13. Februar: nach Hohenpeißenberg

Fahrt nach Hohenpeißenberg (Ziel: Johannes Grassl), Wanderung zur Wallfahrtskirche

Nach ausgiebigem Frühstück unterhalten wir uns noch intensiv mit Marlis Cousine und ihrem Mann Peter und fahren dann zusammen in ihrem Auto nach Hohenpeißenberg. Diesen Ort haben uns Johannes Grassl und Monika Kleinschnitger genannt, Johannes ist dort aufgewachsen und hat hier noch einen Standort, den er regelmäßig aufsucht. Wir müssen ihm also nicht erklären, wie sein Ort aussieht. Wir steigen gleich in der Villa Musica ab, die von einer Musikerin sehr liebevoll betrieben wird, die wir mit Johannes schon bei einem Auftritt beim Ludwigshafener Oktoberfest getroffen haben. Die Wanderung auf den Berg machen wir zusammen. Wir wählen den extrem steilen Weg, dafür wird man warm und ist schnell oben. Er beginnt am Hanslweg, und der König-Ludwig-Weg, den Marlis vor vielen Jahren mal gelaufen ist, verläuft darauf. Oben verabschieden wir uns. Unsere Verwandten wandern direkt wieder herunter und fahren nach Lechbruck zurück. Wir beginnen mit unseren Forschungen. Der Berg ist gekrönt von einer Doppelkapelle mit Turm in der Mitte. Der ältere Teil und Grund für die Wallfahrt ist die Gnadenkapelle von 1514 mit einer Mutter-Gottes-Statue aus Schongau, die aktuell wegen Renovierung geschlossen ist. Schießlich ist in drei Jahren 500. Jahrestag. Das alte Schulhaus, das Johannes besucht hat und auf den Schulbetrieb der Augustiner zurückgeht, verfällt zusehens. Daneben steht wirklich eine uralte Linde mit Bank davor mit Ausblick auf den 200m tiefer gelegenen Ort und beim heutigen Dunst leider nur auf die ersten Hügelketten, für die Alpen muss die Panoramatafel herhalten. Auffällig ist die große Bergwetterstation, die älteste der Welt mit Aufzeichnungen seit 1787. Daneben ist der kleine Friedhof. Im Gasthof “Bayerischer Rigi” (so wird der Hohe Peißenberg auch genannt) machen wir eine Pause. Als Weg bergab nehmen wir den Weg an der Linde direkt neben der Schule, der länger, aber sachter in vielen Serpentinen durchs Ortszentrum bis zum Bahnhof führt, und wohl der Hauptweg ist. Einer der Wege wird der Schulweg gewesen sein.
Wir haben schon heute mittag beim Parken gemerkt, dass der Ort eher aus schmalen asphaltierten Wegen als aus Straßen besteht und locker, ohne ausgesprochenes Zentrum, gebaut ist. Es war schwierig, einen Parkplatz in den Straßen zu finden.
Wir sparen uns den Gang zum Hotel und gehen direkt zum Essen zur Rigi-Alm im Ortsteil Unterbau. Auf dem Weg finden wir ein Weinfass, das an der Straße aufgebaut ist: “20 Jahre Freundschaft 10 Jahre Weinfest Zum Wohl die Pfalz Hochstadt Hohenpeißenberg”. An der nächsten Ecke wird uns Hohenpeißenberg als Bergbauort für Pechkohle (bis 1971 mit Schachttiefen bis 1150 m) mit Lehrpfad vorgestellt. Dazu passend gibts hier die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie – Kompetenzzentrum für das Grubenrettungswesen.
Pfalz, Bergbau, RCI. Wir essen bayrisch deftig Schweinsbraten und Schwammerl. Den Rückweg machen wir im Mondschein auf einem direkten Feldweg zum Bahnhof, immer im Blick die angeleuchtete Wallfahrtskirche hoch im Himmel schwebend.

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12. Februar: nach Lechbruck am See

Fahrt nach Lechbruck am See, Besuch bei Verwandten

Wir lassen es ruhiger angehen, machen noch letzte Fotos und schreiben den Text von gestern. Mittags fahren wir mit Bus und Bahn über Ulm und Augsburg nach Markoberdorf. Heute besuchen wir erstmals Marlis Cousine Christine und ihren Mann Peter in Lechbruck. Beide holen uns vom Bahnhof in Markoberdorf ab und wir fahren – diesmal im Auto mit – nach Lechbruck. Beide sind sehr sportlich und haben zu Beginn des Ruhestands hier ein passendes Haus mit Alpenblick gebaut. Es ist ein idealer Ausgangspunkt für ihre vielfältigen Aktivitäten wie Radfahren, Wandern, Skitouren und Reisen. Wir wandern gemeinsam bei beginnender Dämmerung über die Hügel mit schöner Sicht auf die Alpen. Am Abend tauschen wir uns intensiv aus über unser Projekt, Reisen, Aktivitäten, Foto und Computer und natürlich auch das Älterwerden. Auch die Luft-Wärmepumpe, mit der die Heizung in dem ganz aus Holzmaterialien gebauten Haus betrieben wird, interessiert mich. Auch Erinnerungen und Fotoalben kommen dran: Christine war in den 60er Jahren in der Rollschuh-Hochburg Heilbronn aktiv, viel auf Auslandsreisen und mehrfach auf vorderen Plätzen bei Weltmeisterschaften.

