2. Oktober: über die Wartburg nach Arnstadt

Fahrt über Eisenach nach Arnstadt mit Besichtigung der Wartburg

Der Himmel ist gnadenlos blau, am Vormittag starten wir aufgeregt in Ludwigshafen zur letzten Reise, wie immer durch Mannheim. Die Route des ICE ist geplant verändert; wegen Bauarbeiten läuft es dieses Wochenende über Frankfurt-West und Gießen nach Kassel. In Bachs Geburtsstadt Eisenach machen wir einen Zwischenstopp, beim letzten Stadtbesuch hat es nicht für die Wartburg gereicht, heute ist das Wetter auch viel geeigneter. Die Stadtbusse fahren in Eisenach am Sonntag selten; wir machen nicht lange rum und starten zu Fuß, nach einer flotten Dreiviertelstunde durch die volle, verkaufsoffene Fußgängerzone sind wir oben. Hier ist es belebt, aber nicht überfüllt, die Anlage selbst ist frei zugänglich und lange offen. Die charakteristischen Fachwerkgänge erkennen wir sofort, den Rest nicht. Die Anlage thront auf einer 200 Meter über Eisenach liegenden Bergspitze mit besonders heute phantastischer Sicht in alle Richtungen und direkt auf den Großen Inselsberg. Die Ursprünge stammen aus dem 11. Jahrhundert von Ludwig dem Springer, ein entsprechend restaurierter Wohnraum im italienisch angehauchten Palas kommt in der Führung sogar vor. Besonders auffällig sind der zweite Wohnraum im selben Grundriss, jedoch komplett ausgekleidet mit Glasmosaiken zum Leben der heiligen Elisabeth, die von hier aus im 12. Jahrhundert nach Marburg gegangen und mit 24 Jahren gestorben ist, sowie der Sängersaal und der reich dekorierte Rittersaal aus dem 19. Jahrhundert, bei dessen Architektur Franz Liszt mitgewirkt hat, so dass er einen hervorragenden Ruf als Konzertsaal hat. Zu Luthers Zeit als Junker Jörg war die Burg in großen Teilen verfallen, sie eignete sich daher bestens als Versteck, da dort niemand suchte. Wir sehen seine Stube mit dem mittlerweile komplett von Touristen abgekratzten Tintenfleck, wo er das neue Testament übersetzt hat. Die Wartburg hat etwas Spezielles, wenn nicht Einmaliges: Die Anlage ist in keiner Weise geordnet oder stilrein, eher eine Sammlung von Ideen und Bedarf jeweiliger Generationen. Die Lage auf dem 400 Meter hohen Felsen ist exponiert, und es fanden geschichtsträchtige Ereignisse statt: Elisabeth von Thüringen, Minnesänger, Luther, Goethe, Wartburgfest, Liszt, Wagner. Mit dieser Geschichte ist es nicht verwunderlich, dass die Burg im 19. Jahrhundert schon als nationales Denkmal galt und praktisch neu mit alten Bezügen aufgebaut wurde. In der Vorburg ist mittlerweile ein Nobelhotel ansässig, über den Parkplatz und den Burgweg gehen wir durch bergige, gut erhaltene Villenviertel, die uns an das Briller Viertel in Wuppertal erinnern, zum Bahnhof zurück. Planmäßig erreichen wir, jetzt schon im Dunkeln, Arnstadt-Süd und gehen direkt zum überraschend großen Komplex des Brauhaus-Hotels. Hier wurden nach der Wende die historischen Backsteingebäude der Felsenkellerbrauerei zu einem Park mit Brauerei, Biergarten, Hotel, Stadthalle und Saunapark ausgebaut, schön am Hang gelegen. In der großen Brauerei-Gaststätte ist noch richtig was los, natürlich essen wir hier, das Zentrum kennen wir ja schon, und auf zwei Kilometer Fußweg sind wir nicht besonders scharf. Wie üblich bin ich am ersten Reisetag früh müde und schlafe erstmal eine Runde. Um Mitternacht ist dann Anstoßen dran, in dieser Gegend natürlich mit Rotkäppchen trocken, sonst nicht gerade unsere Hausmarke: Wir haben uns vor 16 Jahren kennengelernt!

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