8. April: München und zurück

München: Lehel, Viktualienmarkt, Isarauen (Ziel: Margret Fuhrmann), Rückfahrt mit Railjet

Morgens ist es etwas bedeckt, und draußen wieder angenehm kühler (finde ich!). Mit unserer Haus-Tram 17 fahren wir zum Mariannenplatz in Lehel, direkt vor die Kirche St. Lukas. Es ist ein mächtiger, außen verwinkelter Bau des Historismus der wilhelminischen Zeit, 1896 als dritte evangelische Kirche in München vollendet, mit ungewöhnlich exponierter Position an der Isar gegenüber der Praterinsel. Die Predigtkirche hat keine Langform, sondern um einen von vier Säulen eingefassten Hauptraum ordnen sich allseits kleinere Seitengewölbe an, über denen sich außer im Altarbereich Emporen befinden. Die Ausführung ist absolut nicht unbescheiden, auch die beiden seitlichen Rosetten sind sehr groß. Man wollte wohl nicht so auffallen im katholischen München. Wir bemerken, dass es solche Kirchenformen des öfteren gibt, besonders als evangelische Kirchen des 19. Jahrhunderts, und denken an die Mannheimer Christuskirche, den Hamburger Michel, die Dresdner Frauenkirche. Nach einem Abstecher auf den Isar-Wehrsteg machen wir uns weiter auf die Spuren von Margret: in die Mannhardtstraße, eine kleine Verbindungsstraße mit 10 Hausnummern. Wir sind daher ziemlich sicher, ihr Appartmenthaus aus den 60er Jahren gefunden zu haben: Nr. 8. Gegenüber, Haus Nr. 5, könnte die erste Wohnung gewesen sein. Eine angenehme, ausgesprochen innenstadtnahe Wohngegend. Wir gehen weiter durch die Straßen Richtung Isartor und Viktualienmarkt. Hier sind zwar noch ältere Häuser dazwischen, prägend sind die vielen Neubauten, sowohl Wohn- als auch Geschäftshäuser, es gibt Kettenläden und alte Inhaber-geführte Geschäfte. Am Viktualienmarkt findet man alles, permanent und viel in Bio-Qualität zu reellen Preisen, auch manche Früchte, die wir nicht kennen. Am Südrand gibt es die Gaststätte “Zum Pschorr”, die die typischen Münchner Gerichte in Slowfood-Qualität und definierter Herkunft anbietet. Wir wählen diesmal das dahinter liegende Café Frischhut mit Schmalznudeln und Stritzeln. Lecker! Und wir sitzen in der Sonne. Tina und Stephan kommen kurz vorbei. Wir ziehen weiter Richtung Sendlinger Tor. Auch dort hat sich einiges verändert. Hinter dem Stadtmuseum steht die neue, architektonisch auffällige Synagoge und das jüdische Museum. Wir landen in der Sendlinger Straße, einer Einkaufsstraße, die vom Marienplatz zum Sendlinger Tor führt, und dort geradewegs vor der Asamkirche. Wir haben davon gehört, jetzt schauen wir natürlich rein. Nicht besonders groß, aber im Rokokostil von oben bis unten mit dreidimensionaler Ornamentik ausgestattet. Fenster mussten keine ausgespart werden, die Kirche ist ein “Reihenhaus” und hat seitlich Mauern. Licht kommt nur von der Decke. Außergewöhnlich! Die Isarauen sind ein Ziel, dem wir mit der U-Bahn näherkommen, und dann zum Flaucher auf