5. März: Stendal

Fahrt nach Stendal, Geburtstagsfeier mit Besichtigung Marienkirche und -Turm

Wir müssen uns etwas beeilen mit Frühstück, Packen und Verabschieden von Annette und schon kurz vor zehn das Haus verlassen. S, RE und IC sind pünktlich, zwei Minuten vor der Zeit sind wir in Stendal. Hier ist es etwas komplizierter: Marlis war hier immer bei der Großmutter in den Ferien und kennt sich aus. Wir müssen uns also über den besten Weg einigen – Erinnerung versus Karte. Eigentlich sind die Wege gleich lang, aber nun mal verschieden. Rechtzeitig vor zwölf beziehen wir das Zimmer im Gasthaus Atrium, wo uns der Reporter der Stendaler Volksstimme interviewt und wir fotografiert werden. Währenddessen kommen unsere Verwandten an, wir treffen uns hier zum 85. Geburtstag von Marlis’ Onkel Klaus Arendt, den wir schon am 13. November in Bad Suderode getroffen haben. Marlis’ Schwester Angelika und Klaus’ Sohn Uli mit seiner Frau sind auch dabei. Nach dem Essen bekommen wir eine Führung in und auf die Marienkirche, die hat der Onkel auf Anregung von Marlis organisiert. Das Wetter, heute morgen kühl, trübe und beim Eintreffen in Stendal mit Nebelnässe, hat passend auf Sonnenschein umgeschaltet. Beinahe wäre der Onkel gar nicht mit auf den Turm gegangen, doch wir können alle überzeugen, langsam mitzugehen. Und es lohnt sich sehr. Unsere kompetente und engagierte Führerin Bärbel Hornemann hat den Glockenverein zur Erhaltung der Backsteingotik-Kirche und der alten Glocken gegründet und ist in der Denkmalpflege tätig. Die Uhren wurden erneuert, alle Glocken wieder gängig gemacht, eine Stube mit alten Glockenklöppeln aller Art eingerichtet und die Turmstuben des Doppelturms für Kleinkunst und Feste eingerichtet. Wir besichtigen auch das Kircheninnere mit über 500 Jahre alter Orgel, den Altar mit doppelten Flügeln und vielen geschnitzten Figuren, sowie den imposanten Dachstuhl über den Gewölben, den der Verein von über einem Meter hohem Staub befreit hat. Klaus, der selbst in einer anderen Kirche, dem Dom, aktiv ist, ist schwer beeindruckt, und: er ist zum ersten Mal in seinem Leben auf diesem Turm, obwohl er sein ganzes Leben in Stendal verbracht hat. Leider geht die Renovierung der Kirche nur ehrenamtlich und langsam voran, da es nach der DDR-Zeit nicht mehr so viele Gläubige in der Stadt gibt, um die vier großen Kirchen regelmäßig zu nutzen. Daher wird die Kirche nicht geheizt und diese Winterführung ist eine – für uns kalte – Ausnahme. Wir können die Besatzung der bekannten Kaffeerösterei Kaffeekult in den Gewölben um die Kirche noch trotz Ende der Öffnungszeit überzeugen, uns eine Runde ihrer heißen Spezialitäten zu servieren. Wir schließen einen kleinen Stadtrundgang an und stellen gegenüber unserem Besuch vor fünf Jahren fest, dass der unsanierte Anteil wieder kleiner geworden ist und nicht mehr besonders auffällt. Die Stadt ist zwar nicht besonders belebt, aber doch recht malerisch. Wieder an der Marienkirche vorbei gehen wir zum Abendessen in die “Grüne Laterne”, eine kleine gemütliche Gaststätte in einem Fachwerkhaus, in der es phantasievolle Altmärker Gerichte gibt. Wir sind alle recht zufrieden. Am späteren Abend lösen wir die Geburtstagsfeier auf. Wir genießen noch unser originelles Hotelzimmer in einem alten Hinterhaus, das aus drei Durchgangsräumen besteht: Schlafzimmer, Küche mit Tisch, großes Bad. Für die Badewanne sind wir nach zwei kürzeren Nächten zu müde und verschieben das auf Morgen; am Sonntag gibt es Frühstück erst um 10:30.

