1. September: Passau

Passau (Ziel: Ursula Gottschling): Schiffsfahrt, Stephansdom mit Orgelkonzerten, Altstadt, Klostersuche

Ich nutze morgens das Schwimmbad, das zwar nicht mehr ganz modern, aber geräumig und in gutem Zustand ist, das wird meine nächsten Tage sicher auch eröffnen. Beim Frühstück fehlt nichts. Der Wetterbericht zeigt keinen Tropfen für Passau, ich lasse den Regenschirm da. Wir wollen vor dem Mittagskonzert die Drei-Flüsse-Schiffsfahrt machen, aber irgendwo vertrödeln wir zwei Minuten, um 11:01 ist das Schiff beim Ablegen. Wir disponieren um und zielen auf das Dreiflüsseeck. Auf dem Weg kommen wir am Kloster Niedernburg vorbei. Unsere Ideengeberin Ursula Gottschling hat uns von ihrer Behelfsgrundschule 1949/50 in einem Kloster erzählt, wir vermuten das hier, weil hier ein Gymnasium im Komplex ist. An der Pforte sitzt eine sehr nette Schwester, die eine Grundschule glaubhaft verneint, zumal sie uns sagen kann, wo die Nibelungenhalle, die der Schilderung nach gegenüber steht, gestanden hat: auf dem Nibelungenplatz. Das nehmen wir uns für später vor. Auch die Gassen hier in der Spitze sind historisch; der recht einheitliche barocke Inn-Salzach-Stil dürfte aus der Zeit nach dem Stadtbrand 1662 stammen. Die Spitze ist eine baumumrandete Rasenfläche, am Donaufer liegen bis vorne die großen Donau-Kreuzfahrtschiffe, die wir aus Mannheim kennen, sie befahren also alle den Rhein-Main-Donau-Kanal. Sehr schön ist das höhere Tempo und die momentan graue Farbe des Inn zu erkennen, die Wasserfarben mischen sich langsam. Es ist eine imposante Ecke, die durch die Vesten Oberhaus oben am anderen Donauufer, Niederhaus unten auf der gegenüberliegenden felsigen Mündungsspitze der braunen Ilz und die umliegenden steilen Hänge bestimmt wird. Wir promenieren ein Stück am Inn entlang und dann in die Gassen hoch auf den 30 Meter hohen Domhügel, das geistige Zentrum der Passauer Fürstbischöfe bis 1803. Immerhin kommen wir zum täglichen Mittagskonzert im Stephansdom pünktlich; von anwesenden mindestens 400 Zuhörern sind wir überrascht und finden gerade so einen akzeptablen Platz unter der Kanzel. Mehr erfahren wir bei der Einführung: fünf Orgeln, drei hinten, eine in der Mitte auf dem Dach mit einem Klangloch in der Decke, eine vorn im Altarraum, alle spielbar von einem Tisch ergeben mit 17974 Pfeifen die größte Orgel der Welt in einer katholischen Kirche. Der Klang ist mächtig und beeindruckend, die ganze Kirche ist erfüllt. Wir schließen sofort die Kirchenführung mit Anneliese Hertel an. Sie erklärt noch mehr zur Orgel: die längste Pfeife 11,3m und 16 Hz, die kürzeste 6mm und 16 kHz. Die Deckengemälde wurden haltbar in den nassen Putz “al fresco” gemalt und stellen insgesamt eine bildliche Armenbibel für Leseunkundige dar, bei der die Farben inhaltliche Bedeutungen hatten. Die Kanzel mit allen Figuren ist, wie vieles, mit Blattgold überzogen, dafür wurden nur 300 g Gold benötigt. Stuckherstellung, weinende Engel, die Größe der gemalten Gesichter und die notwendige Perspektive beim Malen in den Kuppeln werden anschaulich erläutert. Das geschieht mit Funkkopfhörern, ist interessant und hochprofessionell. Wir nehmen den zweiten Anlauf zur Schiffsfahrt, diesmal klappt es, dafür fängt es an zu tröpfeln, und