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11. Februar: Weißenhorn

Fortsetzung Weißenhorn: Besuch Montessori-Schule, Claretiner-Kolleg, historisches Stadttheater

Gestern haben wir die Details von Bernhards Theaterspiel gefunden, heute gehen wir allen Spuren praktisch nach. Wir mit unserem Projekt sind hier mit hohem Interesse aufgenommen worden, entsprechend unerwartet voll präsentiert sich unser Terminkalender. Zwischen die Termine schieben wir abschnittsweise den Stadtrundgang und das Betrachten der Säulen zur Stadtgeschichte anhand der Flyer, in denen wir wieder die Handschrift von Wolfgang Ott, dem Leiter des Heimatmuseums, wiedererkennen. Beides finden wir sehr lohnend und vorbildlich: Entwicklungen, Stationen und geschichtliche Einbettung der Stadt werden knapp, aber präzise, vollständig und ohne Beschönigungen in anschaulicher und gestalterisch ansprechender Weise dargestellt.
Wir besuchen die Montessori-Schule, die es seit 2006 in den früheren Schulräumen des Claretiner-Kollegs gibt, und die sich laufend durch obere Klassen erweitert, so wie die Schüler älter werden. In jeder Klasse sind drei Jahrgangsstufen vereint, jede Klasse hat zwei Räume und eine Küchenzeile. Die Klassen haben sich jeweils eigene Regeln

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gegeben, und es gibt etwa zehn Dienste, die reihum immer von zwei Schülern wahrgenommen werden. Der Unterricht richtet sich nach den bayerischen Lehrplänen, jeder Schüler erhält Wochenpläne und verwaltet Tagespläne, bestimmt aber die Lerngruppe und aktuelle Lernthemen selbst. Jede Klasse mit max. 25 Schülern wird dabei von zwei Pädagogen betreut. Dazu gibt es noch Fachlehrer. Englisch wird ab der ersten Klasse spielerisch mit eingeflochten. Die Eltern arbeiten intensiv beim Ausbau der Schule mit. Es ist eine Ganztagsschule, es gibt keine Hausaufgaben. Alles geschieht ohne Noten, es gibt Beurteilungen. Nur für die Abschlüsse gibt es Übersetzungen in Noten. Bei Verpflegung und Veranstaltungsräumen arbeiten sie eng mit den Claretinern zusammen. Für die Schule dürften die freigewordenen Räume der Claretiner ein Glücksfall gewesen sein. Die private Initiative musste so nicht so viel investieren und konnte viel schneller mit dem Betrieb starten. Wir erleben auch noch Schulbetrieb; die Atmosphäre erscheint uns sehr angenehm und offen, und die Kinder äußerst motiviert.
Mittags treffen wir uns mit der Illertisser Zeitung. Der Kontakt stammt von der Schwabenbühne, die wir heute abend im Theater besuchen. Davor gelingt noch ein Blick in die Stadthalle, als wir Handwerker an der sonst geschlossenen Halle treffen. Noch einmal gehen wir zu den Gebäuden des Claretiner-Kollegs, diesmal treffen wir den Superior der Weißenhorner Bruderschaft, Pater Georg Hopf CMF (die Abkürzung des Ordens in der katholischen Welt: Cordis Mariae Filii – Söhne des Herzens Mariens). Bis 2002 haben die Padres hier die Internatsschule betrieben, an der Bernhard knapp zwei Jahre um 1965 als 13-jähriger war und immer mit der Bahn von Neustadt nach Weißenhorn fuhr, gerade noch bevor die Stichstrecke Senden-Weißenhorn stillgelegt wurde. Sie soll in den nächsten Jahren wieder für den Personenverkehr eröffnet werden. Die Claretiner sind ein aus Spanien stammender Missionsorden, der in Deutschland einige Standorte hat, und dessen Padres vor Ort meist in der Pastoralarbeit mitwirken, hier auch als Pfarrer in kleinen Gemeinden und als Religionslehrer. Der Standort hat seit den 60er Jahren einen gewaltigen Wandel durchgemacht und sich an heutige Verhältnisse angepasst. Seit 1988 wird mit der Diözese eine Jugendbegegnungsstätte betrieben, die sehr aktiv Freizeiten im kirchlichen Bereich durchführt. Der Schulbetrieb als Progymnasium (bis zur zehnten Klasse) mit Internat wurde bis 2002 aufrechterhalten, bis die schrumpfende Bruderschaft diese Aufgabe nicht mehr leisten konnte.