einer Isar-Insel laufen. Der Biergarten ist in Betrieb und gut besucht mitten im Grünen, die Bewirtung geschieht aus Containern, das Gasthaus befindet sich ín Komplett-Sanierung. Wir ziehen zur Isar. Auf den Kiesufern und den Randwegen ist viel los, kein Wunder bei der herrlichen Sonne. Wir laufen durch immer grüner werdende Au-Wälder zwischen Joggern, Spaziergängern und Hundeführern, darunter ein junger Mann, der samt Hund über eine längere Distanz knietief durchs Wasser läuft. Per Bus kürzen wir die Strecke entlang der Isar bis zur Ludwigsbrücke ab und laufen über die Praterinsel. Die Kiesbänke um den Wehrsteg sind noch mehr bevölkert als am Mittag. Wir gehen zum Maximilianeum. Es steht majestätisch auf dem Hügel über der Isar, sieht von vorn schon nicht so einladend aus, von hinten sogar hässlich, so dass es nicht stört, dass Neubauten zur Landtagserweiterung einen Großteil der rückseitigen Altsubstanz verdecken. Über der Maximiliansaue ragt nach Norden die Figur des goldenen Friedensengels auf seiner Säule heraus, dort gehen wir nicht mehr hin, sondern nehmen die Tram 19 mitten durch die Stadt zum Hauptbahnhof. Auf dem Weg fällt uns ein, dass wir einem Stichwort von Margret nicht nachgegangen sind: die Baaderstraße, obwohl wir am Isartor mehrmals in unmittelbarer Nähe waren – vergessen! Vielleicht kommen wir noch mal nach München.
Abends entscheiden wir uns für die späteste Zug-Variante, von der die Verspätung nicht vorher einsehbar ist, da er aus dem Ausland kommt: Zugnummer RJ 66. Wir sind gespannt, was das für ein Zug ist. Marlis befürchtet das Schlimmste, aber immerhin ist die Fahrzeit wie ein ICE. Wir nutzen die zusätzliche Zeit zu einem Besuch im alten Augustiner-Keller mit Augustiner-Biergarten (das Bier gibt es seit 1328!) an der Arnulfstraße unter ganz alten Kastanien. Hier ist es mal kein Weißbier, der Augustiner Edelstoff in Form einer Mass muss sein, und ein ganz frisch gebratener Steckerlfisch kommt auch endlich dran. Wir holen unser Gepäck aus unserem wirklich empfehlenswerten kleinen Hotel Helvetia. Der Zug erweist sich als angenehmes Erlebnis: Es kommt ein Railjet, ein ganz neuer Schnellzug der ÖBB, mit hellem LED-Platzlicht. Sogar die Bundesliga-Ergebnisse werden angesagt. Der Verkauf am Platz ist sehr günstig: da nehmen wir natürlich einen Blauen Zweigelt und ein Ottakringer Helles, besonders bei der Bedienung: Eine junge Ungarin, die in der Schule Deutsch gelernt hat, mit Ausbildung in der Gastronomie, macht das als erste Stelle, äußerst bemüht und zuvorkommend, obwohl sie schon seit Mittags unterwegs ist. Gegenüber sitzt ein junger Mann. Als Marlis ihn fotografiert, kommen sie ins Gespräch: er ist ein junger russischer Flötist, der in Weimar studiert und gerade in München in einem Wettbewerb den zweiten Preis gewonnen hat. Er bekommt die Bilder auf seinen PC. So beschließen wir die München-Reise exakt um Mitternacht.

