2. März: nach Prenzlau

750 km reibungslose Bahnfahrt im Sonnenschein, erster Eindruck von Prenzlau

Wir starten bei traumhaftem Vorfrühlingswetter, viel wärmender Sonne. Passend dazu sind heute alle unsere Züge pünktlich, alles klappt auf dieser 750km-Fahrt wie von selbst. Es macht wirklich Freude, aus dem Fenster zu sehen. Richtung Berlin tauchen sogar noch gefrorene Pfützen und Schnee- und Eisreste auf. Der Berliner Hauptbahnhof zeigt ein ganz anderes, viel freundlicheres Gesicht als im Dezember, bei Schnee, Eis und Minustemperaturen. Wir können in Ruhe lesen und die bevorstehende längere Reise mit einigen Stationen vorbereiten. In vollen Regionalzug nach Stralsund finden wir im Berufsverkehr sogar noch einen angenehmen Platz mit Aussicht, oben im Doppelstockwagen. Mit dem Sonnenuntergang kommen wir in Prenzlau an. Wir begegnen in der Bahnhofsgegend etwas außerhalb der Innenstadt eine Tristesse, die wir in Kleinstädten – siehe Wabern, Fritzlar, Arnsberg, Arnstadt – schon öfter getroffen haben: etliche Geschäfte stehen leer, einzelne Gebäude verfallen. Die Zeiten wandeln sich, alte Strukturen werden so nicht mehr gebraucht. Das gilt ja auch für viele Bahnhofsgebäude: hier in Prenzlau sieht es noch gut aus, aber Bahnhofszwecken dient gerade noch der Durchgang: Automaten, Informationstafeln, ein paar Bänke, vielleicht noch eine Bäckerei und ein Zeitschriftenkiosk. Der Rest des Gebäudes ist Spielothek und Vereinslokal, immerhin: genutzt.
Prenzlau insgesamt macht einen ganz ausgefallenen Eindruck: sehr breite Straßen, viele Nachkriegs-Wohnblocks und Plattenbauten. Dazwischen einige sehr wuchtige und imposante Exemplare der norddeutschen Backsteingotik aus dem 13. bis 15. Jahrhundert: Stadtmauer, Stadttürme, Kirchen, Kloster. Sicher spielen dabei mehrere Einflüsse mit: In den letzten Kriegsmonaten wurde das Zentrum zu 85% zerstört, in der DDR ging es mehr um Wohnraum als um Rekonstruktion, in vielen Städten blieben Brachflächen übrig. Und seit der Wende schrumpfen die Städte, der bauliche Zustand verbessert sich deutlich, aber die spezielle Mischung bleibt.
Das Hotel ist ein großzügiger, geräumiger Bau, der wohl schon älter ist, in der DDR-Zeit zum Hotel, dem ersten am Platz, wurde. Es trägt vier Sterne, aber hier bewegt sich natürlich nicht soviel wie in einer Großstadt im Westen, entsprechend macht alles einen weniger professionellen Eindruck. Wie essen im Hotel-Restaurant, weil die Lokale auf dem Weg zwar preiswerte, aber sehr einfache Gerichte und Kost von Stange bieten. Damit sind wir ganz zufrieden, immerhin gibt es als Spezialität Gerichte mit Schwarzwurzeln, meinem Lieblingsgemüse.
Bei einem nächtlichen Rundgang nach dem Essen unter Sternenhimmel bestätigt sich der beschriebene Eindruck; mit dem Dominikanerkloster, der Nikolaikirche und der Uferpromenade des Unterucker-Sees zeigen noch schöne Stellen, die wir bei Tageslicht genauer ansehen müssen.

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2 Antworten auf 2. März: nach Prenzlau

  1. Joachim Krueger sagt:

    Im Grundsatz haben wir beide recht.
    Für Großstadtbahnhöfe gilt Deine Ansicht sicher, da starten viele Pendler oder kommen an, die bis zum Bahnhof nicht mal ein Auto benutzen, sicher mehr als die durchschnittlich 10% Strecken, die mit der Bahn gefahren werden. Und da sind dann auch Pendler mit Kaufkraft dabei, wie Du und ich, Frankfurter Banker usw. Solche Bahnhöfe werden ja auch entsprechend ausgebaut, siehe Frankfurt, Mannheim, München, Stuttgart, Köln … In den Großstädten gibts auch viel mehr Einwohner ohne Auto.
    Ich meine hier die mittleren oder kleinen Bahnhöfe, RE oder RB im Stundentakt, vielleicht zwei direkte Umsteigemöglichkeiten, fast nur Pendler, wenig Fernreisende.
    Und: die meisten Pendler in diesen Orten sind Schüler und Jugendliche, die brauchen höchstens eine Bäckerei. Andere Pendler machen Park+Ride, die stellen hier ihr Auto ab, kaufen woanders oder am Zielort in der Großstadt oder am Großstadtbahnhof ein.
    Und, was auch noch weggefallen ist: früher mal ging der ganze Schwergut- und Expressgut-Transport über die Bahn und natürlich die Bahnhöfe.
    Ich kenne da noch mehr Beispiele: Oberursel, Fritzlar, Arnsberg, sogar Ludwigshafen.
    Ausnahmen sind nur solche Bahnhöfe, die quasi in oder direkt an einer auch sonst funktionierenden Innenstadt liegen, dann können sie natürlich im Mittelpunkt sein, aber sie haben nicht mehr von sich aus die Bedeutung, Mittelpunkt zu werden.

  2. Gabriele Heck sagt:

    Wieso denkt Ihr, “… alte Strukturen werden so nicht mehr gebraucht”?
    Was wären das denn für neue Strukturen, die man braucht?
    Ich verstehe auch nicht, warum Bahnhofsgegenden teilweise veröden und verkommen, so dass “Tristesse” einkehrt. Das passt nicht. Oder ist das eine die Folge des anderen und man mag sich wie bei der Henne-und-Ei-Frage darum streiten, wie es begann?

    BAHNHOF! Das ist doch ein Verkehrsknoten, egal wie klein. Bahnhöfe werden so lange “bewirtschaftet” wie Menschen, die in Zügen fahren, dort ein- und aussteigen wollen; oder etwa nicht? Am Bahnhof kommen zwangsläufig mehr Leute vorbei als anderswo.

    Ist es nicht ein Vorteil, in der Nähe eines Bahnhofs zu sein?
    Damit wird überall geworben: Gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel!
    Ich freue mich, zu Fuß zum Bahnhof gehen zu können, auch wenn es stramme 20 Minuten Fußmarsch sind. Ich finde es praktisch, dass ich aus dem Zug in die U-Bahn springen kann, die direkt vor meinem Arbeitgeber hält. Gehe ich mit Kollegen abends weg, ist es für alle ein wichtiges Kriterium, wie weit es zum Bahnhof ist. Fahre ich mitunter abends mit dem Zug nach Hause, überlege ich schon, welches Heft ich vor dem Einsteigen im Zeitschriftenladen kaufen könnte (natürlich nicht ohne vorher noch zu stöbern). Was habe ich schon Geschenke und Mitbringsel spontan oder geplant am Bahnhof besorgt. Was bin ich froh, dass die Apotheke am Bahnhof so lange geöffnet hat. Gelegentlich gibt es auch Handwerkerstände in der Bahnhofshalle, an denen ich gerne Halt mache …

    Also, irgendetwas stimmt da nicht: Der Logik zufolge müsste die Tendenz genau umgekehrt sein => Der BAHNHOF als belebter und beliebter Mittelpunkt eines Ortes!