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Von Bernhard haben wir noch ein Zeugnis und eine Rechnung der Schule von damals bekommen. Nach der Zwischennutzung durch ein örtliches Gymnasium kam dann die Montessori-Schule. Wir sehen alles: die alte und die neuere Turnhalle, Schlafsäle und Schlafräume, Waschräume, Spinde auf dem Flur, heute neu strukturierte Zimmer für die Gäste der Jugendbegegnungsstätte und auch andere Bereiche, die noch auf einen Umbau und eine neue Nutzung warten. Es gibt Aufenthalts-, Studier- und Meditations- und Speiseräume sowie eine große Küche, die für die Padres, die Begegnungsstätte und die Schule, kocht. Beeindruckend ist die neu gestaltete herzförmige Kapelle. Sie ist zur vielfältig nutzbaren Veranstaltungshalle umgebaut worden, mit allen Medienanschlüssen und Einbauten. Konzerte, Seminare, Vorträge und Kirchenbetrieb sind möglich. Die Spitze ist mit Vorhang abgetrennbar als Kapelle für die aktuell acht Padres. Auch die Schule nutzt den Raum. Die ganze Umnutzung und auch die Zusammenarbeit der Nutzer erscheint uns als eine beispielhafte Synergie.
Wir beenden den Stadtrundgang und haben dann im Stadttheater eine Verabredung mit dem Hausmeister. Das Gebäude ist die Zehntscheuer der Fugger aus dem 16. Jhd., im 19.Jhd. wurde sie frei, und um 1876 konnten sich ein Theaterverein und die Kolpingbrüder durchsetzen, und das Gebäude wurde zum Theater umgebaut: 100 Plätze unten, 45 Plätze oben auf einer umlaufenden Empore und eine Bühne mit etwas Technik, rote Polster, graues Holz mit Bemalung und Deckengemälde, beschriftete Eingänge. Dahinter noch der Versammlungsraum von Kolping. Das Erdgeschoss unter dem Theaterrraum war früher Schuppen für Feuerwehr und Segelflieger. Nach der Sanierung 1976 wurde daraus ein richtiges Foyer mit Garderobe, seitdem wird es regelmäßig bespielt: Von Mundartkomödien bis Kammeropern geben regionale freie und feste Theater Gastspiele. Wir können alles betrachten und hinter die Kulissen schauen.
Sehr angeregt unterhalten wir uns mit dem 2. Vorsitzenden der Schwabenbühne Illertissen, Wolfgang Tupeit, der uns Karten für heute abend zurückgelegt hat, und sich mit vollem Engagement um seine Gruppe kümmert: von Online-Eintrittskarten über alle sozialen Netzwerke bis zum Jahresheft und dem Kartenverkauf an der Kasse. Im neuen Jahresheft will er uns drinhaben und fotografiert uns auf der Bühne. Es folgt das Theaterstück: “Der Raub der Sabinerinnen” in schwäbischer Mundart mit zwölf Darstellern. Es ist ein echter Genuss: jeder Zuschauer hat einen guten Platz – auch mit Sicht auf alle anderen Zuschauer. Der Stoff mit heftigen Verwicklungen, Ausreden-Konstruktionen und Missverständnissen, die sich alle am Ende auflösen, wird engagiert und sehr lustig gespielt. Man merkt, wieviel Spaß auch die Zuschauer dabei haben. Und das drei Stunden lang für einen Einheitspreis von 9,50€! Ein Theatererlebnis der besonderen Art für Großstädter, die riesige, teure Profi-Theater gewohnt sind. Wir lassen den Abend im Gasthaus unseres Hotels zum Löwen ausklingen. Hier hat alles gestimmt und zusammengepasst: großes helles ruhiges Zimmer mit Sicht, Schreibtisch für zwei, Sitzecke, gutes Essen, sehr aufmerksames Personal und eine Leitung, die sich noch ausgesprochen stark für unser Projekt interessiert hat.

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10. Februar: nach Weißenhorn

Fahrt nach Weißenhorn (Ziel: Bernhard Wadle-Rohe). Fund im Stadtarchiv. Besuch Heimatmuseum.

Heute hat das zweite Drittel des Reisejahrs begonnen!
Mit vier Umstiegen, zwei Bussen und drei Bahnen fahren wir nach Bayern, aber immer noch Oberschwaben: nach Weißenhorn. Ideengeber Bernhard Wadle-Rohe schickt uns hierher. Die Sonne begrüßt uns heute schon während der Bahnfahrt. Der Ort zeigt sich mit einer engen Altstadt, an deren Rändern aber stattliche alte Gebäude stehen: Stadttore, Kirchen, Handelshäuser. Ab dem 16. Jahrhundert gehörte die Stadt lange Zeit den Fuggern und war ein Handelszentrum.
Im 19. Jahrhundert entstand hier ein Stadttheater, das kleinste Bayerns. Bernhard hatte das Theater erwähnt, als er von seiner ersten Theaterrolle in seiner Zeit am Claretinerkolleg berichtete. Er meinte, dass damals die Presse dabei war. Marlis hat das Stadtarchiv kontaktiert, wir können in den alten Ausgaben Neu-Ulmer Zeitung stöbern. Er war von 1964 bis 1966 hier, und an dem streng katholischen Internat waren die Theateraufführungen die einzigen Möglichkeiten, aus dem Internat in die Stadt zu kommen. Im Archiv werden wir von Wolfgang Ott begrüßt, seit 20 Jahren Leiter des Heimatmuseums, Tourismus und Archiv macht er auch noch. Die Wälzer liegen bereit,

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wir dürfen mit den sechs dicken Halbjahresbänden der Neu-Ulmer Zeitung in den Sitzungssaal. Wir müssen nach Wahrscheinlichkeit vorgehen und nehmen uns 1965 vor. Schon im Juli werden wir fündig: die Aufführung einer Theatergruppe des Claretinerkollegs in der Stadthalle wird besprochen, und in dem Stück “Der Spielhansl” kommen die kleinen Teufelchen vor, von denen er einen gespielt hat. Es war also nicht im Stadttheater. Wir rufen ihn an, und alles passt. So haben wir eine Geschichte richtig aufgeklärt und nehmen Fotos der Artikel mit.