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4. März: Berlin

Berlin Weißensee und Karlshorst (Ziel: Sabrina)

Morgens haben wir zwar keinen Besuch von der Presse, dafür Anfragen: Slowfood will uns im nächsten Heft in die Vorschau setzen und braucht Fotomaterial, das zu Hause liegt. Wir können eine gestern neu aufgenommene Alternative bieten. Auch Kunden haben noch Fragen. Wir frühstücken ausführlich mit Annette und frischen Brötchen in der Sonne in ihrer Küche. Für das heutige Ziel von Sabrina Köhler sortieren wir mehrere Anschriften von Berliner Urlaubsaufenthalten in den 80er Jahren bei Verwandten. Spät, aber gut gestärkt brechen wir auf mit der Tram nach Weißensee. Dort war Sabrina oft bei ihrem Großonkel. Wir finden schnell das Haus. Auf dem Weg sehen wir “Kunsthalle statt Kaufhalle” am Hamburger Platz mit der KHB Weißensee. Gegenüber liegt der Friedhof St. Georgen mit einer alten Mauer. Das Viertel, das zum früheren Osten gehörte, sieht aufgeräumt und gut saniert aus. Das Haus ist Teil einer vierstöckigen Mietshausreihe gegenüber des Friedhofs. Nur: den gesuchten Namen finden wir auf keiner Klingel. Wir machen uns verschiedenste Gedanken, was da passiert sein könnte, schließlich müsste der Großonkel schon Ende 70 sein. Wir besuchen den Friedhof, und schauen auch über die frischen Gräber. Damit kommen wir nicht weiter. Wir erinnern uns an unsere Erfahrungen, einfach mal zu klingeln, die auch in Großstädten erfolgreich waren, also gehen wir die paar Meter zurück und fangen links unten an, und gleich erfolgreich. Ja der Großonkel hat in der gegenüberliegenden Wohnung gewohnt. Vor einem Jahr ist er, nach 50 Jahren und gerade überstandener Sanierung, ausgezogen zu seiner neuen Partnerin. Für genaueres werden wir an eine andere Bewohnerin verwiesen, die schon viel länger im Haus wohnt, die wir leider nicht antreffen. Wir sind auch so schon sehr zufrieden, hat sich die Unklarheit doch – und anders als wir es uns vorstellen konnten – aufgelöst.
Jetzt haben wir noch den Weißensee und den zweiten Großonkel vor uns. In einer “Schwäbischen Bäckerei” nehmen wir einen Imbiss und gehen zur Park-Klinik, wo die Großtante gelernt hat. Die Klinik gibt es noch, das Gebäude allerdings ist ein Neubau von 1997. Direkt der Klinik gegenüber auf dem Weg zum See treffen wir auf eine Überraschung: die imposante Backstein-Siedlung an der Paul-Oestreich-Straße, Gründerzeit-Architektur im Weißenseer Munizipialviertel von Carl James Bühring, die unter Denkmalschutz steht, und dahinter das Standesamt. Wir treffen von hinten auf den Weißensee: die Abendsonne scheint auf das Strandcafé am gegenüberliegenden Ostufer mit dem alten wellenförmigen Schriftzug “WEISSENSEE”, davor die zugefrorene Wasserfläche mit Schlittschuhläufern. Von der anderen Seite fällt der Blick zurück auf das “Milchhäuschen” am Westufer. Mit der Tram fahren wir zum S-Bahnhof Warschauer Str. durch den sehr belebten alten Kern von Friedrichshain, wahrscheinlich das Szeneviertel, von dem man schon gehört hat. Mit der S-Bahn geht es nach Karlshorst, schon nahe am Ostrand Berlins, wo der andere Großonkel wohnt. Marlis hat ihn telefonisch erreicht und auch die zwei Anschriften erfahren, die während der Ferienbesuche von Sabrina galten. Wir erreichen das Viertel bei rotem Sonnenuntergang und beeilen uns, noch was zu sehen. In den kleinen Straßen entlang der Bahn stehen repräsentative, freistehende Gründerzeithäuser, fast alle gut renoviert, manche sogar villenartig. Hinter diesem 100 m breiten Gebiet geht die Bebauung in meist vierstöckige, sanierte Mietshäuser über. Hier, in der Ria- und der Ilsestraße, müsste Sabrina bei ihrem Großonkel gewesen sein. Heute wohnt er direkt daneben in der Marksburgstraße. Das Viertel sieht ruhig und intakt aus, es gibt alle Läden des täglichen Bedarfs. Auf dem Rückweg gönnen wir uns noch in der Happy Hour einen Cocktail in der Bar Havanna am S-Bahnhof, die auch eine ansprechende, preiswerte karibische Speisekarte bei freundlicher Bedienung hat. Wir haben uns jedoch schon was anderes ausgedacht: Das Slowfood-Convivium Berlin hält seinen monatlichen Stammtisch im Café Fantone in Charlottenburg ab. Das hört sich nach unaufgeregtem, einfach gutem und preiswerten Italiener an. Das prüfen wir persönlich, es stimmt. In dem kleinen Café mit knapp 30 Plätzen werden wir sehr zuvorkommend begrüßt und sehr kompetent in die Wein- und Speisen-Auswahl eingewiesen. Gemüsesuppe, gegrillte Calamaretti, Fussilini mit Pesto, gegrillte Sardinen – alles sehr frisch und auf den Punkt mit bestem Öl zubereitet, sehr lecker. Obwohl wir sehr satt sind, werden wir verleitet, das Tiramisu wenigstens zu probieren: fantastisch saftig, wunderbar durchgezogen, zergeht auf der Zunge. Dazu noch hochwertige, selbst ausgewählte und direkt importierte offene Weine in DOC-Qualität, also wirklich exklusiv. Wir sind sehr angetan und gratulieren dem Convivium zu seinem Standort. Zufrieden und mit Lob an den Gastgeber beenden wir den Tag mit einer weiteren problemlosen, durchaus flotten Fahrt mit der Berliner S-Bahn zurück nach Pankow, die so lange dauert wie die S-Bahn von Mannheim nach Neustadt, so groß ist Berlin.