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7. April: München

München: Hirschgarten mit Biergarten(Ziel: Dr. Klaus Kufeld), Pinakotheken von außen, Englischer Garten

Wir starten nach einem sehr guten Hotelfrühstück mit einem weiteren Besuch im Outdoor-Laden und finden weitere Teile. Heute ist es richtig warm, schon die Jacke ist zu viel. Noch vor kurzem brauchten wir volle Winterkleidung, darauf waren wir eingestellt. Die Winter-Pack-Checkliste hat fast das halbe Reisejahr gepasst, jetzt sind komplett neue Zusammenstellungen nötig. Sonnenschutz ist nicht zu vergessen. Jedenfalls sind wir leicht verunsichert, einige Energie fließt in die Umstellung, wir lassen München langsam angehen. Aber: alle Jahreszeiten gehören dazu, jetzt gilt es, sich an den Sommer zu gewöhnen. Die Temperaturen werden Marlis sicher keine Probleme machen, die Sonnenkrisen sind eher mein Ding.
Heute sinds jedenfalls schon mal 25° bei vollem Sonnenschein zum Üben. Marlis entdeckt am Hauptbahnhof einen Philatelie- und Ansichtskartenladen. Während ich im Hotel auf Hochsommer umrüste, stöbert sie in dem Laden herum. Dort gibt es wändeweise Schachteln mit Ansichtskarten mindestens der letzten 100 Jahre, bestens geordnet. Und bei allen Orten, wo uns alte Karten interessieren, hat er welche! Zum Hirschgarten, wo wir jetzt hinwollen, gibts eine “Ehrenurkunde” von 1910 zum Selbstausfüllen beim Besuch. Von der Tram-Haltestelle gehts durch den Hirschgarten zum Biergarten. Im Park sind alle Altersschichten auf den Beinen, der Frühling wurde offensichtlich sehnlichst erwartet. Es gibt Kinderspielplätze, Freiluftschach und ein Wildgehege mit Hirschen, Rot- und Damwild. Der Biergarten besteht aus mehreren Bereichen um die Gaststätte: einem Bereich mit Stühlen, Tischdecken und Bedienung, drumrum dem großen typischen Biergartenbereich mit den entsprechenden Garnituren und seitlich, etwas versteckter, noch ein Areal. Alles zusammen sollen es 8000 Plätze sein, mindestens 6000 schätze ich auch. Wahrscheinlich weiß ich nicht, wie viele an eine Biertischgarnitur passen, bestimmt mehr als ich mir vorstellen kann. Der Garten ist schon am Nachmittag gut gefüllt, mindestens zu einem Drittel. Die Wirtschaft ist allerdings für ganz anderen Ansturm ausgelegt: Von fünf Schänken sind zwei offen, die keine Probleme haben, den Bedarf zu decken: werktags ab 16 Uhr und sonntags nur im Maßkrug. Und davon gibts genug: Jede Menge Holzverschläge voll damit, zur Selbstbedienung. Man schnappt sich einen und lässt ihn füllen. Wers braucht, kann sich den Krug noch an öffentlichen Freiluft-Großspülen selbst säubern. Getränke muss man hier kaufen, Futter kann man selbst mitbringen, das Angebot vor Ort ist jedoch groß und günstig: Radi, Obatzdn, Brezn (über 30 cm groß), dazu Haxn, halbe Hühner, Wurstsalat, Steckerlfische, Käse usw. Die Saison ist noch jung: An der Erweiterung des Holzbudenparks wird noch emsig gewerkelt. Personal mit Elektrokarren fährt herum und sammelt leere Gläser und Geschirr ein, direkt in die Maßkrug-Spülmaschine im Freien mit Schlauchanschluss. In der warmen Sonne herrscht eine angenehm gelassene, manchenorts auch ausgelassene Stimmung, besonders bei den Stammgästen, gut zu erkennen am eigenen Bierkrug mit Zinndeckel oder einem Holzdeckel für den Glaskrug. Marlis nimmt Kontakt mit zwei Stammrunden auf: da bekommt sie die Trinkkultur nebst Witzen genau erklärt, und das direkt ins Mikrofon; dabei die 90-jährige Mutter und einige integrierte “Geduldete”. Dieser Riesenbetrieb – voller muss es für uns nicht sein – ist ein Erlebnis, und das noch bei Frühlingsstart unter aufgehenden Kastanien. Aber Marlis hat gehört, die Stammkunden sitzen schon ab März bis tief in den Herbst hier, manche täglich und draußen!
Durch Wohnviertel gehen wir zum Romanplatz vor dem Nymphenburger Schloss. Dort fährt die Tram durch die Villen von Gern und Neuhausen nach Schwabing und nach Umsteigen zur Theresienstraße mit den Pinakotheken. Ausstellungen wollen wir uns bei diesem Wetter nicht ansehen, die Gebäude allerdings schon. Besonders beeindruckt sind wir von der Pinakothek der Moderne und der Sammlung Brandhorst. Die Moderne ist ein riesiger zweistöckiger Betonquader mit gebäudehohen Glasflächen, der durch eine große zentrale Rotunde und eine Diagonale so strukturiert ist, dass sie vier Sammlungen aufnimmt. An den Seiten entlang der Diagonalen markieren schlanke Betonsäulen die Eingänge. Das Brandhorst-Haus grenzt daran mit einer Ecke, es ist ein völlig anderer Quader: bis auf eine Glasecke ist er komplett luftig mit senkrechten bunten Keramikstäben in zwei Farbzusammenstellungen behängt, selbst Türen sind darin integriert. Und an einer Ecke ist der Block etwas spitz vergrößert.
Der weitere Weg führt über die breite Ludwigstraße mit ihren wuchtigen Verwaltungs- und Universitätsbauten Richtung Siegestor, vor dem wir in den Englischen Garten abbiegen. Überall grünt es, die Wiesen und Wege sind am Abend gut bevölkert, man sonnt sich, trifft sich und macht Musik. Vorbei am Monopteros-Aussichtsturm erreichen wir den Chinesischen Turm mit dem drumrumliegenden Biergarten, der uns kaum kleiner als im Hirschgarten vorkommt. Hier ist es viel voller, und das Publikum ist anders: jünger, studentischer, internationaler. Einzelne freie Tische sind noch zu finden. Die Organisation ist strikter: Maßkrüge mit Pfand und Pfandmarken, Fleischproduktion fast am Fließband. Man fühlt sich wohl; das Bier war im Hirschgarten besser. Mit aufkommender Dunkelheit wird es kühler und leert sich. Wir gehen zur nahen Tram auf der Ostseite, die uns direkt zum Hotel bringt, wieder unsere “Hauslinie” 17. In der Wartezeit werfen wir einen Blick von der nahen Brücke ins dunkle stille Isartal, ein Kontrast zur erleuchteten, verkehrsreichen Stadt drumherum.