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Wir blättern noch bis Ende Oktober, finden aber nichts vom Stadttheater. Laut Wikipedia wurde es bis 1951 als Kino genutzt und ab 1977 wieder neu renoviert für regelmäßige Aufführungen. In Bernhards Zeit ist es wohl nur gelegentlich genutzt worden; es war sowieso immer ein Gastspieltheater, da kann er als junger Schüler gar nicht mitgespielt haben. Morgen besuchen wir das Theater, dann werden wir mehr von dessen besonderer Geschichte erfahren.
Das Blättern in den Zeitungen selbst ruft auch bei uns Erinnerungen wach:

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Die alte Typografie, alles schwarz-weiß, kleine Rubriken, wenig Veranstaltungen, gelbes, intensiv alt riechendes Papier, nette Zeichnungen im Stil der 60er Jahre.
Wir interviewen Wolfgang Ott zum Abschluss, ein Foto lässt er nicht zu, als Motiv bietet er seine Bavaria-Figur mit Tirolerhut an. Dann gehts nach seiner Empfehlung ins Heimatmuseum. Dort gibt es aktuell eine Sonderausstellung zum Handel mit Gewürzen. Wir besichtigen aber nur die ständigen Teile, das ist schon sehr viel und anschaulich aufgemacht, Herr Ott hat nicht zuviel versprochen. Heutiger Zustand und Größe sind sein Werk aus den 90er Jahren, und den schon damals geplanten zweiten Bauabschnitt im benachbarten Alten Rathaus für die Kunst wird er jetzt wohl auch realisieren können, die Verwaltung ist im Moment vorübergehend in einer alten Landwirtschaftsschule außerhalb der Innenstadt untergebracht und wird in zwei Jahren in die größeren Fuggerhäuser neben der Kirche ziehen, die momentan renoviert werden. Nach dem intensiven Forschungsnachmittag lassen wir den Tag nach einem kurzen Gang durch die Hauptstraße im sehr geschmackvoll und modern eingerichteten Café Brenner ausklingen. Nachher gehen wir wieder hervorragend schwäbisch, diesmal im bayerischen Schwaben, essen: Zwiebelhackbraten mit Krautspätzle.

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9. Februar: nach Ummendorf

Fahrt nach Ummendorf (Ziel: Reinhard Mundt). Sehr angenehme Kontakte, viel erfahren. Verändertes und Unverändertes gefunden. Gute schwäbische Küche.