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3. März: Prenzlau

Prenzlau (Ziel: Peter Gottschling) Vorstadt, Stadtarchiv

Die Sonne begrüßt uns beim Aufwachen, die Autos draußen sind dick mit Rauhreif bedeckt. Es bleibt den ganzen Tag wolkenlos. Gleich beim Frühstück treffen wir die Reporterin vom Nordkurier, die uns intensiv ausfragt. Wir folgen ihr ins Stadtarchiv, wo sie uns bei der Recherche fotografiert. Unser Ideengeber, Peter Gottschling, hat als Kind von 1939 bis März 1945 am Vorstadtbahnhof in einem für Offiziere gebauten Haus gewohnt, sein Vater war Oberstabsarzt. Wir schauen nach dem Haus, das er nur einmal, kurz nach der Wende, in schlechtem Zustand gesehen hat. Das Archiv hat uns gesagt, dass die Straße jetzt “Am Vorstadtbahnhof” heißt, und uns die Bauunterlagen herausgelegt. Wir durchblättern den gesamten Schriftverkehr vom Bauauftrag der Wehrmacht an den Maurermeister und Architekten Rudolf Weiß als Bauträger, Kauf, Baupreise, Finanzierung, Mietkalkulation. Das Haus wurde noch vor Kriegsbeginn fertiggestellt. Im letzten Adreßbuch der Stadt von 1938 ist Herr Weiß als Eigentümer der Mackensenstr. 1 verzeichnet, der Vater unseres Ideengebers ist aber noch nicht in der Auflistung. Es gibt weiteren Schriftverkehr über das Bauvorhaben eines zweiten Hauses nach demselben Plan, das sich aber immer weiter verzögerte wegen Materialmangels am Kriegsbeginn, und nach den vorhandenen Unterlagen sieht es so aus, als wäre es nicht mehr gebaut worden. Jetzt erst kommen wir dazu, im Hotel einzupacken. Die Tourist-Info ist gleich gegenüber, mit voller Sicht auf die imposante Ostfassade der Marienkirche. Das war nicht immer so. Bis zu den Bränden am Kriegsende war der Platz davor dicht bebaut, dann nochmal seit der 750-Jahr-Feier 1984, was in den 90ern wieder abgerissen wurde. Jetzt ist wieder eine Teilbebauung bis zur Landesgartenschau 2013 geplant. Wir finden eine geeignete Uckermark-Landkarte, die auch für unsere weiteren Ziele Joachimsthal und Poratz geeignet ist, und noch einige historische Bilder und umfassende Infos über Wandern und Radfahren. Wir laufen am Mitteltor vorbei durch Wohnsiedlungen, danach nur noch lockere, meist gewerbliche Bebauung mit teilweise einzelnen alten Häusern. Inzwischen wissen wir auch, dass die 85% Zerstörung der Innenstadt nicht durch Luftangriffe, sondern durch Brände am 24. April 1945 entstanden sind. Brandstiftung ist wohl sicher, aber ob es die Wehrmacht beim Rückzug war, ist nicht geklärt. Unser Ideengeber hat davon nichts mehr mitbekommen. Wir nehmen einen Nebenweg über altes Pflaster und durch den Uferwald des Strom – so heißt der größere Bach, Nebenfluss der Ucker, der auch hinter dem Offiziershaus fließt. Er ist über weite Strecken eisbedeckt. Wir erreichen die Vorstadt und erkennen das Haus, ein schlichtes zweistöckiges Gebäude, das jetzt komplett saniert und voll bewohnt ist. Zunächst erkunden wir die Umgebung. Gleich dahinter läuft die stillgelegte Bahnstrecke Prenzlau-Templin, die alte Bahnhofs-Aufschrift “Prenzlau Vorstadt” ist an einem Gebäude zu erkennen. Davor steht das alte Häuschen der “Vorstadt-Wage” mit großer, holzbeplankter Wiegeplatte. Zuletzt entschließen wir uns zu klingeln und sprechen eine Hausbewohnerin mit ihrer acht Monate alten Tochter, die leider erst seit zwei Jahren dort wohnt und nichts zur Geschichte weiß. Die Nachbarn, die seit 50 Jahren dort wohnen, sind momentan nicht zu Hause. Wir ziehen weiter zu den naheliegenden Schulen. Auf dem Weg sehen wir mehrere Trafohäuschen, die von einer Künstleragentur für die Stadtwerke mit kreativen Prenzlauer Motiven bemalt sind. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Schulgebäude früher Kasernen waren. Im Vergleich zum Stadtplan stehen weniger Gebäude; offensichtlich sind bei der Umnutzung und Sanierung Gebäude abgerissen worden. Von dieser Siedlung führt ein schöner Fußweg durch die Felder direkt zum See. Hier gibt es einige schöne klassizistische Gebäude. Der Blick von der Uferpromenade über den großen Unteruckersee ist wirklich schön. Die ganze Uckermark ist voll mit kleineren Seen, die durchaus 50 m tief sein können. Die Landschaft ist leicht hügelig, im Süden von Prenzlau gehen wir sogar durch die Bergstraße, gesäumt mit schöner Gründerzeitbebauung, hinauf zum Friedhof, und rückblickend schaut man direkt von oben auf den See. Ab April fährt wieder regelmäßig das Ausflugsschiff. Jetzt ist der See mit bis zu 15cm starkem Eis zugefroren, es gibt sogar Schlittschuhläufer. Die Enten und Schwäne sonnen sich auf dem Eis, watscheln leicht rutschend darauf herum und landen schlitternd auf dem Eis. Nach einer Kaffee-Einkehr gehen wir ins Museum im Dominikanerkloster, es reicht vor Schließung leider nur noch für einen kurzen Blick in die schlichte weiße Klosterkirche, einem gotischen Backsteinbau mit einem imposanten dreistöckigen Altarbild von 1509. Wir sehen den von einer schon im 17. Jahrhundert baufälligen Kirche übriggebliebenen wuchtigen Nikolaiturm, kaufen im Regionalladen Uckerkaas und fahren in der Dämmerung im gut gefüllten Zug nach Berlin. Es ist jetzt wieder empfindlich kalt. Tagsüber war es sehr angenehm, die Sonne heizte etwas, die Handschuhe waren endlich mal ein paar Stunden unnötig.

