Nach den ersten 3 Nächten und jetzt festem Standort ist morgens Ausschlafen und eine gründlichere Aufbereitung fällig, also geht’s erst um 12 los. Nach den Empfehlungen von gestern entscheiden wir uns für Soest. Von einem Ringwall mit ¾ Stadtmauer und 600 denkmalgeschützten Häusern und interessanten Kirchen berichtet Wikipedia. Am Bahnhof gibt’s gleich ein Schild für einen Altstadtrundgang mit über 30 Stationen. Aber erstmal treffen wir auf die Eismanufaktur Soest, alles ohne Zusatzstoffe, da langen wir gleich zu. Die schmale Fußgängerzone ist recht belebt, speziell im Genussbereich gibt es interessante Läden. Der Rundgang geht im Zickzack durch schmale Gassen und an Bächen zwischen kleinen Häusern mit viel Grün durch. Viele Häuser sind Fachwerkhäuser, aber zwischendrin gibt es immer wieder auch Gebäude späterer Epochen und Bausünden der Nachkriegszeit. Die Häuser zeugen von der wirtschaftlichen Blüte als Hansestadt und am Hellweg, wobei Salz eine bedeutende Handelsware war.
Die echte Sehenswürdigkeit ist aber der vielerorts in Sockeln, Mauern und allen Kirchenbauten verwendete Soester grüne Sandstein, und Kirchen gibt es viele. Der Stein gibt den Innenräumen ein helles, frisches Erscheinungsbild. Besonders beeindrucken uns die gotische Halle und die hohen Fenster von St. Maria zur Wiese, angrenzend an ein früheres Sumpfgebiet, mit einem inbrünstig spielenden Querflötisten, sowie in der Nähe die ältere, eigenwillig gebaute St. Maria zur Höhe mit alten, großflächigen ornamentalen Wandmalereien und einem großen „Scheibenkreuz“, wie es sonst nur in Gotland vorkommt.
Es gibt einige schöne Plätze im Stadtgebiet, wo man wunderbar draußen sitzen kann. Insgesamt geht alles einen eher ruhigen Gang, und die Touristen fallen kaum auf. Im zweiten Teil des Rundgangs sehen wir die zentralen Kirchen, die älteste, St. Petri – in Renovierung – und den 1050 Jahre alten romanische St. Patrokli-Dom mit mächtigem Turm – innen mit gemaltem Mauerwerk eher langweilig - beide in ihrem dezenten Graugrün von außen ausgesprochen eindrucksvolle Bauwerke, ebenso wie das schlicht zurückhaltende Kunstmuseum aus den 60er Jahren, auch schon unter Denkmalschutz.
Eine Überraschung im weiteren Rundgang ist die Kirche St. Pauli. Im hinteren Teil sind keine Bänke, dafür fallen 8 schlichte Türmchen mit Inschrift-Tafeln auf, das ganze mit einem bemalten Glas-Zaun abgeteilt. Wir hatten uns es fast schon selbst erklärt, dann werden wir von der Aufsicht führenden Dame informiert: es ist ein Kolumbarium, ein Urnenfriedhof in der Kirche, das haben wir so noch nie gesehen. Nach der Lagerzeit von meist 20 Jahren wird die Asche in eine gemeinsame Kammer im Boden in der Mitte verbracht und bleibt damit dauerhaft in der Kirche. Der Zaun war nicht gewünscht, aber rechtlich nötig, da ein „Friedhof“ kommunal ist und „eingefriedet“ sein muss, immerhin konnte man eine 2 Meter hohe Mauer verhindern. Mit dieser Einrichtung, die eindrucksvoll mit den Säulen und den Grabplatten im Altarraum korrespondiert, konnte man vor 10 Jahren den Erhalt der Kirche sichern.
Von der Wallanlage mit dem letzten erhaltenen Befestigungsturm, dem Kattenturm, haben wir Einblick in die alten Grundstücke und Gärten und erreichen am Jakobitor das Pilgrim-Haus, eine frühere Pilger-Herberge am Zuweg zum Jakobsweg und die älteste Gaststätte Westfalens von 1304, wo wir passend den Regen umschiffen.
Nach gut 5 Stunden, viel länger als gedacht, verlassen wir Soest mit dem Gefühl, dass es sich absolut gelohnt hat. Mit Genuss schauen wir im Zug dem nächsten Regen zu, der sich bis Münster wieder verzogen hat. Der Regenradar von WetterOnline bringts echt, so können wir uns oft die Zeit regengerecht einteilen.
In Münster wandeln wir auf den Empfehlungen von Helmut von gestern: erstmal urwestfälisches Essen im Stuhlmacher (genannt „Stuhls“): Dicke Bohnen mit Mettenden und kleines Krüstchen mit nettem Service, dann weiter in die Köpi-Stuben in der Bergstraße, wo der Inhaber Bübi Wulff an der Theke sitzt und beste Grüße für Helmut ausrichten lässt, es wird ein sehr nettes Gespräch über Einheimische, Touristen, Studenten und den Betrieb im Sommer in Münster – wir sind kurz vor 11 auch hier die letzten, nach uns ist Schluss.
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