Eigentlich dachten wir, heute morgen könnten wir in Ruhe starten, aber dann gab’s noch Anrufe und Emails, und wieder wurde es knapp. Die Bahnfahrt klappt gut, alles ist pünktlich, auch wenn der ICE ein verkürzter Ersatzzug ist. Die Busse in Biberach sind etwas unübersichtlich, es gibt 20 Bussteige, der Fahrplan weist den Bus 253 auf Steig 18 aus. An dem Steig steht nur ein Schulbus ohne Nummer, und der ist es, nicht der Bus 253 auf Steig 20. Die Fahrten sind an verschiedene Unternehmen vergeben, und gerade mittags sind 99% der Mitfahrer Schüler. Entsprechend voll wird es an den zwei Schulhaltestellen. Wir müssen eben immer erkundigen und fix dabei sein.
Der Gasthof Gaum liegt am nördlichen Ortsrand von Ummendorf, am früheren Bahnhof, nahe einem Badesee. Wir sind in einem neuen Anbau, die meisten Zimmer sind für Familien mit Kinder-Hochbett ausgestattet. Wir ziehen los, es ist noch stark hochneblig, nicht so gut für den Aussichtshügel. Unser Ideengeber, Reinhard Mundt, hat von 1957 bis 1960 hier gelebt, “die schönsten Jahre seiner Jugend”, und war danach wohl nicht mehr hier. Zunächst suchen wir das damalige Wohnhaus auf. Es erinnert stark an die 50er Jahre und ist wohl nur unterhalten, aber nicht umgebaut oder großartig modernisiert worden. Für Reinhard ist es bestimmt wiederzuerkennen. Der Garten wird offensichtlich als Kinderspielplatz genutzt. Das ganze Viertel Hochstaad scheint aus der Zeit zu stammen, es sind lauter kleine Einfamilienhäuschen in allen Zuständen, von Original bis total umgebaut. Das Viertel ist wahrscheinlich für die Arbeiter des gegenüberliegenden Werkes der Firma Himmelsbacher entstanden. Heute ist das Firmengelände ein Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt.
Der Blick vom Wohnhaus nach Südwesten in freie Felder existiert nicht mehr. Dort ist in den 60er/70er Jahren ein komplettes Wohnviertel mit Mehrfamilienhäusern entstanden. Bis zur Sicht ins freie Feld laufen wir 400 Meter. Auch im Hochnebel ist die Weite, die von flachen Hügelketten begrenzt wird, zu erkennen.
Wir gehen weiter in die Ortsmitte. Den Schwenk der Hauptstraße ziert ein Schlecker-Laden. Gegenüber liegt zentral ein schöner Demeter-Hof mit Hofladen und Kühen und Schweinen im Hof. Es gibt einzelne Läden im Ort: Elektro, Apotheke, Netto, mehrere Bäckereien und einige Gasthöfe. Wir erreichen Reinhards zweiten Erinnerungsort: den Platz um die große, innen sehr schöne, helle barocke katholische Kirche mit angrenzendem Friedhof. Gegenüber sehen wir das Rathaus, das hat, im Gegensatz zu den meisten Geschäften und dem Ummendorfer Bräuhaus, genau am Mittwoch Nachmittag geöffnet. Marlis hatte schon in einem Schaukasten entdeckt, dass es Postkarten im Rathaus gibt. Wir treffen Irmgard Ströbele im Einwohnermeldeamt. Sie ist hier geboren und schon fast 40 Jahre im Rathaus. Sie kann uns vieles erzählen. Hier erfahren wir die schwäbische Sparsamkeit; sie rät uns, welche Postkarten wir nicht kaufen müssten. Früher waren im Erdgeschoss des Rathauses Schulräume, im Nebengebäude, das zum Schloss gehört, eher ein Kindergarten. Gegenüber neben der Kirche hat auch ein Schulhaus gestanden, das aber abgerissen wurde. Das dürfte das gewesen sein, in dem Reinhard unterrichtet wurde. Dort ist jetzt ein Parkplatz und eine Erweiterung des Friedhofs. Das Schloss, ein auffälliger heller Rechteckbau, erstrahlt in neuem Glanz; er wird von einer Fachhochschule und anderen Veranstaltern genutzt. Obendrauf ist tatsächlich, wie von Reinhard beschrieben und von Frau Ströbele bestätigt, ein Storchennest, und zwei Störche sitzen drin. Genau jetzt um 15 Uhr lichtet sich der Hochnebel, so dass schöne Bilder in der Sonne gelingen.
Der Ort ist bis auf einzelne verfallende Höfe sehr gepflegt und großzügig geräumig.
In der nahegelegenen Bäckerei stärken wir uns; während wir rausschauen, sehen wir, dass die Sonne sich schon wieder verschleiert. Also schnell zum letzten Ziel: dem Aussichtshügel mit Kreuz. Wir wissen schon, dass er Prälatenhöhe heißt. Dass er für Reinhard als Kind eine besondere Bedeutung hatte, ist klar: wir blicken die Straße entlang von seinem Wohnhaus nach Osten und sehen in der Verlängerung genau den weißen Sockel mit dem Kreuz auf dem Hügel. Wir erklimmen ihn über matschige Wiesen – das macht das wärmere Wetter. Der Sockel steht auf einem Plateau, hier soll mal eine Burg gestanden haben. Die Sicht ist trotz Hochnebel noch da: Etwas verscheiert sehen wir Ummendorf, die umliegenden Hügelketten und im Norden das alte Themalbad Jordanbad, das schon sehr lange existiert und ein Zweigbetrieb von Pfarrer Kneipps Kurbetrieben war. Pfarrer Seb. Kneipp ist auch der 1899 errichtete Sockel gewidmet.
Beim Abstieg kommen wir an großen Haufen von Reisig, Paletten und anderem Altholz vorbei. Wie wir erfahren, wird hier schon für das Hexenfeuer während der alemannischen Fasnacht gesammelt. An einem Bauernhof zeigen sich zwei Ziegen sehr interessiert an uns. Vorbei an der baufälligen Johanneskapelle, gehen wir nach einem Blick in den Bräuhaushof zum Gasthaus Adler, dem ältesten am Platz, innen urgemütlich und schwäbisch, mit sehr netter Bedienung und hervorragender schwäbischer Küche: Maultaschen aus ganz dünnem, sehr schön angebratenem Teig mit äußerst feiner und geschmackvoller Füllung, dazu der sehr angenehm säuerliche Kartoffelsalat. Die Restaurantleiterin, Verena Branz, liest uns Sprüche von der Wand vor; so kommen wir immer mehr ins Gespräch, und sie versorgt uns mit weiteren Informationen zur Barockstraße und der Umgebung. Auch der Wirt zeigt sich; es klärt sich, warum es heute ab 19:30 so leer wird: Fußball!
Aufgefallen sind uns hier die aufgeschlossenen, sehr auskunftsfreudigen und lustigen Frauen, es fing schon im Bus an, über die Bäckereien, das Rathaus bis in die Gasthöfe.
Und der Gastwirt: seine Schilder lässt er draußen, hier wurde vor 50 Jahren das letzte Mal was entwendet.

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Bericht zu Marlis und Marlishausen

Marlis hat die Europa-Grundschule in Marlishausen an ihrem Geburtstag am 2. Februar so gut gefallen, dass sie Mitglied im Förderverein werden will.
Die Thüringer Allgemeine berichtet heute im Teil Arnstädter Allgemeine darüber:

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Bericht in der HNA zu Fritzlar

Die HNA – Hessische/Niedersächsische Allgemeine hat am 5. Februar in ihrem Teil Fritzlar-Homberg über unseren Besuch am
15. Januar berichtet (zum Lesen Artikel anklicken):

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4. Februar: über Altenmünster zurück

Abfahrt Bad Salzungen, ab Schweinfurt mit Bus ins Dorf Altenmünster/Ortsteil von Stadtlauringen (Ziel: Marianne Schäfer-Engelmann). Sehr schönes Dorf, viele Kontakte, alter Bauernhof. Rückfahrt nach LU.