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2. März: nach Prenzlau

750 km reibungslose Bahnfahrt im Sonnenschein, erster Eindruck von Prenzlau

Wir starten bei traumhaftem Vorfrühlingswetter, viel wärmender Sonne. Passend dazu sind heute alle unsere Züge pünktlich, alles klappt auf dieser 750km-Fahrt wie von selbst. Es macht wirklich Freude, aus dem Fenster zu sehen. Richtung Berlin tauchen sogar noch gefrorene Pfützen und Schnee- und Eisreste auf. Der Berliner Hauptbahnhof zeigt ein ganz anderes, viel freundlicheres Gesicht als im Dezember, bei Schnee, Eis und Minustemperaturen. Wir können in Ruhe lesen und die bevorstehende längere Reise mit einigen Stationen vorbereiten. In vollen Regionalzug nach Stralsund finden wir im Berufsverkehr sogar noch einen angenehmen Platz mit Aussicht, oben im Doppelstockwagen. Mit dem Sonnenuntergang kommen wir in Prenzlau an. Wir begegnen in der Bahnhofsgegend etwas außerhalb der Innenstadt eine Tristesse, die wir in Kleinstädten – siehe Wabern, Fritzlar, Arnsberg, Arnstadt – schon öfter getroffen haben: etliche Geschäfte stehen leer, einzelne Gebäude verfallen. Die Zeiten wandeln sich, alte Strukturen werden so nicht mehr gebraucht. Das gilt ja auch für viele Bahnhofsgebäude: hier in Prenzlau sieht es noch gut aus, aber Bahnhofszwecken dient gerade noch der Durchgang: Automaten, Informationstafeln, ein paar Bänke, vielleicht noch eine Bäckerei und ein Zeitschriftenkiosk. Der Rest des Gebäudes ist Spielothek und Vereinslokal, immerhin: genutzt.
Prenzlau insgesamt macht einen ganz ausgefallenen Eindruck: sehr breite Straßen, viele Nachkriegs-Wohnblocks und Plattenbauten. Dazwischen einige sehr wuchtige und imposante Exemplare der norddeutschen Backsteingotik aus dem 13. bis 15. Jahrhundert: Stadtmauer, Stadttürme, Kirchen, Kloster. Sicher spielen dabei mehrere Einflüsse mit: In den letzten Kriegsmonaten wurde das Zentrum zu 85% zerstört, in der DDR ging es mehr um Wohnraum als um Rekonstruktion, in vielen Städten blieben Brachflächen übrig. Und seit der Wende schrumpfen die Städte, der bauliche Zustand verbessert sich deutlich, aber die spezielle Mischung bleibt.
Das Hotel ist ein großzügiger, geräumiger Bau, der wohl schon älter ist, in der DDR-Zeit zum Hotel, dem ersten am Platz, wurde. Es trägt vier Sterne, aber hier bewegt sich natürlich nicht soviel wie in einer Großstadt im Westen, entsprechend macht alles einen weniger professionellen Eindruck. Wie essen im Hotel-Restaurant, weil die Lokale auf dem Weg zwar preiswerte, aber sehr einfache Gerichte und Kost von Stange bieten. Damit sind wir ganz zufrieden, immerhin gibt es als Spezialität Gerichte mit Schwarzwurzeln, meinem Lieblingsgemüse.
Bei einem nächtlichen Rundgang nach dem Essen unter Sternenhimmel bestätigt sich der beschriebene Eindruck; mit dem Dominikanerkloster, der Nikolaikirche und der Uferpromenade des Unterucker-Sees zeigen noch schöne Stellen, die wir bei Tageslicht genauer ansehen müssen.

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25. Februar: Wallefeld und zurück

