25. September: Spreewald

Lübbenau: Lehde-Fest, Radtour über Leide und Wotschofska

Was machen wir heute, wie entdecken wir den Spreewald? Kahnfahren, Paddelboot, Radfahren, Wandern? Kahnfahren ist eine Massenveranstaltung für Fußkranke, mit Kneipentisch auf dem Boot, direkt aus Auto oder Bus in den Kahn; natürlich der weitaus größte Anteil des Tourismus. Paddeln habe ich seltenst probiert und nie gekonnt, nicht gerade die Beschäftigung für einen Tag. Fürs Wandern gibts zu wenig Wege wegen der vielen Flussläufe und Kanäle. Da bleibt nur das Fahrrad übrig. Ich telefoniere herum, Tandems gibt es nicht oder sie sind schon eingemottet. Wir drehen erstmal eine Fußrunde durch die Nebenstraßen und die Altstadt, eigentlich nur eine Straße mit ein paar Stichgassen. Insgesamt recht lauschig, kleine Häuschen, und irgendwelche Kahnhäfen gibts am Ende jeder Gasse. Das schöne Schloss mit zwei Türmchen und Orangerie ist heute Hotel. Der “große” Hafen ist recht trubelig, eine Reihe von Touristen- und Souvenirshops links und rechts, fast wie in Titisee. Zig Kähne werden beladen, kein Wunder: Das Vorzeige-Museumsdorf des Spreewaldes, Lehde in zwei Kilometern Entfernung mit 150 Einwohnern und einem Freilicht-Museum, feiert das 20. Lehde-Fest mit Unterstützung aller umliegenden Dörfer, Bestandteil ist ein Kahn-Korso. Lübbenau ist ziemlich verstopft, die Kahnfahrer lenken die Autos auf die Parkplätze ihrer Häfen. Mir geht der Trubel auf den Geist, den hatte ich nicht erwartet. Zm Glück sind die Fahrräder, die unser Hotel verleiht, gut, wir machen uns durch den Campingplatz auf zum Fest; wenn wir schon genau jetzt da sind, müssen wir uns das ansehen. Überall parken Autos, ab dem Campingplatz ist die einzige kleine Straße dorthin gesperrt, ab jetzt parken nur noch Fahrräder. Die Wege werden schmaler, es gibt nur noch Stop and Go, bald parken auch wir. Auf dem Weg gibt es Festbier, Bratwürste und natürlich Gurken. Die Senfgurkenstücke sind übrigens wirklich lecker, die gabs schon zum Frühstück. Hinter den vollen Treppen der Brücken zum Freilicht-Museum finden wir einen noch guten Platz und erwarten den Korso. Es kommen dann, wie ein Faschingsumzug auf dem Wasser, wirklich originelle Kähne: auf einem Gasherd werden Plinsen gebacken und in die Menge geworfen, die Feuerwehr hat ihre handbetriebenen Spritzen aufgeladen und bespritzt die Menge, Kühe und Traktoren werden auf Doppelkähnen transportiert, auch die Fischer sind beteiligt. Eine wirklich originelle Veranstaltung, die mich langsam mit dem Massenauftrieb versöhnt. Irgendwann reichts uns dann doch, das soll nicht unser einziger Eindruck des Spreewaldes bleiben. Hintenrum fahren wir um den Ort, mittendurch gehts bei dem Trubel nicht. Wir fahren die Birkenallee nach Leipe, einen sehr schönen, schmalen Wander- und Radweg zwischen zwei schmalen Kanälchen unber viele kleine Brücken. In der Umgebung von Lehde ist sehr viel Betrieb, wir können nicht einfach anhalten. Überall blinzelt die Sonne durch die niedrigen Bäume, die Landschaft ist sumpfig und urwaldartig, am ehesten noch mit einer Auenlandschaft am Rhein vergleichbar. Kurz vor Leipe treffen wir die erste Kanalschleuse mit Selbstbedienung, Höhenunterschied unter einem Meter, Kapazität zwei Kähne oder neun Paddelboote. Das Schleusen dauert keine fünf Minuten, wenn denn die Paddelboote die Einfahrt einigermaßen treffen, später sehen wir noch zwei andere Konstruktionen. Nach dem Ort wenden wir, es wird ruhig, die Landschaft ändert sich. Sumpfige Wiesenflächen sind von baumgesäumten Kanälen durchzogen, öfter durchfahren wir Waldgebiete, alles auf festen, aber sehr rappeligen Wegen aus querliegenden Betonplatten aus DDR-Zeiten. Das begrenzt die Geschwindigkeit, damit auch die Anstrengung und macht den Weg passend beschaulich. Gegen halb sechs erreichen wir das 1894 von der Stadt Lübbenau gebaute legendäre Waldgasthaus Wotschofska, erreichbar über den Wasserweg und seit 1911 auch per Wanderweg, unter Denkmalschutz. Der Biergarten hat bestimmt 300 Plätze mit beschrifteten Bereichen für die Kahnfährleute; als wir ankommen, ist alles leer, wir hören von innen “wir können schließen, in der nächsten halben Stunde kommt bestimmt keiner mehr”, wir widersprechen sofort und bekommen gern was zu trinken. Es ist ein besonderer Ort, und wir erleben etwas neues: um uns herum fällt unregelmäßig was runter, irgendwann merken wir, das sind reife Eicheln. Der ganze Boden besteht aus unauffällig zwischen die Steine gemischten Eicheln. Und, was uns noch mehr verblüfft: unter den Eichen gibt es Eichbaum-Bier – aus Mannheim! Der Rückweg geht auf dem alten Wanderweg, der im Sumpf etwa einen halben Meter aufgeschüttet ist, sonst würden wir versaufen. Mittlerweile hat sich eine wunderbare enge Allee aus Birken und anderen Bäumen gebildet. Unterwegs gibt es zwei Meter hohe Treppenbrücken, über die wir die Fahrräder schieben müssen, ein landschaftlich gelungener Abschluss der Rundfahrt. Wir finden ein direkt nach der Wende von Ortsansässigen aufgebautes Restaurant, einrichtungsmäßig mit einem deutlichen Hauch DDR-Charme, jedoch besten lokalen Gerichten: Quark mit Kartoffeln und Leinöl, Hechtkotelett mit Gurkensalat, Spreewaldsoße und Kartoffeln. Alles köstlich, mit besten Zutaten. Mit Licht fahren wir den letzten Kilometer zum Hotel zurück, die Spreewald-Entdeckung ist gelungen und zum Erlebnis geworden, trotz meiner anfänglich schlechten Laune ob des touristischen Tubels hier, jetzt ist noch Zeit zum Blog-Schreiben bei sonntäglichem Fernsehgenuss.

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