck: dem Modulor-Laden in Kreuzberg. Zum Vergleich haben wir schon andere Läden (Stichwort: Zeichenbedarf) rausgesucht.

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Bericht im Wochenblatt Ludwigshafen

Das Wochenblatt Ludwigshafen berichtet auf der Titelseite der heutigen Ausgabe über unser Reiseprojekt und hat weitere Berichte angekündigt:

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2. Dezember: Würzburg und zurück

Würzburg: Führung in der Residenz, Aufstieg zur Festung Marienberg, Rückfahrt mit Improvisation

Es ist weiterhin kalt, es liegen ca. 10 cm Schnee, und manchmal schaut die Sonne durch. Hier ist auf den Wegen alles wegen Salzeinsatz Matsch, das sieht gar nicht mehr romantisch aus, und die Luft ist dadurch feuchtkalt. Würzburg hat uns zwar kein Ideengeber genannt, aber wir haben die Festung schon oft beim Durchfahren von Zug gesehen, jetzt wollten wir die Nähe nutzen und die Stadt ansehen. Wir ziehen durch die Stadt über Marienkapelle und Dom zur Residenz: Barock von Balthasar Neumann, 170 x 90 m groß, Unesco-Weltkulturerbe. Wir starten alleine mit einer Führerin, die auch in der Restaurierung tätig ist, und uns jede Menge uns unbekannter Details zu Spiegeln, Vergoldung, Stuck, den Deckengemälden und Wandteppichen sowie zur Geschichte des Hauses und dem 650 m² großen Deckenfresko im Treppenhaus von Tiepolo und dem Stuck im weißen und im Kaisersaal von Bossi, bei dem oft nicht zu erkennen ist, ob die dreidimensionale Wirkung echt oder nur gemalt ist. Über den Weihnachtsmarkt mit Bratwurst und Glühwein laufen wir auf die alte Mainbrücke mit ihren Figurennischen, die an Prag erinnert. Der Blick über den Main, die Straße entlang zum Dom und hinauf zur Festung ist beeindruckend. Ein langer, verschneiter Treppenweg führt hinauf zur Festung Marienberg, die jetzt im Winterschlaf liegt. Nur die Kinder nutzen die steilen Hänge zum Rodeln. Es gelingt uns trotzdem, die Innenhöfe der riesigen Anlage, in der sich heute Museen, eine Tagungsstätte und ein Restaurant befinden, anzusehen. Wir können auch den Komplex umrunden und von mehreren Spitzen des doppelten, gewaltig hohen Bastionsringes tolle Blicke über Stadt und Main, alles komplett weiß und am Ende im Abendlicht, genießen. Sehr zufrieden wärmen wir uns in einem Café an der Alten Mainbrücke auf und starten dann zum Bahnhof. Wir haben die Fahrt mit RE via Lauda und Osterburken und dann mit der S-Bahn zurück geplant. Im Fernverkehr gibts erhebliche, unübersichtliche Verspätungen, daraus ergibt sich vorher eine günstige ICE-Verbindung über Frankfurt. Der Zug ist aber so voll, dass wir, statt zu stehen, wieder aussteigen und uns auf die pünktlichen Regionalverbindungen rückbesinnen. Leider hält die Pünktlichkeit nur bis kurz vor Lauda, ein wegen Umleitungen durch einen Gegenzug besetztes Gleis verursacht 10 Minuten Zwangspause. Dass wir die S-Bahn dann nicht mehr bekommen werden (nächste in einer Stunde), habe ich schon erwartet und wird auch angesagt. Die zeitgleiche Alternative – Umsteigen in Bad Friedrichshall-Jagstfeld – habe ich schon selbst ermittelt, als sie angesagt wird. So kommen wir wie geplant nach LU zurück, von einer wirklich schönen Tour, die im Sommer nicht besser hätte sein können. Marlis hat die Sturzfolgen jetzt auch nahezu überstanden, das Tippen überlässt sie allerdings noch mir.