Wallefeld und Wanderung nach Ründeroth, Rückfahrt nach LU mit Stopp in Köln

Beim Frühstück erzählen wir mit unser Gastgeberin. Im Hotel steigen viele Wanderer ab, deshalb bietet sie uns auch an, Brote zum Mitnehmen zu schmieren und uns nachmittags nochmal zu duschen und umzuziehen. Aber auch Holländer, die in die nächsten deutschen Berge fahren wollen, kommen. Wir stellen die Koffer unter und gehen an der Agger entlang in die Ortsmitte und fahren mit dem Bus nach Wallefeld. Am Ortseingang steigen wir aus und laufen nochmals durch den Ort, heute schnee- und regenfrei, aber noch trübe bewölkt. Wir finden viele schöne freistehende Fachwerkhäuser, typisch für die Gegend mit Natursteinkeller, schiefergedeckt und oft mit schieferverkleideter Wetterseite. Dann besuchen wir die Metzgerei Kleinjung. Der Metzger selber steht auch hinter der Theke, erkennt uns als Fremde und kümmert sich gleich sehr aufmerksam um uns. Schnell erkennen wir den gemeinsamen Nenner, wir von Slowfood und er als Vorsitzender von BergischPur, einer Erzeugergemeinschaft der Region, die er begeistert vertritt. Sie haben eigene Grundsätze, die überprüft werden, und lassen nur lokales, selbsterzeugtes Futter zu. Entsprechend weiß er von allem, woher es kommt. Seine Spezialität sind Rindfleischprodukte. Alle Wurst stellt er komplett selbst her. Er will keine Filialen, damit er weiter Metzger bleiben kann und nicht zum Büromensch wird, dafür kommen seine Kunden aus dem ganzen Kreis und auch aus Köln. Er lädt uns gleich zu belegten Brötchen und BergischPur-Apfelsaft ein. Dann erläutert er uns alle seine Produkte, wir probieren und packen ein, was der Wanderrucksack und -Rücken hergibt. Vor lauter Begeisterung vergessen alle das Bezahlen. Wir merken das noch, bevor wir den Ort verlassen, und holen es nach. Wir folgen der Biobadstraße hinauf auf die umgebenden Höhen, durch die Neubausiedlung, vorbei an den üblichen diversen architektonischen Geschmacklosigkeiten.
Den Wegeverlauf haben wir uns aus den verschiedenen Wanderzetteln und -Tafeln zusammengestellt. Wir haben von den Hügelrücken meist sehr schöne Sicht auf die kleinen Dörfer, und Remerschied durchqueren wir. Alles ist hier sehr hügelig, auch die Bebauung in den Dörfern. In den Senken und durch die Orte fließen kleine, rauschende Bäche. Überall sind Haselnusssträucher mit langen, ausgeblühten Rispen zu sehen, die persönlichen Pollenfeinde von Marlis, denen sie dieses Jahr aufgrund der Hyposensibilisierung glücklicherweise wieder auf Augenhöhe begegnen kann. Wir steigen dann steil in Serpentinen ins Aggertal ab und finden den Wanderparkplatz in Ortsmitte mit einem großen Zelt zugestellt, vor dem gerade mit lautem Hupen die zwei bunt beschrifteten Autos des Karnevals-Prinzenpaars Bianca und Volker I. anhalten. Morgen abend steigt die erste Sitzung. In einem Bäckerei-Café machen wir preiswert Pause, dann zieht Marlis im Modeladen noch eine Schaufensterpuppe aus, weil sie ein schönes Hemd für mich entdeckt hat. Jetzt gehts zum Zwischenstopp nach Köln, dort haben wir uns auf Empfehlung das Brauhaus “Schreckenskammer” vorgenommen, bevor es mit einem der letzten ICE’s zurück nach Ludwigshafen geht. Das Bier in der Schreckenskammer läuft zu gut, wir brechen vorsichtshalber ab, zumal es den selbstverständlich erwarteten Grünkohl nicht gegeben hat. Im Brauhaus und auf der Straße sind Karnevalsspuren unübersehbar. Die Bahn gönnt uns 20 Minuten Zeitschriften-Sichtung im Bahnhof, nachdem der im Lokal noch pünktlich angezeigte Zug jetzt 25 Minuten Verspätung hat. Auf dem Bahnsteig stellt sich heraus, dass nur die eine Hälfte weiterfährt – die andere hat wohl ein Problem – und demzufolge wieder Stehen angesagt wäre. Ich erinnere mich an die Verbindungsauskunft, und tatsächlich: drei Minuten später fährt ein genauso schneller, allerdings mit Umsteigen in Frankfurt Flughafen. In dem sitzen wir gut, dafür hat er kein Wlan, die Veröffentlichung dieses Textes muss also bis zu unserer Ankunft in Ludwigshafen warten.

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24. Februar: nach Ründeroth und Wallefeld

Fahrt nach Ründeroth im Oberbergischen Land, Wanderung nach Wallefeld
(Ziel: Richard)