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6. April: nach München

Fahrt nach München: Frühling, Platzl und Hofbräuhaus

Mittags fahren wir bei strahlend blauem Frühlingswetter mit dem ICE über Stuttgart nach München. Die Strecke ist von grünen Feldern, Flächen mit blühenden Bäumen und in allen Grünstadien, meist noch durchsichtig, gesäumt. Wir sind im Zug etwas müde, die Nächte davor waren zu kurz. Das Hotel direkt am Bahnhof ist überraschend angenehm eingerichtet, die Zimmer sind klein, aber funktional eingerichtet, so dass das nicht stört. Und die Lage ist äußerst praktisch. Wir haben zwei Ziele: Von Klaus Kufeld die Biergärten, besonders den im Hirschgarten, und von Margret Fuhrmann die Gassen der Innenstadt zwischen Mariannenkirche und Sendlinger Tor und das Isartal ab Flaucher. Wir nehmen die Tram zum Isartor und betrachten die Läden unterwegs. Am Isartor sehen wir einen Globetrotter-Outdoorladen, den wir besuchen, da für den nahenden Sommer einige Themen offenstehen. Es ist ein neuer Riesenladen, und wir finden einiges; die Probiererei gestaltet sich zeitaufwendig, am Ende aber erfolgreich. Wir ziehen durch die kleinen Gassen zwischen Isartor und dem Platzl mit ruhigen kleinen Läden und Kneipen, meist von gehobenem Niveau. Am Platzl ist Schuhbecks Reich: Schoko-, Gewürz-, Eisladen, Bistro-Café, Restaurant und die Kochschule. Nur das Hofbräuhaus macht ihm den Platz(l) streitig. Wir gehen am Souvenirladen vorbei in den urigen Innenraum, links die Regale mit den persönlichen Bierkrügen, jeder hinter Vorhängeschloss gesichert. Die Bayerische Kapelle baut gerade auf. Es ist noch viel Platz. Mittendrin ist noch ein Souvenirkiosk. In den Stockwerken drüber tagen Firmen. Im Innenhof ist ein sehr schöner Biergarten, wir finden einen Tisch direkt am Brunnen in der Mitte. Die Kastanien sind gerade dabei, ihre Blätter aufzufalten, das Abendlicht dringt noch durch. Rundum sind die Balkone der Sitzungssäle. Wir nehmen unser erstes Bier, für später haben wir uns im Augustiner am Dom mit Tina und ihrem Freund verabredet, die zufällig in München Kurzurlaub machen. Sie kommen jetzt schon und treffen uns hier, wir gehen zusammen rüber. Es dämmert, im ersten Stock sitzen wir am Fenster mit Blick auf die Frauenkirche, trinken Bier und essen Schweinsbraten und Schweinsbrüsterl. Zu Fuss gehen wir durch die noch gut belebte Innenstadt zum Hotel zurück. Zum Schreiben reichts am Abend nicht mehr, ich bin zu abgeschlafft, mehr als Fernsehen mit Tagesthemen geht nicht.

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“Persönlich” in der SWR-Landesschau

Der SWR hat in der Fernsehsendung “Landesschau Rheinland-Pfalz” am 8.3. um 18:55 anlässlich des Weltfrauentages unter “Persönlich” einen Beitrag mit Marlis Jonas gesendet, in dem auch über das Projekt Bahn-Zeit-Reise berichtet wurde. Drehort war die S-Bahn von Ludwigshafen-Mitte nach Neustadt (natürlich mit Genehmigung der Deutschen Bahn).
Aus Urheber- und Medien-rechtlichen Gründen dürfen wir das Video nicht Online stellen.
Bei Interesse nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf!