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1. Dezember: Rothenburg, nach Würzburg

Stadtmauer-Rundgang in Rothenburg, Weihnachtsdorf, nach Würzburg in den “Stachel”

In der Nacht hat Marlis dann doch Folgen ihres Sturzes erfahren: ihre Hand hat das abendliche Blogschreiben mit heftigem Schmerz beantwortet. Also muss ich heute schreiben. Zum Glück ist der Schmerz am Tag zurückgegangen, weiteren Risiken wurde von Marlis’ Seite mit kanadischen Schuhspikes vorgebeugt.
Wir beginnen im einzigen besteigbaren Turm, dem Röderturm. Die Ausstellung zur Geschichte und zu den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind sehr interessant. Bei den Erzählungen zum Brand des Rathauses nach den Angriffen kann man gut die heutigen Anforderungen an den Brandschutz, die wir aus unserem Ludwigshafener Hochhaus kennen, nachvollziehen. Weiter gehts über die ganze nördliche Stadtmauer. Die heutigen Fotos dekorieren wir mit echten Schneebällen. Und: Wir finden noch ein mittlerweile etwas gelbes Foto von mir auf der Stadtmauer von 1969!
Nach Einblick in die Kirche und ihre Restaurierung bis zum 700-jährigen im nächsten Jahr erforschen wir den weißen Glühwein genauer und finden auch den Grund der Ansammlungen an diesem geschützten Ort: Hier steht schon immer das einzige Rothenburger Weingut “Glocke” mit seinem Glühwein aus eigenem Silvaner. Alle einheimischen Glühweintrinker versammeln sich hier. Das Weingut bewirtschaftet auch die Weinberge am Tauberhang unterhalb der Stadtmauer.
Den Rathausturm erklimmen wir zwar nicht – die Kassierin will 10 Minuten vor der Mittagspause lieber schon gehen – dafür besichtigen wir in allen Stockwerken des imposanten Renaissance-Rathauses die höchst unterschiedlichen, sehr interessanten Eingangshallen.
Inzwischen schneit es dauerhaft, alle Straßen, Wege und Dächer sind weiß, die Sicht wird schlechter und stimmungsvoller. Wir treffen auf einen schönen Lebenshilfe-Laden und werden geduldig bedient. Durch den winterlichen Burgbereich verlassen wir den mauerbewehrten Stadtkern für eine Wanderung durch den Abhang zur Tauber mit malerisch verschneiten Ausblicken auf die Doppelbrücke und den alten Stadtteil Dettwang im Tal. Am Spital kehren wir in die Stadt zurück, und am Plönlein finden wir das alteingesessene Café Uhl, das als reiner Familienbetrieb die seit 1880 strömenden Touristen schon immer mit vorzüglichen Torten und hausgemachten Schneeballen versorgt.
Auf dem Rückweg besuchen wir noch Käthe Wohlfahrts Weihnachtsdorf, den wohlgeordneten Megamarkt für Weihnachtsartikel aller Geschmacksrichtungen, Größen und Preislagen, erhältlich zu allen Jahreszeiten und mit Auslieferung in die ganze Welt – Weihnachten total, aber bitte in hoher Qualität – Herkunft Erzgebirge, nicht Fernost. Das ganze Erzgebirge scheint für Käthe Wohlfahrt zu arbeiten.
Durch jetzt touristisch unbelebte, nicht weniger interessante Nebengassen gehen wir zum Hotel, holen das Gepäck und steigen in den einen hochmodernen und um 17:07 komplett vollen Triebwagen, der stündlich zwischen Rothenburg und Steinach pendelt. Im Internet steht zwar: “Es kommt in ganz Bayern wegen Weichenstörungen zu Verspätungen und Zugausfällen”, das trifft uns aber nicht, wir laufen pünktlich durch Würzburg zum Hotel, bekommen wie gewünscht ein Zimmer ganz oben und haben so -ebenfalls gewünscht – den Blick auf Main und Festung Marienberg. Heute haben wir im Slowfood-Genussführer die älteste Weinstube Würzburgs von 1431 gefunden, “Zum Stachel”, bewirtschaftet von Richard und Petra Huth, die allen Slowfood-Grundsätzen gerecht wird. Der “Spessart-Saibling blau” ist jedenfalls ein Genuss, ebenso die Überraschungen aus der Küche vorher und hinterher.

