22. November: Essen und Dortmund

Essen: Joachims Wohnumfeld als Kind (Ziel: Marlis), Fahrt nach Dortmund zu Marlis’ Schwester

Heute beginne ich mit der Beschreibung meines Sehnsuchtsortes: Joachim hat mir viel über “seinen” Hinterhof in Essen erzählt, wo er bis zu seinem zwölften Lebensjahr mit seiner Familie gelebt hat. Im besagten Hinterhof hat er viel mit seinen beiden jüngeren Brüdern gespielt, ein ganz besonderes Spiel, was mich aus seinen lebendigen Schilderungen derart fasziniert hat, dass ich diesen Ort schon lange mal sehen wollte. Auf dem Hof bildeten sie in Miniatur den für sie bedeutsamen Teil des Essener Straßenbahnnetzes ab. Joachim hat vom ausgedienten Kinderlaufstall die Stangen für die Verkehrs- und Haltestellenschilder verbaut, dann wurde nach Fahrplan mit dem Roller Straßenbahn auf den Wegen gefahren. Inzwischen haben die Linien andere Nummern oder sind zur U-Bahn geworden, der Radius geht viel weiter.
Wie kommen wir nun in diesen Innenhof? Diese Frage beschäftigt mich so lange wie ich diesen Wunsch habe, den Ort zu sehen. In den vergangenen Jahren standen wir mehrmals vor der Haustür in der Steinhausenstraße, und nun? Keinen Mumm in den Knochen zu klingeln, was sagen, und selbst wenn ich mich überall traue zu klingeln, macht sicher keiner auf. In unserem Reisejahr will ich diese Nuss knacken, nehme mir die Zeit, mir im Vorfeld zu überlegen, wie. Bei unserem letzten Besuch in Essen in diesem Sommer habe ich mir die Namen auf dem Klingelbrett gemerkt und bei der Teleauskunft nach den Nummern geforscht, die Suche blieb ergebnislos. Die Rückwärtssuche ergab eine Nummer im Haus und ein nettes Gespräch mit Frau Krieger, die nach Joachims Familie 40 Jahre bis vor einem Jahr in der Wohnung wohnte, zur Geschichte des Hauses. Von ihr kam der entscheidende Tipp: im Haus um die Ecke ist die “Essener Initiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V.”, da käme ich doch sicher rein und hätte Blick auf den Garten. Das hat hervorragend funktioniert, wir sind heute um 11 Uhr verabredet. Der Zivildienstleistende zeigt uns den eigenen Hof, vom dem aus ein guter Blick in den “Sehnsuchtsgarten” möglich ist. Er ist viel kleiner als in meiner Vorstellung und recht verwildert, mit großen Bäumen. Wir dürfen noch einen Blick aus den Fenstern der Dachwohnung nehmen und haben einen sehr guten Überblick über die Innenhöfe des Carrees, auch für Joachim eine neue Erfahrung, hatte er doch die rückwärtige Tankstelle anders verortet. Gisela Pfänder von der Initiative gibt uns noch ein Interview über Essen seit ihrem Spielen in Trümmergrundstücken, wie sie den Nahverkehr nutzt, die neuen Bauwerke wie den Berthold-Beitz-Boulevard und die 61. Essener Lichterwochen.
Trotzdem will ich unbedingt noch an besagter Haustür stehen und überall klingeln. Wie erwartet, keiner macht auf. Ich will schon weggehen, fasse aber noch den Knauf der Haustür an – und die Tür ist auf!!! Das ist für mich wie ein “Sesam öffne dich”! Joachim erkennt sofort das Treppenhaus ohne jegliche Veränderung wieder, durch die geöffnete Kellertür geht es ohne Probleme in den Garten, jetzt sind wir beide überglücklich. Joachim findet seine zugewachsenen Wege der Straßenbahnen wieder, die Pflasterung und die seitlichen Backsteineinfassungen sind im Original erhalten, selbst das Rondell, jetzt alles mit Buchsbaum gesäumt ist noch da, nur eben verwildert. Dafür gibt es jetzt am “Porscheplatz” – früher Teppichklopfstange – einen blauweißkarierten Wachstuch-Tisch und gegenüber zwei menschengroße Figuren im Garten. Uns gelingen viele Fotos.
Entspannt durchstreifen wir das Viertel nach weiteren Erinnerungen und gehen zu seiner ehemaligen Kepler-Grundschule, die jetzt die Jahrgangsstufen 5 bis 7 der Holsterhauser Gesamtschule beherbergt.
Wir sind am Nachmittag mit meiner Schwester Angelika in Dortmund verabredet, zum Geburtstagsnachfeiern und Übernachten.

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2 Antworten auf 22. November: Essen und Dortmund

  1. I.-Yvette sagt:

    Hallo Ihr zwei Reisenden,

    endlich, endlich sitze ich am PC und lese nach, was ich seit Hankensbüttel alles an Erlebnissen von Euch verpasst habe.
    Ist sicher etwas ganz Besonderes, nach so vielen Jahren die Kindheitserinnerung aufleben zu lassen. Ich habe im September mit einer südafrik. Freundin Ähnliches erlebt. Sie ist nach ca. 66 Jahren (sie hat D mit 14 J. verlassen) zum ersten Mal wieder mit mir an ihre Kindheitsorte (Schule u. Wohnung in Mannheim) zurückgekehrt. Auch wir hatten Glück und konnten ins Haus…
    Ist doch interessant, wie sich manches total verändert und anderes ist noch recht unangetastet…
    Weiterhin viel Spass Yvette

  2. Rolf Krueger sagt:

    Moin,

    ist ja noch alles ganz gut zu erkennen, nur viel kleiner. In meiner Erinnerung waren da viel mehr Häuser, das Haus 1 Stockwerk höher… Halt wie die Erinnerung halt so ist, als Kind erlebt mans eine Nummer größer.
    Und unser Haus hat noch die übliche, graue Dreckfarbe, wie sie zur Zeit der Zechen in Essen unvermeidbar war. Da konnte mans hellgrün oder sonstwie anstreichen, nach 2 Jahren wars wurscht, da hat die Zeche drüberrenoviert. Halt grau, aber wohl noch gut in Schuss.
    Der Hinterhof hat ja wohl noch gewonnen, scheint mir sehr sympathisch verwildert.
    Die Keplerschule passt gut zu meiner Erinnerung, nur damals, glaub ich, auch grau. Da war ich sogar mal Klassenbester, 1. oder 2. Klasse. Hat sich dann erledigt.

    Sieht jut aus, jetzt könnt ihr nochmal hinfahren. Was ist aus Annegret Kühn geworden, wohnte gegenüber beim Kohlenhändler. Schneidet der Friseur immer noch für ne Mark? Gibts das Kiosk an der Ecke oben noch?

    Schon gut, bis denne
    Rolf