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Wieder ein Bericht im Kirchenboten

Der evangelische Kirchenbote – Sonntagsblatt für die Pfalz – hat in seiner aktuellen Ausgabe 13 anlässlich unseres Besuchs in der Lutherstadt Wittenberg erneut über unser Projekt berichtet.
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Bericht in der Zeitschrift “Slow Food”

Die Zeitschrift “Slow Food” hat in ihrer Anfang April erschienenen Ausgabe 02_2011 auf der Seite 11 über unser Projekt berichtet.
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Bericht in der Glocke

Die Tageszeitung Glocke aus Oelde hat am 1. April über uns berichtet.
Bezug ist unser Besuch in Everswinkel in den letzten Tagen.
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31. März: nach Münster und zurück

Fahrt nach Münster, auf den Spuren des legendären Café Schucan (Ziel: Frank), Rückkehr

Der Gastraum zum Frühstück im Gasthof Arning ist historisch, der Kamin und Dekoration sind echte Antiquitäten. Nebenan gibt es einen Festsaal und einen Nichtraucher-Gastraum. Wir bezweifeln, ob das noch für viele Gäste attraktiv ist. Prüfen können wir es nicht, gestern war Ruhetag. Der Reporter der Glocke aus Oelde besucht uns zum Interview. Wir schauen im Verkehrsverein vorbei – multifunktional, gleichzeitig Reisebüro und Anzeigenannahme. Der Schnellbus bringt uns nach Münster, das wir ganz gut kennen; heute begeben wir uns auf die Spuren von Ideengeber Frank: in den 80er Jahren hat er in Münster studiert, und da war das Café Schucan am Prinzipalmarkt die Institution mit unschlagbarer Konditorei. Wir wissen schon aus Recherchen, dass es das seit 1997 nicht mehr gibt. Als wir Herrn Diepenbrock gestern abend unser heutiges Ziel genannt haben, hat er uns Tipps gegeben: zunächst das Stadtmuseum, auf dem Weg ins Zentrum. Aktuelle Ausstellungen sind Fotos zu Münster vor 50 Jahren und der Prinzipalmarkt von 1857 bis 1958. Da können wir das Haus schon in etwa identifizieren, sicher wird es in einem Kurzartikel in einem Münster-Buch: Prinzipalmarkt 24, 25 und 26. Da das Café nicht mehr existiert, halten wir natürlich nach aktuellen Alternativen Ausschau. Café Grotemeyer in der Nähe wurde uns schon gestern abend genannt und hier bestätigt. Ein Café Erwin Müller im Stil der 50er Jahre begegnet uns in Büchern; wir erfahren, dass es hier im Museum als Ausstellungsraum existiert als einziges Beispiel eines Ladens dieser Zeit, also besichtigen wir ihn gleich. Das Stadtmuseum ist wirklich sehenswert, die vielen anderen Räume mit Kunst und Geschichte seit der Gründung Münsters lassen wir allerdings weg. Heute in Münster regnet es erstmals seit langem auf unseren Reisen. Wir gehen daher gleich in die Stadtbücherei, weil uns bei Internet-Recherchen ein einziges Buch über die Geschichte des Café Schucan aufgefallen ist – mittlerweile vergriffen. Sie haben es, wir blättern es durch, lesen und fotografieren. 1836 wird das Café gegründet von dem Schweizer Steiner aus dem Engadin, ab 1894 bekommt Otto Schucan, ein Schreiner aus dem Engadin, der die Tochter eines Konditormeisters aus dem Café geheiratet hat, einen Pachtvertrag und bringt das ganze wieder in Schwung.

Aus dem Buch: Café Schucan vor und nach dem Neubau 1909

1909 kauft er das Gebäude Haus 25 und das daneben, Haus 26, reißt beide ab und baut sie mit Renaissancefassaden und optimiertem Innenleben neu. 1937 kommt das Haus 24 dazu. 1947 werden die kriegsbeschädigten Häuser leicht verändert

Aus dem Buch: Wiederaufbau 1947

als erste wieder aufgebaut. Das Café ist ein Treffpunkt und eine Institution.

Aus dem Buch: Original vor 1988

Es gibt kompromisslose handwerkliche Qualität.