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30. November: nach Rothenburg o.d.T.

nach Rothenburg: Winterstimmung mit Glühwein, professioneller Touristenbetrieb (Ziel: Stephan)

Alles weiß, es ist gestern über Tag Winter geworden, und der Schnee bleibt sogar in LU-Mitte liegen bis heute, bei minus 0,3 Grad wohl auch noch länger. Die Koffer sind leicht, wir haben alle warme Kleidung an. Der frische Schnee knistert unter den Fußsohlen. Beim Warten in Mannheim beobachten wir einen durchfahrenden Güterzug, von dessen Dächern Schnee wie Puderzucker herunterfällt, dazu scheint die Sonne.
In Mannheim starten wir wie viele andere Züge auch mit leichten Verspätungen, aber das macht uns nichts aus: wir nehmen einen anderen schon verspäteten Zug, andere Anschlüsse unterwegs warten, und am Ziel sind wir wieder pünktlich: Ideengeber Stephan schickt uns nach Rothenburg ob der Tauber. Nach Umsteigen in Frankfurt und Würzburg geht es vorbei an so unbekannten Haltestellen wie Winterhausen – passt sehr gut zum heutigem Wetter – Ochsenfurt, Marktbreit, Uffenheim bis zum Umsteigebahnhof Steinach. Bis zur Endhaltestelle Rothenburg gibt es noch zwei Bedarfshaltestellen, die extra angesagt und vom Fahrgast gedrückt werden müssen – das kennen wir doch schon aus anderen Regionen. Der ausgeliehene Reiseführer informiert uns, dass wir uns in Tauberfranken bewegen. Es gibt für die Regionen alle möglichen gröberen und feineren Einteilungen. Gleich nach Verlassen des Bahnhofsgebäudes in Rothenburg mache ich meine ersten Erfahrungen mit diesem Winter und falle nicht auf die Nase, sondern nach hinten auf der einzigen winzigen Glatteisstelle weit und breit, weil ich in Gedanken schon wieder beim nächsten Foto bin. Es geht nochmal gut, es stellen sich erstmal keine ernsthaften Beschwerden ein.
Ideengeber Stephan hat hier mit unserer Tochter Tina vor vielen Jahren – im Frühjahr 2002 – das halbjährige Kennenlernen gefeiert. Sie haben damals mit der regionalen Spezialität Schneeballen auf dem Stadtmauerrundgang den Ausblick genossen, wir genießen ihn zur Dämmerung mit Weihnachtsbeleuchtung und echtem Schnee – romantischer kann Rothenburg gar nicht mehr sein. Das scheinen auch die japanischen Touristen als Geheimtipp zu wissen, denn die Stadt ist keinesfalls touristenfrei, Gruppenführungen begegnen uns überall.
Das 175-jährige Bahnjubiläum wird im Puppen- & Spielzeug-Museum begangen mit einer großen Märklin-Eisenbahnanlage, Frau Haupt gibt uns ein Interview zur Eisenbahn-Ausstellung und zum Rothenburg-Tourismus. Wir gehen über den rund um das Rathaus angesiedelten Weihnachtsmarkt, aufgeräumt und niveauvoll, und heute nicht besonders voll. Das Gedränge finden wir im warmen Durchgang beim fränkischen weißen Glühwein, auf Wunsch mit Schuss und in der Nachfüllung billiger. Ein Ausweichen dieser vorweihnachtlichen Aktionen ist im Ortszentrum unmöglich, dazu gibt es Dauerweihnachtseinkauf bei Käthe Wohlfahrt, erleichtert durch dirndlbekleidete Verkäuferinnen. Der Konsumbetrieb ist hier perfekt, professionell, mit langer Erfahrung durchorganisiert, irgendwie selbstverständlich. Es ist zwar grundsätzlich alles etwas übertrieben, total touristisch und dennoch in sich stimmig und im Detail liebenswert. Überall gibt es die “Schneeballen”, die wir auf den ersten Blick gar nicht gesehen haben – da muss doch mal ein echter Schneeball her, Schnee ist ja da.
Was mich besonders erfreut: ungehemmtes Fotografieren ist in so einer Touristenstadt überall möglich, da zu jeder Zeit Fotoapparate, Digicams und Camcorder im Dauerbetrieb auf alles sich Bewegende, Beleuchtete oder einigermaßen historisch oder bedeutsam Aussehende gerichtet werden; so gelingen mir viele Fotos von genießenden Japanern und vielsprachigen Souvenirverkäufern.
Wir beschließen den Abend im Bioland-Restaurant “Zum Bären” bei Steak vom Hohenloher Weiderind, und Joachim ernährt sich erfrischend vegetarisch – alles vorzüglich. Der Inhaber erklärt uns seine überzeugenden Ansichten, die eine konsequente und doch undogmatische Mischung von Bio- und Slowfood-Grundsätzen mit regional-handwerklichen Ansätzen sind.