Die Fahrt nach Ründeroth klappt in der Summe gut und pünktlich, aber nicht ohne Überraschungen.
Der ICE in Mannheim ist pünktlich da und auch als kurzer Zug geplant, nur: der Bahnsteig ist rappelvoll. Als wir schon im Zug sind, wird uns klar, warum: wir hören und sehen von dem langen ICE von vor einer Stunde, der soeben auf dem gegenüberliegenden Gleis einfährt. Da wir in Köln etwas Luft haben, wechseln wir noch schnell den Zug, sonst hätten wir stehen dürfen. In Köln wird es auch etwas später, die Regionalbahn kommt erst hinter vier verspäteten S-Bahnen dran. Kurz vor Zwei die Durchsage: “Nächste Station Hoffnungsthal”. Am alten Bahnhofsgebäude sind die ebenso alten Buchstaben des Namens entfernt worden, ihr schmutziger Schatten an der Wand zeugt davon, dass ein Bahnhofsgebäude nicht mehr gebraucht wird. Am Ziel sind von den Verspätungen nur noch fünf Minuten übrig, dafür haben wir Erstattungsformulare, auf denen über eine Stunde bestätigt ist.
Auf der Strecke schneit es etwas, es sieht oft auch leicht weiß aus. Im Tal der Agger Richtung Gummersbach regnet es sanft. Die Orte sind etwas eingezwängt im Tal zwischen den zwar nicht hohen, aber recht steilen Hängen des Oberbergischen Landes. Eine ganze Reihe kleiner Swimmingpools in den Gärten geraten ins Blickfeld: ein Nachbar schaut es dem anderen ab, genauso wie die Solaranlagen auf den Dächern an einem Stück und dann wieder überhaupt nicht mehr.
Durch den recht hübschen Ort Ründeroth gehen wir zu unserem Hotel am Hang mit Panoramablick. Der Tourismus ist hier schon lange vorbei, das Hotel kündet von früheren, besseren Zeiten, es ist zwar sehr gepflegt, aber in vielem doch recht altmodisch. Wir machen uns sofort auf den Weg zum Ziel unseres Ideengebers Richard, ins kleine Dörfchen Wallefeld. Im Ort haben wir schon alle Tafeln mit Ortsplänen und Wanderkarten fotografiert, im Hotel bekommen wir auch noch eine Karte. Weitere Tipps und Kontaktadressen hat Marlis bei der Vorbereitung von Uwe Kassel, einem waschechten Wallefelder, bei der Stadtverwaltung Engelskirchen erhalten. So gerüstet steigen wir den ersten Hang hoch zum Haldyturm, 1903 von Bürgern zu Ehren ihres Landrates erbaut, mit weiter, aber heute nebliger Aussicht auf den Ort und entlang des Aggertales. Hier, 100 m höher, liegt eine geschlossene, wenn auch sehr nasse Schneedecke. So sehen wir Wallefeld in leichtem Weiß, ähnlich wie auf dem alten Foto, das Richard uns mitgegeben hat. Das Haus, das damals die Pension Waldfrieden war, können wir nach den telefonischen Erkundungen am Ortseingang sogar von hinten identifizieren, auch wenn auf dem Keller mittlerweile ein