Aus dem Buch: das Schaufenster

Sein Sohn Jakob Otto Schucan führt es weiter, bis er 1982 stirbt. Es folgt seine Tochter Clair. Ab 1982 gibt es Gerüchte, dass sie die Häuser verkaufen will; es ist schließlich eine 1a-Lage, die sehr begehrt und teuer ist, und für die der Umsatz einer Konditorei nicht reicht, zumal keine Kinder da sind, die das Geschäft weiterführen wollen. In Münster gibt es Aufschreie und Verhandlungen, die Übernahme durch andere Cafés scheitert, die Douglas-Holding kauft die Gebäude, das Original-Schucan schließt am 31.3.1989, heute genau vor 22 Jahren. Wichtige Mitarbeiter wechseln in andere Cafés der Stadt. Douglas baut das größte Haus 24 zur Parfümerie um und lässt, um einer Rufschädigung vorzubeugen, von der zum Konzern gehörenden Confiserie Feller ein Café unter dem Namen Schucan mit dem alten Sortiment weiterführen. Das Buch wurde 1995 verfasst; wie wir im Internet aus Zeitungsartikeln erfahren haben, wurde das Café 1997 unter Protesten der Münsteraner endgültig geschlossen, da die Qualität nicht mehr die alte war und der Betrieb sich nicht mehr lohnte; nur noch der Schriftzug über der Tür und die Inschriften in der Fassade von Haus 25 erinnern an Schucan.

Die Häuser heute

Unsere Gespräche ergeben, dass das Café Kleimann am Prinzipalmarkt 48 sich als Ersatz versucht. Auch das schon seit 1850 bestehende Café Grotemeyer im Salzweg hat ähnliche Tradition. Es regnet noch immer, also kehren wir dort ein. Die Torten – wir probieren “Grothemeyer Spezial” und Zitronenbuttercreme – und die Schokolade sind vorzüglich. Wir ziehen weiter zum Café Kleimann, dort sieht alles noch besser aus, mangels weiterem Appetit auf Torten kaufen wir Confiserie-Artikel. Alle Kommentare sagen aber, dass das Schucan nicht ersetzbar sei. Herr Diepenbrock hat uns gestern noch einen Tipp gegeben, auf den wir sonst nie gekommen wären: im seit 1999 bestehenden Mocca d’Or, einer angesagten großen Pizzeria, die auch Kaffee und Kuchen anbietet und etwas versteckt in einer Nebengasse an der Rothenburg liegt, seien Möbel des alten Schucan übernommen worden. Wir besuchen es und erkennen die Stühle und Leuchter von den Fotos. Die Chefin bestätigt uns das und zeigt auch den Kamin, der aus dem alten Geschäft stammt. Mit dem Mobiliar wurde versucht, hier eine ähnliche Treffpunkt-Atmosphäre herzustellen wie im alten Schucan. Wir gehen am ehemaligen Standort des Café Müller vorbei, dort residiert jetzt eine gewöhnliche Bäckerei mit Café. Zufrieden mit unseren Recherche-Ergebnissen beenden wir den Besuch in Münster und kehren auf einer neuen Ruhrgebiets-Route via Haltern, Recklinghausen, Oberhausen, auf der wir direkt hinter der Essener Zeche Zollverein vorbeikommen, ohne Probleme am Abend nach Ludwigshafen zurück.

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30. März: von Bremerhaven nach Everswinkel

Bremerhaven: Auswandererhaus. Fahrt nach Everswinkel (Ziel: Nachlass Marlis’ Mutter)