Heute stehen wir recht früh auf, wir müssen packen und um 9:41 fahren. Ideengeberin Marianne Schäfer-Engelmann, die wir am 18. Januar in Neuwied besucht haben, hat uns einen Ort genannt, in dem ihre Eltern sie am Kriegsende als Kind in Sicherheit gebracht hatten: Altenmünster in Unterfranken, heute Ortsteil von Stadtlauringen. Es liegt etwas abseits und ist schwer zu erreichen, passt aber gut in den Rückweg. Es geht nur mit dem Bus von Schweinfurt aus, und da nur eine sinnvolle Kombination am Tag: 12:24 Ankunft im Nachbarort Ballingshausen und 3 km Fußweg, zurück 17:36 ab Altenmünster. Marianne hat uns einige Hinweise auf den Bauernhof Goch gegeben, in dem sie einige Zeit gewohnt hat, zu den Kindern des Hofes und zu der Umgebung. Zuletzt war sie 1965 dort zu Besuch. Wir sollen für sie erkunden, was aus dem Bauernhof geworden ist und wer dort heute lebt.
Die Detailvorbereitung machen wir im Zug. Marlis hatte schon nach dem Ort recherchiert, da gab es immerhin einen Wikipedia-Eintrag, der uns die Größe von 278 Einwohnern, drei Kirchen, einen Naherholungs-See, einen Pilgerhof und die Bürgermeister bis zur Eingemeindung aufzählt. Ein Zeitungsartikel berichtet, dass Norbert Gock (der Name stimmte nicht ganz!) 2009 91-jährig gestorben ist, und dass er der letzte Bürgermeister war und politisch und in Vereinen sehr viel für den Ort getan hat. Im Internet suchen wir die Seite von Stadtlauringen, finden die Telefonnummer der Stadt, ein paar Sätze zum Ortsteil und den Namen des Mitgliedes im Gemeinderat, der aus Altenmünster kommt. Marlis telefoniert und wird gleich mit Herrn Düring verbunden, der sich bestens in den Ortsteilen auskennt. Er sagt uns, wie wir vom Bus in Ballingshausen den neu gemachten Wanderweg nach Altenmünster finden, so dass wir nicht entlang der Straße laufen müssen. Wir erfahren die richtige Telefonnummer des Gemeinderats Ewald Köttler, unsere Recherche im Telefonbuch hatte nur die des Nebenerwerbshofes ergeben. Und Marlis ruft dort gleich an und erfährt von Frau Köttler, wann ihr Mann zu Hause ist und wer den Hof Gock, der nicht mehr bewirtschaftet wird, verwaltet. Bei Frau Warmuth meldet sich nur der Anrufbeantworter, aber offensichtlich kümmert sich schon das halbe Dorf um unser Anliegen. Wir sind jedenfalls kaum aus dem Bus in Ballingshausen ausgestiegen, kommt ihr Anruf. Natürlich kann Sie uns den Hof zeigen, sie hat dort auch lange gearbeitet, und ist etwa genauso alt wie unsere Ideengeberin Marianne. Wir laufen zur Seestraße und dann den Weg weiter, er ist komplett alsphaltiert und führt leicht bergab nach Altenmünster, das in einem flachen Talkessel liegt, also optimal für unsere Rollkoffer. Schon der Weg ist malerisch: das Dorf kommt uns förmlich entgegen, die Straße läuft neben uns auf dem Kamm, ein Bus fährt quasi im Himmel, die Felder sind in den Vertiefungen schneebedeckt, das Grün schaut raus. Und das Eis von gestern ist weggetaut. Wir erreichen das Dorf und müssen noch ein Hindernis umschiffen: der Weg ist von einem riesigen Reisighaufen versperrt, der beim Zerlegen von gefällten Bäumen am Feuerlöschteich enstanden ist. Wir passieren den Pilgerhof, identifizieren einen aus dessen Scheune herausragenden Anbau mit hohen Fenstern als die Scheunenkirche, von der wir gelesen haben, und finden die Bushaltestelle, auf deren Plan unser Abfahrtsbus verzeichnet ist. Das Schild, das uns Herr Düring zur Lokalisierung des Gock-Hofes benannt hat: “Ellertshäuser See”, finden wir auch noch, da kommt uns Frau Warmuth schon hinter der evangelischen Kirche mit ihrem Elektrofahrrad entgegen. Nach ausführlicher Begrüßung rufen wir sofort die Nichte von Norbert Gock, Heidrun Kranig, an, die die Erbschaftsangelegenheiten regelt und uns gleich viel erzählt – es hätte endlos weitergehen können. Wir dürfen jedenfalls das ganze Haus ansehen, Frau Warmuth beginnt gleich mit der Führung. Norbert Gock war alleinstehend. Er hat den Hof eher nebenbei geführt und hatte dazu einige Mithelfer. Er hat sich intensiv um alle Belange des Dorfes