neueres Gebäude steht. Wir gehen am Walbach entlang in die Ortsmitte und von dort die enge Straße zurück zum Haus. Schon beim Fotografieren werden wir vom Nebenhaus begrüßt, dort sind wir mit Heinz-Gerd Krüger, dem Sohn der damaligen Pensionsbetreiber, und seiner Frau verabredet. Richard war hier oft mit seinen Eltern als Kind in Ferien. Die Schwester von Herrn Krüger und auch er selbst haben mit ihm am Bach hinter dem Haus gespielt – sie haben Wassermühlen aus alten Kondensmilchdosen gebaut. Die Kinder gaben sich damals so kreative Kosenamen wie “Püppi” und “Serafim”. Wir schauen zusammen durch alte Fotoalben und -kisten. Auch eine Prospekt-Kopie des Biobades, sozusagen eine frühe Wellnessanlage mit einem kleinen Kurhaus mit Speisesaal, Wannen für Moorbäder im Freien und Gästehäusern im Wald taucht auf. In den 50er Jahren sind die Kölner hierher gefahren. Heute zeugt nur noch der Name “Biobadstraße” davon. Mittlerweile wird es dunkel, wir fahren mit dem nächsten Bus zurück. Auf dem Weg zur Haltestelle kommen wir an dem klassischen Freibad vorbei, gemauert, vom Dorfbach gespeist und von örtlichen Vereinen betrieben, bestimmt so kalt wie in den 60er Jahren. In Ründeroth gehen wir in den “Baumhof”, ein Traditionshaus am Ort, schon früher Gasthaus an Handelswegen, das 1908 durch den jetzigen sehr schönen “Neu”bau ersetzt wurde. Familien-Generationen haben es bis 1995 bewirtschaftet. Davon zeugt noch ein riesiger gusseiserner Herd von Küppersbusch, den es so nur noch auf Schloss Neuschwanstein geben soll, und der heute dekorativ im Eingangsbereich steht. Nach mehreren wenig erfolgreichen Betreibern hat der Baumhof seinen alten Namen wieder und wurde sehr zurückhaltend und geschmackvoll modernisiert. Die Speisekarte ist etwas gehoben, aber bezahlbar. Wir essen Gebratene Blutwurst auf Reibekuchen mit Honig, hausgemachte Wildschweinbratwürste mit Bratkartoffeln, ganz frischen Wolfsbarsch mit Spaghettini und Creme Bruleé mit Ingwer-Orange. Alles vorzüglich gekocht und präsentiert von dem jungen Inhaber und einer sehr aufmerksamen jungen Restaurantfachfrau, die gern auf dem Land lebt. Sie verrät uns die Abkürzungen der hier beliebten Speisen: Schnipo=Schnitzel mit Pommes und Katsu=Kartoffelsuppe und versorgt uns mit vielen Informationen, so einem Facsimile-Nachdruck eines Wanderführers, den der Baumhof anlässlich der Einweihung des Neubaus 1908 herausgegeben hat. “Seit Eröffnung der Aggertalbahn fahren keine Kutschen mehr, die Landstraße ist etwas verwaist. Mehr Leben könnte durch die neuen Automobile kommen.” Heute verläuft die Bundesstraße 55 durch die Orte und das enge Tal.