Heute morgen ist es stark bewölkt, dafür deutlich wärmer. Etwas traurig verlassen wir unser Hotel mit dem tollen Blick. Wir besuchen das Deutsche Auswandererhaus. Dies ist eine andere Reise als im Klimahaus. Es geht um die Auswanderung aus Deutschland von 1830 bis 1974, vorwiegend in die USA und nach Südamerika, die zum großen Teil über den Hafen von Bremerhaven lief. Es beginnt mit einem Raum, ist dem der Kai mit einer Schiffswand und Auswanderergruppen in der Kleidung verschiedener Zeiten mit ihrem Gepäck nachgestellt ist. Weiter gehts in ein Register, in dem man den geschichtlichen Kontext der einzelnen Zeiträume ansehen und -hören kann, und von vielen Auswanderern eine Karteikarte des Auswandererregisters in Schubladen einsehen kann. Danach geht es um die Bedingungen während der Überfahrt, meist mit Schiffen des Norddeutschen Lloyd. Die Auswandererschiffe waren ein eigener Geschäftszweig. Es begann mit Segelschiffen, die schon 500 Personen auf engstem Raum in Schlafsälen transportierten, die die dazu notwendigen hygienischen Maßnahmen gar nicht gewöhnt waren. Außer dieser dritten Klasse gab es auch immer eine zweite und erste Klasse, mit Speisesälen und eigenen Kabinen. Mit der Zeit wurden die Schiffe größer und sicherer, Segel wurden durch Dampfmaschinenantrieb und dann Dieselmotoren abgelöst. Die dritte Klasse wurde geräumiger, am Ende gab es eine Kabine pro Familie. Das war alles geordnete Emigration, man hatte alle Anträge gestellt und ein Visum für die USA. Und es war doch eine Fahrt ins Ungewisse, voller Hoffnung. In der letzten Station und in einem Film kann man den Biografien einzelner Auswanderer nachgehen und in Registern nach Namen forschen. Es ist alles so dargestellt, dass man es sich hautnah vorstellen kann.
Die Reisen waren für viele alles andere als ein Zuckerschlecken, manchmal auch tödlich. Heutige, meist illegale Einwanderung aus Krisengebieten nach Europa finden allerdings unter viel dramatischeren und unwürdigeren Bedingungen statt, mit noch seltenerem Happy End, auch wenn die Motive sicher mindestens genauso stichhaltig sind wie damals.
Legale Auswanderung dagegen findet heute praktisch nur noch per Flugzeug statt und geht schnell und sicher.
Danach gehts direkt per Bus zum Bahnhof, und wir erreichen noch einen RE fünf Minuten früher. Glück gehabt, der vorgesehene RB kommt mit 20 Minuten Verspätung in Bremen an und hätte den IC verpasst, auf den wir so gemütlich in der Lounge warten können. Von Münster geht es per stündlichem Schnellbus nach Evertswinkel.
Dies ist quasi ein posthumes Ziel von Marlis’ Mutter. Sie hatte in ihrem Nachlass eine Streichholzschachtel des “Gasthof Diepenbrock”. Marlis möchte erfahren, wie sich so ein Ort anfühlt, den ihre Eltern auf Ausflügen von ihrem Sommerstandort bei Datteln aufgesucht haben, als sie nicht mehr dabei war.
Wir übernachten in einem Gasthof, der Ruhetag hat, der Schlüssel ist in einem vereinbarten Versteck. Das Zimmer ist besser als befürchtet und für den Preis in Ordnung. Im Gästehaus des Gasthofes Diepenbrock können wir leider nicht übernachten, er war zum Zeitpunkt unserer Buchung ausgebucht, viele Gäste sind regelmäßig kommende Monteure.
Solange es noch hell ist und nicht regnet, machen wir einen Rundgang durch den Ort. Zentral steht eine schöne gotische Kirche, gegenüber eine kleine Kapelle, und drum herum noch einige kleine, historisch anmutende kleine Backstein-Fachwerkhäuser. Früher waren es hier überwiegend Weber, die noch nebenher Landwirtschaft betrieben. Heute ist den meisten Häusern keine lange Geschichte mehr anzusehen, manchmal verbirgt sich hinter der neueren Backstein-Fassade noch ein altes Fachwerkhaus. Die Stadtanlage ist wenig herausragend, aber doch angenehm. Auch alle neuen Gebäude sind Backsteinhäuser. Der 20 Jahre alte Stadtplatz Magnusplatz, der hinter dem Gasthof Diepenbrock liegt, ist von Backstein-Neubauten umgeben.
Wir sehen hier den rückwärtigen Biergarten unter Platanen, und gehen um den Block in den Gasthof Diepenbrock zum Essen. Die Speisekarte ist gut sortiert. Es gibt einen älteren Gastraum, in dem geraucht werden darf, und einen neuen Anbau mit moderner Einrichtung, den “Geierabend” für Nichtraucher. Wir werden gut bedient, das Cordon Bleu ist gut, der Salat reichlich und gelungen zusammengestellt. Der stramme Max ist außergewöhnlich: Graubrot, westfälischer Knochenschinken, üppige Dekoration. Marlis spricht den Chef des Hauses, Klemens Diepenbrock, an und erläutert den Anlass unseres Kommens. Er ist begeistert und freut sich, die alte Streichholzschachtel zu sehen. Er erzählt uns, dass er sich bemüht, den Gästen regelmäßig was neues zu bieten, so ist der Biergarten entstanden, aus dem Saal wurde das “Oberhaus”, seinen Spitznamen hat er aktiv zum Logo gemacht, den Geier gibt es als Pin für ausgewählte Gäste (wie uns!), das Personal hat Schürzen mit dem Geier, deren Farbe den Jahreszeiten angepasst wird, und eine Wand mit Evertswinkler Motiven kommt jetzt dran. Das Nebenhaus war mal die Bäckerei Diepenbrock, die seinem Bruder gehört, jetzt ist es seine Erweiterung, der “Geierabend”, die Bäckerei ist ein Neubau gegenüber mit Imbiss, die Backstube ist außerhalb. Das Gästehaus daneben betreiben beide zusammen: Frühstück in der Bäckerei, Rezeption während der Öffnungszeiten dort, danach in seinem Restaurant. Und am Biergarten führen zwei Fernradwege vorbei. Das ist Marketing! Eine Homepage hat er nicht, gegen den Trend hat er zwei Kegelbahnen gebaut, 90 Gruppen kegeln dort. Mit den anderen Gasthöfen hat er sich die Zielgruppen etwas aufgeteilt: im Gasthof Arning, wo wir übernachten, wird eher Tradition und Platt gepflegt. Marlis ist von dem Ziel ihrer Eltern angenehm überrascht.