gekümmert: als Bürgermeister, dann als Gemeinderat und zweiter Bürgermeister der Verbandsgemeinde, bei Flurbereinigung, Waldbereinigung, Jagd, Gartenbauverein und Nutzung des Ellertshäuser Sees, der auf der Gemarkung von Altenmünster liegt. Etwa 1990, über 70 Jahre alt, hat er die Bewirtschaftung des Hofes beendet, aber weiter im Haupthaus von 1935 gewohnt und dort kaum etwas verändert. Alles ist aufgeräumt und gepflegt, es könnte ein Haus in einem Freilichtmuseum sein. Es gibt keinen Fernseher, keine Heizung, nur Öfen, und das Klo war noch lange im Hof. Marlis fotografiert wie besessen. Wir erfahren vieles über die Geschwister und den Zusammenhalt in der Familie und legendäre Familienfeste. Es gibt Fotobücher, in denen das Familienleben nachvollziehbar ist, und die von Marianne erwähnte Schwester Delfine öfter zu finden ist. Jetzt suchen die Erben nach einem angemessenen Käufer des Anwesens.
Der ganze Ort macht einen harmonischen, stilvoll-gemütlichen Eindruck. Wir bekommen die kleine katholische Kirche und das Pfarrhaus gezeigt. Der alte Pfarrer ist leider vor einigen Tagen plötzlich verstorben, der jetzige ist für mehrere Gemeinden zuständig und wird das Haus erst nach einer Modernisierung beziehen. Eine für den Ort sehr wichtige Leistung des alten Pfarrers war die Schaffung des Pilgerhofes: in Folge der 1974 erfolgten Seligsprechung des Altenmünsterer Pfarrers Liborius Wagner aus dem 17. Jahrhundert wurde 1981 der seit 30 Jahren unbewirtschaftete Hof, auf dem Frau Warmuth geboren wurde, anlässlich eines Wagner-Jahres von der Diözese zu einer Pilgerstätte und Tagungshaus ausgebaut und die alte Scheune zur Kirche umfunktioniert, indem in die Scheunendurchfahrt ein kleines Hauptschiff eingebaut wurde, ein überaus interessanter Bau. Wir werden dann zum Ellershäuser See gefahren, einem in den 50er Jahren angelegten Stausee, der heute der größte und Unterfranken ist. Er war für die Bewässerung der Felder gedacht, das hat sich aber nie gelohnt, so blieb er für Erholung übrig. Am See gibt es das einzige Lokal des Ortes, ein einfacher, uriger Bau aus den 50er Jahren, der allerdings demnächst ersetzt werden soll. Wir kehren dort kurz ein, wandern in den Ort zurück und holen unser Gepäck. Wir besuchen noch kurz den Gemeinderat Ewald Köttler und erfahren weiteres: der Ort war der erste der Gegend mit Kanalisation und asphaltierten Straßen. Im Dorf arbeiten heute noch alle zusammen, und dafür genügen zwei Vereine: die freiwillige Feuerwehr und der Gartenbauverein, der sich um das ganze Ortsbild kümmert. Konfessionsgrenzen spielen keine Rolle. Und so ist dieses kleine Dorf einer der wenigen Fälle ohne Schrumpfung und mit Kindern: die Nachkommen bleiben hier, und in begrenztem Maße gibt es Zuzug im Neubaugebiet. Schulen gibt es nur in der Umgebung, dafür aber Schulbusse, Läden gibt es keine. Heute gibt es nur noch einzelne Nebenerwerbs-Landwirte, die Felder werden im wesentlichen von größeren Höfen der Umgebung bewirtschaftet. Über die Kriegsereignisse, von denen Marianne noch berichtet hat, lässt sich nichts weiteres in Erfahrung bringen, Zeitzeugen leben nicht mehr.
Wir müssen weg, der Bus um 17:36 kommt tatsächlich ein paar Minuten später fast für uns allein, das verwundert die Einheimischen. Sie hätten uns auch nach Schweinfurt gefahren, aber für uns kommt das natürlich nur in allergrößter Not in Frage. Die Heimfahrt mit der Bahn klappt im wesentlichen planmäßig. Jetzt sind wir voll mit Eindrücken, und stellen nach dieser Reisewoche fest, dass unsere Neugier wohl immer dafür sorgen wird, dass die Tage voll und spannend sind. Zu Lesen brauchen wir uns jedenfalls nichts mitnehmen, und einen Fernseher auf dem Zimmer brauchen wir auch nicht. Die heutige Technik mit Netbook, Smartphone, WLAN, Surfstick, GPS brauchen wir dafür umso mehr. Was wir heute gemacht und erlebt haben, wäre ohne das nicht gegangen. Ganz herzlichen Dank an alle, die uns heute so umfassend, selbstverständlich und begeistert mit Informationen versorgt und betreut haben!