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Bericht im Spiekerooger Inselboten

Der Inselbote, eine alle zwei Wochen erscheinende Zeitung für Spiekeroog, nahm unseren Besuch auf der Insel zum Anlass für einen Bericht, der in der morgigen Ausgabe erscheint:

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Bericht im Harlinger – Ostfriesisches Tageblatt

Der Harlinger – Ostfriesisches Tageblatt nahm unseren Besuch auf Spiekeroog zum Anlass für einen Bericht, der heute erschienen ist:

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23. November: Dortmund und zurück

Rundgang in Marlis’ Jugendviertel in Dortmund, Besuch des neuen Dortmunder U, Grünkohl und zurück nach LU

Angelika berichtet mir, welche positiven Auswirkungen die Kulturhauptstadt Essen mit vielen Veranstaltungen auf Dortmund hat und wie der U-Turm Dortmund – Zentrum für Kunst und Kreativität – über die Stadt hinaus strahlt.
Der Vormittag steht ganz im Zeichen der Wiederentdeckung meines Kiezes: aus meiner Grundschule, die jetzt im Problemviertel liegt, ist die Vorzeige-Grundschule “Kleine Kielstraße” geworden, aus der Behelfskirche die zur Gebetsstunde gut besuchte Dortmunder Zentral-Moschee. Wo die Villa eines Möbelhändlers stand – Angelika und ich, wir drückten uns an seinem Gartenzaun die Nasen platt, weil er in seinem Garten so einen schönen hellbauen Springbrunnen hatte – steht jetzt in der Nähe die Hochhausruine Kielstraße 26 aus den Sechzigern, die regelrecht pleite gegangen ist – ein mahnendes Beispiel für falsche Renditeversprechen. 2012 wird die Stadt Dortmund das Haus nach endlosen Rechtsklärungen abreißen. Die Straßen in diesem Viertel sehen allesamt trostlos aus, das macht nicht nur der trübe Novembertag, viele Häuser sind auch 50 Jahre später noch rußgeschwärzt.
Ein kurzes Gespräch mit einem Briefboten bestätigt den Eindruck. Trotzdem lebt die Vergangenheit in starken Bildern und Erlebnissen in mir. Hier hat sich wohl zu wenig verändert, so ist aus den einfachen Verhältnissen von damals ein Umfeld des Verfalls, mit einzelnen Versuchen des Gegensteuerns geworden.
An der Bornstraße verlassen wir den Dortmunder Norden und schauen nach, was aus der ehemaligen Union-Brauerei, deutlich im Stadtbild an den großen “U” erkennbar, durch den Kulturhauptstadt-Umbau geworden ist.
Das “Museum am Ostwall” ist hierhin umgesiedelt, aber das U-Haus ist alles andere als fertig. Vorherrschend sind noch Baustellenatmosphäre und Wachpersonal. Das Museum ist zwar umgezogen, aber die ganze Zugangssituation sieht sehr unfertig aus. Nur die Medieninstallationen von Prof. Winkelmann beeindrucken. Durch eine kreative Zwischennutzung der Fachhochschule Dortmund mit der Ausstellung “ORANGE im U”, als Bachelor-Arbeit initiert von Clemens Müller, lädt die erste Etage zum Verweilen und zum Befragen des Machers ein: Seine Idee ist diese als Mitmachprojekt konzipierte Ausstellung. Er hat Menschen aufgefordert, ihre orangenen – eine wichtige Farbe der 70er – Haushaltsgebrauchsgegenstände für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen, was sie dann auch reichlich taten. Mit anderen Farben, meint er, hätte das nicht so funktioniert. Jetzt sind 550 sehr typische Gebrauchs-, Design-, Mode- und Dekorationsobjekte zusammengekommen.
Nach dem letzten Grünkohl jagen wir mit Tempo 300 wieder nach LU zurück.