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29. März: Bremerhaven

Bremerhaven: Weserpromenade, Klimahaus, Blick in die Weite (Ziel: Margita) und Sonnenuntergang von SailCity

Der Nebel ist frühmorgens noch zu sehen, beim Aufstehen scheint dann die Sonne. Wir genießen erstmal die Aussicht aus dem Zimmer und telefonieren und schreiben. Anschließend machen wir einen kurzen Spaziergang auf der Promenade am Weserufer. Um 14:30 sind wir im Klimahaus. Am 8. November haben wir schon einen Schnelldurchgang gemacht, diesmal gehen wir das so an, wie es uns gefällt. Die Reise entlang des Längengrades von Bremerhaven, 8°34′ Ost, befasst sich exemplarisch mit 8 Orten in der Schweiz, Sardinien, Niger, Kamerun, Antarktis, Samoa, Alaska und der Hallig Langeneß. Nach drei Stunden haben wir die ersten drei Orte erschöpfend und Kamerun zum Teil geschafft. Jetzt haben wir wirklich tiefe Einblicke in Kultur, Lebensweise, Umwelt und Lebensbedingungen in diesen Ländern gewonnen, die uns so selbst für die Schweiz nur teilweise bekannt waren. Es hat sich gelohnt, und der Rest würde auch noch lohnen. Wir schauen noch auf die Dachterrasse und in den Bereich Energie. Dort werden verschiedene Energieverbrauchs-relevante Themen mit einprägsamen Thesen wie “Schon irgendwie verwunderlich, wenn man sich in fremden Ländern besser auskennt als in der eigenen Heimat…” angesprochen und demonstriert. Ein Blick in die Wetterausstellung des Deutschen Wetterdienstes, dann ist Schluss. Da bleibt genug für einen dritten Besuch, das bestätigen uns im Fahrstuhl zwei ältere Damen aus Bremerhaven, die haben gleich eine Jahreskarte und arbeiten sich stundenweise durch das Haus. Nach einem Kaffee erwandern wir uns die ganze Promenade bis zum Kaiserhafen und beobachten, wie ein Wolkengebiet die Sonne wieder freigibt. Jetzt lohnt es sich, für den Sonnenuntergang auf das SailCity-Gebäude zu steigen. Die Plattform in 86m Höhe erleben wir heute windstill mit Abendsonne. Rot geht die Sonne unter, im Vordergrund fahren Schiffe die Wesermündung entlang, ein malerisches Bild. Hier – wie schon gestern abend – empfinden wir die Weite, die uns Ideengeberin Margita frei von genauen Ortsbenennungen mit auf den Weg gegeben hat. Wir erkennen auch deutlich eine Stadt in Konversion, mit Parallelen zum Rheinufer Süd in Ludwigshafen. Im Bereich des alten und neuen Hafens gibt es noch viele freie frühere Industrieflächen, heute läuft der Hafenbetrieb anders, größer, weiter draußen und mit weniger Personal. Sicher zieht Bremerhaven mit den anschaulichen Museen und dem Hafenbereich im Sommer viele Touristen für Ausflüge an, um diese Jahreszeit ist aber wenig los. Im Anschluss wollen wir auf dem ehemaligen Frachtsegler “Seute Deern” vor dem Schifffahrtsmuseum essen, aber da ist alles voll, so ziehen wir weiter bis zur “Schifferklause Lehrke”, die wir aus dem November kennen, auch den Labskaus gibt es wieder.

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