4. März: Berlin

Berlin Weißensee und Karlshorst (Ziel: Sabrina)

Morgens haben wir zwar keinen Besuch von der Presse, dafür Anfragen: Slowfood will uns im nächsten Heft in die Vorschau setzen und braucht Fotomaterial, das zu Hause liegt. Wir können eine gestern neu aufgenommene Alternative bieten. Auch Kunden haben noch Fragen. Wir frühstücken ausführlich mit Annette und frischen Brötchen in der Sonne in ihrer Küche. Für das heutige Ziel von Sabrina Köhler sortieren wir mehrere Anschriften von Berliner Urlaubsaufenthalten in den 80er Jahren bei Verwandten. Spät, aber gut gestärkt brechen wir auf mit der Tram nach Weißensee. Dort war Sabrina oft bei ihrem Großonkel. Wir finden schnell das Haus. Auf dem Weg sehen wir “Kunsthalle statt Kaufhalle” am Hamburger Platz mit der KHB Weißensee. Gegenüber liegt der Friedhof St. Georgen mit einer alten Mauer. Das Viertel, das zum früheren Osten gehörte, sieht aufgeräumt und gut saniert aus. Das Haus ist Teil einer vierstöckigen Mietshausreihe gegenüber des Friedhofs. Nur: den gesuchten Namen finden wir auf keiner Klingel. Wir machen uns verschiedenste Gedanken, was da passiert sein könnte, schließlich müsste der Großonkel schon Ende 70 sein. Wir besuchen den Friedhof, und schauen auch über die frischen Gräber. Damit kommen wir nicht weiter. Wir erinnern uns an unsere Erfahrungen, einfach mal zu klingeln, die auch in Großstädten erfolgreich waren, also gehen wir die paar Meter zurück und fangen links unten an, und gleich erfolgreich. Ja der Großonkel hat in der gegenüberliegenden Wohnung gewohnt. Vor einem Jahr ist er, nach 50 Jahren und gerade überstandener Sanierung, ausgezogen zu seiner neuen Partnerin. Für genaueres werden wir an eine andere Bewohnerin verwiesen, die schon viel länger im Haus wohnt, die wir leider nicht antreffen. Wir sind auch so schon sehr zufrieden, hat sich die Unklarheit doch – und anders als wir es uns vorstellen konnten – aufgelöst.
Jetzt haben wir noch den Weißensee und den zweiten Großonkel vor uns. In einer “Schwäbischen Bäckerei” nehmen wir einen Imbiss und gehen zur Park-Klinik, wo die Großtante gelernt hat. Die Klinik gibt es noch, das Gebäude allerdings ist ein Neubau von 1997. Direkt der Klinik gegenüber auf dem Weg zum See treffen wir auf eine Überraschung: die imposante Backstein-Siedlung an der Paul-Oestreich-Straße, Gründerzeit-Architektur im Weißenseer Munizipialviertel von Carl James Bühring, die unter Denkmalschutz steht, und dahinter das Standesamt. Wir treffen von hinten auf den Weißensee: die Abendsonne scheint auf das Strandcafé am gegenüberliegenden Ostufer mit dem alten wellenförmigen Schriftzug “WEISSENSEE”, davor die zugefrorene Wasserfläche mit Schlittschuhläufern. Von der anderen Seite fällt der Blick zurück auf das “Milchhäuschen” am Westufer. Mit der Tram fahren wir zum S-Bahnhof Warschauer Str. durch den sehr belebten alten Kern von Friedrichshain, wahrscheinlich das Szeneviertel, von dem man schon gehört hat. Mit der S-Bahn geht es nach Karlshorst, schon nahe am Ostrand Berlins, wo der andere Großonkel wohnt. Marlis hat ihn telefonisch erreicht und auch die zwei Anschriften erfahren, die während der Ferienbesuche von Sabrina galten. Wir erreichen das Viertel bei rotem Sonnenuntergang und beeilen uns, noch was zu sehen. In den kleinen Straßen entlang der Bahn stehen repräsentative, freistehende Gründerzeithäuser, fast alle gut renoviert, manche sogar villenartig. Hinter diesem 100 m breiten Gebiet geht die Bebauung in meist vierstöckige, sanierte Mietshäuser über. Hier, in der Ria- und der Ilsestraße, müsste Sabrina bei ihrem Großonkel gewesen sein. Heute wohnt er direkt daneben in der Marksburgstraße. Das Viertel sieht ruhig und intakt aus, es gibt alle Läden des täglichen Bedarfs. Auf dem Rückweg gönnen wir uns noch in der Happy Hour einen Cocktail in der Bar Havanna am S-Bahnhof, die auch eine ansprechende, preiswerte karibische Speisekarte bei freundlicher Bedienung hat. Wir haben uns jedoch schon was anderes ausgedacht: Das Slowfood-Convivium Berlin hält seinen monatlichen Stammtisch im Café Fantone in Charlottenburg ab. Das hört sich nach unaufgeregtem, einfach gutem und preiswerten Italiener an. Das prüfen wir persönlich, es stimmt. In dem kleinen Café mit knapp 30 Plätzen werden wir sehr zuvorkommend begrüßt und sehr kompetent in die Wein- und Speisen-Auswahl eingewiesen. Gemüsesuppe, gegrillte Calamaretti, Fussilini mit Pesto, gegrillte Sardinen – alles sehr frisch und auf den Punkt mit bestem Öl zubereitet, sehr lecker. Obwohl wir sehr satt sind, werden wir verleitet, das Tiramisu wenigstens zu probieren: fantastisch saftig, wunderbar durchgezogen, zergeht auf der Zunge. Dazu noch hochwertige, selbst ausgewählte und direkt importierte offene Weine in DOC-Qualität, also wirklich exklusiv. Wir sind sehr angetan und gratulieren dem Convivium zu seinem Standort. Zufrieden und mit Lob an den Gastgeber beenden wir den Tag mit einer weiteren problemlosen, durchaus flotten Fahrt mit der Berliner S-Bahn zurück nach Pankow, die so lange dauert wie die S-Bahn von Mannheim nach Neustadt, so groß ist Berlin.

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2 Antworten auf 4. März: Berlin

  1. Andreas sagt:

    Schöner Beitrag! Mir gefällt die Statue mit den Kindern auf dem Roller, wo steht die nochmal genau?

    • Joachim Krueger sagt:

      Sie steht am Hamburger Platz an der Westecke des Friedhofs St. Georgen in 13086 Berlin-Weißensee.