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22. November: Essen und Dortmund

Essen: Joachims Wohnumfeld als Kind (Ziel: Marlis), Fahrt nach Dortmund zu Marlis’ Schwester

Heute beginne ich mit der Beschreibung meines Sehnsuchtsortes: Joachim hat mir viel über “seinen” Hinterhof in Essen erzählt, wo er bis zu seinem zwölften Lebensjahr mit seiner Familie gelebt hat. Im besagten Hinterhof hat er viel mit seinen beiden jüngeren Brüdern gespielt, ein ganz besonderes Spiel, was mich aus seinen lebendigen Schilderungen derart fasziniert hat, dass ich diesen Ort schon lange mal sehen wollte. Auf dem Hof bildeten sie in Miniatur den für sie bedeutsamen Teil des Essener Straßenbahnnetzes ab. Joachim hat vom ausgedienten Kinderlaufstall die Stangen für die Verkehrs- und Haltestellenschilder verbaut, dann wurde nach Fahrplan mit dem Roller Straßenbahn auf den Wegen gefahren. Inzwischen haben die Linien andere Nummern oder sind zur U-Bahn geworden, der Radius geht viel weiter.
Wie kommen wir nun in diesen Innenhof? Diese Frage beschäftigt mich so lange wie ich diesen Wunsch habe, den Ort zu sehen. In den vergangenen Jahren standen wir mehrmals vor der Haustür in der Steinhausenstraße, und nun? Keinen Mumm in den Knochen zu klingeln, was sagen, und selbst wenn ich mich überall traue zu klingeln, macht sicher keiner auf. In unserem Reisejahr will ich diese Nuss knacken, nehme mir die Zeit, mir im Vorfeld zu überlegen, wie. Bei unserem letzten Besuch in Essen in diesem Sommer habe ich mir die Namen auf dem Klingelbrett gemerkt und bei der Teleauskunft nach den Nummern geforscht, die Suche blieb ergebnislos. Die Rückwärtssuche ergab eine Nummer im Haus und ein nettes Gespräch mit Frau Krieger, die nach Joachims Familie 40 Jahre bis vor einem Jahr in der Wohnung wohnte, zur Geschichte des Hauses. Von ihr kam der entscheidende Tipp: im Haus um die Ecke ist die “Essener Initiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V.”, da käme ich doch sicher rein und hätte Blick auf den Garten. Das hat hervorragend funktioniert, wir sind heute um 11 Uhr verabredet. Der Zivildienstleistende zeigt uns den eigenen Hof, vom dem aus ein guter Blick in den “Sehnsuchtsgarten” möglich ist. Er ist viel kleiner als in meiner Vorstellung und recht verwildert, mit großen Bäumen. Wir dürfen noch einen Blick aus den Fenstern der Dachwohnung nehmen und haben einen sehr guten Überblick über die Innenhöfe des Carrees, auch für Joachim eine neue Erfahrung, hatte er doch die rückwärtige Tankstelle anders verortet. Gisela Pfänder von der Initiative gibt uns noch ein Interview über Essen seit ihrem Spielen in Trümmergrundstücken, wie sie den Nahverkehr nutzt, die neuen Bauwerke wie den Berthold-Beitz-Boulevard und die 61. Essener Lichterwochen.
Trotzdem will ich unbedingt noch an besagter Haustür stehen und überall klingeln. Wie erwartet, keiner macht auf. Ich will schon weggehen, fasse aber noch den Knauf der Haustür an – und die Tür ist auf!!! Das ist für mich wie ein “Sesam öffne dich”! Joachim erkennt sofort das Treppenhaus ohne jegliche Veränderung wieder, durch die geöffnete Kellertür geht es ohne Probleme in den Garten, jetzt sind wir beide überglücklich. Joachim findet seine zugewachsenen Wege der Straßenbahnen wieder, die Pflasterung und die seitlichen Backsteineinfassungen sind im Original erhalten, selbst das Rondell, jetzt alles mit Buchsbaum gesäumt ist noch da, nur eben verwildert. Dafür gibt es jetzt am “Porscheplatz” – früher Teppichklopfstange – einen blauweißkarierten Wachstuch-Tisch und gegenüber zwei menschengroße Figuren im Garten. Uns gelingen viele Fotos.
Entspannt durchstreifen wir das Viertel nach weiteren Erinnerungen und gehen zu seiner ehemaligen Kepler-Grundschule, die jetzt die Jahrgangsstufen 5 bis 7 der Holsterhauser Gesamtschule beherbergt.
Wir sind am Nachmittag mit meiner Schwester Angelika in Dortmund verabredet, zum Geburtstagsnachfeiern und Übernachten.