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Bericht in der Südthüringer Zeitung

Die Südthüringer Zeitung hat heute im Bad Salzunger Teil einen Bericht über unseren Besuch in Bad Salzungen vom 31. Januar bis 4. Februar veröffentlicht: (zum Lesen bitte anklicken, dann zurück)

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Bericht zum Besuch in Hohenpeißenberg

Aus unserem Gespräch mit der Presse am 14. Februar in Hohenpeißenberg ist ein ausführlicher Bericht auf der Peissenberg-Seite der Schongauer Nachrichten und des Weilheimer Tagblatts am 19. Februar geworden. (Zum Lesen anklicken, danach zurück)

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Bericht im (k)KulturMagazin Kassel

Das (k)KulturMagazin aus Kassel hat in seiner März-Ausgabe einen doppelseitigen Bericht über unseren Besuch am 15. und 16. Januar in Fritzlar gebracht und dabei ausführlich aus unserem Blog zitiert. (Zum Lesen klicken, dann zurück)

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14. Februar: Hohenpeißenberg und zurück

Hohenpeißenberg: Wanderung auf den Berg mit Ausblick, Rückfahrt nach LU

Direkt nach dem Frühstück besucht uns Bernhard Jepsen, der für das Weilheimer Tagblatt schreibt. Wir unterhalten uns ausführlich und angenehm. Unser Foto gefällt ihm so gut, dass er nicht mit uns auf den Berg fährt. Wir sind gespannt, was er aus den Informationen für den Hohenpeißenberger Lokalteil zusammenstellt. Marlis lässt den Redakteur nicht weg, ohne ihn zu interviewen: da er aus Peißenberg ist, gibts viele Infos, und die in Bayrisch. Schließlich sind wir ja in Oberbayern, besser noch: im Pfaffenwinkel. Auch Esther Gebhard, die Chefin der Villa Musica, muss auch Rede und Antwort stehen. Heute scheint die Sonne, es ist fast frühlingshaft. Wir laufen über Wiesen, Feldwege und den König-Ludwig-Weg zu Johannes Elternhaus im Ortsteil Klausen. Wir sehen das alte, aber mehrfach umgebaute und erweiterte Haus nur von außen, es ist niemand zu Hause. Im Garten ist ein ganzes Feld blühender Schneeglöckchen. Ein paar Häuser dahinter steigt die Wiese schon steil an. Wir überqueren sie; am Waldrand sehen wir einen zinnengekrönten, vermauerten Eingang von 1907. Wir vermuten: Stolleneingang, es ist aber ein Wasserbehälter. Da läuft auch ein Weg vorbei hoch in den Wald; der dürfte auf den Hettenweg führen, den dritten Fußweg von Nordwesten nach oben. Wir folgen dem Weg meistens, aber wo uns die Bogen zu weit sind, gehen wir die Direttissima nach oben auf weichem Waldboden unter Fichten und Buchen. Auf der Nordseite unterhalb der Bergspitze treffen wir doch noch auf etwas Schnee, Eis und gefrorenen Boden. Oben, auf der Sonnenseite vor den weißen Gebäuden, können wir uns dann fast ohne Jacke sonnen. An den Bäumen gibt es Weidenkätzchen. Ich erforsche kurz den Info-Pavillon des Deutschen Wetterdienstes. Besonders interessant finde ich die Kurven von 10-Jahres-Temperatur-Durchschnitten. Tatsächlich hat der Zeitraum 1991-2000 schon alle früheren Spitzen überrundet, mit weiter steigender Tendenz. Die Wallfahrtskirche mit ihren üppigen barocken Altären und der geschnitzen Naturholz-Empore strahlt heute in der Sonne viel mehr als gestern. Die Sicht ist besser, die vorgelagerte Alpenreihe mit 2000ern von Heimgarten bis Kreuzspitze und Hochplatte ist zu erkennen, die Zugspitze dahinter leider nicht.
Wir kehren diesmal mittags ein, abends ist ja Zugfahrt angesagt. Auf der Terrasse gibt es Weißwürste und Leberkäs. Eine Besichtigung des ungenutzten alten Schulhauses wäre sogar möglich, wenn der Senior-Chef des Gasthofes nicht gerade heute zu einer Beerdigung gefahren wäre. So lassen wir uns Zeit und schauen auf dem Rückweg in die Ortskirche von 1960. Wir holen das Gepäck und starten um 16:17 Uhr die Rückfahrt von Hohenpeißenberg via Weilheim und München-Pasing. Im ICE kommentiert der Zugbegleiter die Bahncard 100 mit den Worten “passt immer”.

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