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3. Februar: Wanderung Bad Salzungen

Schnee- und Eis-Wanderung Bad Salzungen – Park und Schloss Altenstein – Bad Liebenstein, Keltenbad Bad Salzungen

Heute ist erstmal Ausschlafen angesagt, solange es das Frühstück erlaubt. Währenddessen schneit es. Heute haben wir uns eine Wanderung vorgenommen, dabei nutzen wir das Angebot des Hotels, uns irgendwo abzuholen. Um 11:30 starten wir. Es schneit nicht mehr, auf den zwei Zentimetern Schnee lässt es sich gut laufen. Erst im Laufe des Weges merken wir, dass es darunter fast überall sehr glatt ist, und wir auf Asphalt und Steinen sehr vorsichtig sein müssen. Den Grund erzählt man uns am Abend: morgens um vier hat es kurz geregnet, bevor es schneite. Das haben wir natürlich nicht mitbekommen. In Ortsnähe begegnet uns ein erhebliches Gewirr von Wanderzeichen, die nur teilweise auf den Wanderkarten und an den dort eingezeichneten Stellen verlaufen. Die örtliche Touristenkarte sieht zwar gut und plastisch aus, ist aber an den entscheidenden Stellen ungenau. Die Zeichen sind nette Holzpfeile, die an wichtigen Stellen fehlen oder in nicht eindeutige Richtungen zeigen. Eine klare Beschriftung auf Bäumen oder Pfosten mit Pfeilen war den Verantwortlichen wohl nicht schick genug. Also gehe ich bald zur bewährten Form der Navigation über: ich nehme die alte Wanderkarte aus der Bad Salzunger Bibliothek, pfeife auf die Wanderzeichen und suche mir eigene Wege raus, die zum angestrebten Ziel am besten passen und interessant aussehen. Dazu brauche ich zwar Uhr und Kompass, und manchmal ist auch was schon zugewachsen, dafür finde ich alles gut. Im Vorort von Bad Salzungen treffen wir auf einen mobilen Bäckereiverkauf; die Fahrerin bemüht sich sehr nett um ihre Kunden, und so erstehen wir außer dem Windbeutel, der mich gereizt hat, noch eine leckere Hartwurst aus dem Eichsfeld, wo wir zu einer wärmeren Jahreszeit noch hinfahren werden. Vom Werratal laufen wir über die gleich als kleine Ruine gebaute Burg Frankenstein, die die Stelle einer wichtigen Burg des Mittelalters markiert, mit guter Fernsicht. Von dort gehts durch den Moorgrund vorbei an einer Agrargenossenschaft, die bestimmt früher eine LPG war. Schön sehen die Felder mit der dünnen Schneeschicht aus, durch die schon das Grün des Wintergetreides schimmert. In Bachläufen glitzern vereiste Äste und Baumwurzeln; wir haben alle Wege für uns allein. Oft haben wir weite Sicht, zumindest soweit, wie es die Bewölkung erlaubt. Orte zum Rasten gibt es nicht, auch Bänke sind bei den Temperaturen nicht gerade einladend; so laufen wir langsam, aber stetig durch schöne freie Landschaften auf den Thüringer Wald zu. Nach vier Stunden erreichen wir Schweina, von dort ist es nur noch ein Kilometer zum Schloss Altenstein inmitten eines großen englischen Landschaftsgartens, an dem Fürst Pückler mitgestaltet hat. Da erscheint auch noch ein Wegweiser zur Teufelsbrücke, die hatte mich insgeheim schon auf der Karte gereizt, und da hält mich nichts mehr, auch nicht der Widerwille von Marlis. Die Brücke ist zwischen zwei sehr spitzen Felsen mit toller Sicht auf das Schloss gebaut, selbst aber etwas enttäuschend kurz. Das Schloss ist ungewöhnlich im Stil englisch-irischer Herrenhäuser, an einem Hang gelegen mit Terrassengarten und tollem Blick. Je näher wir kommen, um so deutlicher sehen wir den nicht besonders guten Erhaltungszustand, der sich im Innern, durch die Fenster sichtbar, fortsetzt. Drumherum gibt es noch einige Wirtschaftsgebäude. Der englische Stil des Parks erschließt sich im Winter mit Schnee nicht so gut. Jetzt wandern wir die letzten drei Kilometer nach Bad Liebenstein, dabei dämmert es schon, und wir erreichen nach über 15 km Wanderung über Schnee und Glätte rechtzeitig das Kurhaus, den vereinbarten Treffpunkt. Der Shuttlebus ist schon da. Der Leiter des Fahrservice, Steffen Volk, der aus Bad Liebenstein stammt, erklärt uns beim Durchfahren ausführlich die Geschichte vieler Häuser und des Kurbetriebes sowie die heutigen Probleme. Offensichtlich wird auch heute noch eher auf Neubauten als auf Sanierung gesetzt, entsprechend wenig attraktiv entwickelt hat sich das Ortsbild entwickelt.
Nach einer Kaffeepause gehen wir direkt ins Keltenbad, dafür haben wir eine Eintrittskarte durch unser Hotel. Marlis ist geschafft, ich dafür unerwartet fit. Der typische Schwimmbadbetrieb ist zwar nicht besonders attraktiv, aber die warme, 1%ige Sole ist viel angenehmer als normales Schwimmbadwasser, dazu ist das Hauptbecken rund, und wenn der Strömungskanal eingeschaltet wird, kann man sich einfach immer rundherum treiben lassen. Was besonderes ist das kleine Becken mit 15%iger Sole, da ist der Auftrieb so stark, dass man von selbst schwimmt, nur das Stehen ist darin etwas schwerer. Und das Wasser ist so salzig, dass man es nicht lange aushält. Wir essen spät und bringen der Bibliothek noch die Karte und die zwei Ortsführer von vor und direkt nach der Wende zurück, die interessante Einblicke in die Umgebung brachten. Jetzt, nach dem Tippen, ist es umgekehrt: Marlis ist fit und ich bin geschafft.

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Bericht in der Thüringer Allgemeinen

Antje Köhler von der Thüringer Allgemeinen hat uns bei unserem Besuch am 2. Februar in Marlishausen getroffen und ein Stück weit begeitet.
Am nächsten Tag war ihr Bericht auf den Arnstädter Seiten zu lesen: (zum Lesen Artikel anklicken)

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