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21. November: Über Düsseldorf nach Essen

Düsseldorf: Quadriennale mit Nam June Paik, nach Essen in die “Alte Lohnhalle”

GERDA STEINER & JÖRG LENZLINGER, Das Vegetative Nervensystem, Eingangshalle des museum kunst palast

Wir wollen in Düsseldorf im “museum kunst palast” am letzten Tag der Retrospektive die Arbeiten von Nam June Paik ansehen, einem aus Korea stammenden Videokünstler, der von der Komposition kommt, in Japan und Deutschland studiert und in Deutschland und den USA gearbeitet hat, u.a. mit Beuys, Cage, Vostell und Mary Bauermeister. Deshalb verlassen wir Wuppertal, dass uns so unerwartet erfreut hat. Es ist nicht so, dass wir alle Arbeiten der Ausstellung verstehen, aber es sind beeindruckende Sachen dabei, die Ausstellung selbst ist ebenfalls von beeindruckender Dimension – es wird klar, dass er die Kunstszene nachhaltig beeinflusst hat.
Wir erhalten heute eine Mail von unserem Freund Klaus, der sich in einigen Büchern und seiner Doktorarbeit mit dem Thema Reisen beschäftigt hat; er hat recht: Reisen in unserem Sinne ist immer Reisearbeit, mit dem Wissen nie endender Erkenntnis, aber wie Sisyphos rollen wir unentwegt den Stein und sind glücklich dabei.
Wir haben ein Zweitages-Ticket für die Quadriennale und gehen nochmal im benachbarten NRW-Forum in den “Roten Bulli”, der uns so gut gefallen hat und im Obergeschoss zu Katharina Sieverding, das ist zwar auch beeindruckend, aber nicht ganz unser Ding.
Am Nachmittag wechseln wir nach Essen, der Stadt, in der Joachim bis zu seinem zwölften Lebensjahr aufgewachsen ist. Wir sind neugierig auf das Hotel “Alte Lohnhalle”, das früher die neogotische Lohnhalle, also Auszahlungsstelle des Wochenlohns der Bergleute der Zeche Bonifatius war. Die Hotelzimmer sind in der darüberliegenden Direktions-Etage angesiedelt. Unser Blick aus dem Fenster fällt auf den schemenhaft beleuchteten alten Förderturm.
Nach so viel Museum und Stadtentdeckung geht es morgen endlich wieder auf Spurensuche, es wird spannend werden und “Expeditionsgeist” erfordern.

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