der Regenradar deutet an, dass Passau noch länger am Rand des südlichen Regengebiets liegen wird. Da war es doch nicht so schlau, den Regenschirm zu Hause zu lassen, das kriege ich auch deutlich gesagt, obwohl Marlis ihren regenfesten Mantel mit hat und nur ich nass werde. Die Blicke vom Schiff auf Stadt, Kreuzfahrtschiffe, Mündungsspitze und Festungen sowie die Wallfahrtskirche Mariahilf mit ihrem überdachten Treppenaufgang sind ausgesprochen malerisch, imposant die Mischung der drei Wassermassen. Wir kommen rechtzeitig zur Stadtführung, die macht jetzt der Ehemann der Kirchenführerin, Hilmar Hertel. Er erzählt uns einiges über Fürstbischöfe, Stadtbrand, Rathaus, Salzhandel und die schon immer intensiven Beziehungen zu Österreich und Italien, alles wegen dem Regen eher aus Torbögen, die Herr Hertel alle kennt. Bei der Säkularisierung 1803 landete Passau dann eher unfreiwillig in Bayern, jetzt sei man aber aktiv bayrisch. Das hört man, es klingt allerdings nicht ganz so wie in Oberbayern, wir sind eben in Niederbayern, mit Hang zu Österreich. Die Führung begleitet er mit gelungenen, trockenen, zum Thema passenden Sprüchen. Alles erzählt er, ohne mit der Wimper zu zucken wie als Abschied zum Regen: “Petrus ist ein alter Mann, er kann das Wasser nicht mehr halten”. Jetzt greifen wir erstmal eine Empfehlung auf für ein Café, der Kuchen ist gut, das Ambiente weniger. Das Wetter bessert sich, wir machen uns auf zum Kloster St. Nikola. An der Pforte sitzt eine alte Schwester, sie kann sich nicht vorstellen, dass hier Anfang der 50er provisorisch eine Grundschule untergebracht war. Wir halten es trotzdem für wahrscheinlich, alles passt: das Kloster, draußen die moderne grüne Platzanlage, der Klostergarten, war vorher Parkplatz, an der Stelle des “Stadtturm”, einem neunstöckigen Verwaltungsbau, und der Einkaufsgalerie Nibelungencenter stand bis 2005 die Nibelungenhalle von 1935 im Nazi-Stil, bekannt für Veranstaltungen der CSU und NPD. Heute ist der Eingang zum Kloster gleichzeitig Eingang der Universität, die sich weiter am Fluss Inn entlangzieht, und oberhalb liegt die Passauer Löwenbrauerei. Wir gehen weiter zum damaligen Wohnhaus unserer Ideengeberin, zur Spitalhofstr. 11, nur einen Kilometer von hier, dort ist ein entsprechend altes Haus, aber nur zwei Stockwerke hoch, gehört dem früheren Blumenladen Merkbach gegenüber, das passt nicht, bestätigen uns Anwohner. Dahinter hat früher noch ein Haus gestanden, auch nicht höher. Im weiteren Verlauf der Straße gibt es Reihenbebauung in der passenden Höhe, da könnte es dann aber jedes Haus sein. Mehr Daten haben wir nicht, also belassen wir es bei Fotos. Ansonsten ist die Gegend hier eher einfache Wohngegend ohne Besonderheiten und ohne den Charme der Innenstadt. Wir gehen flott zurück zum Dom, wir wollen das wöchentliche Abendkonzert um 19:30 hören und einen guten Platz bekommen. Das gelingt uns, in der Wartezeit wächst der Text. Diesmal spielt der Domorganist Ludwig Ruckdeschel zusammen mit dem Posaunisten Paul Zauner neben klassischen Orgelstücken Improvisationen. Wir sind begeistert und vertieft in die Musik, die Orgel erfüllt die ganze Kirche mit einer gewaltigen Dynamik, die Posaune setzt interessante Akzente. Zum Essen haben wir uns die Stiftschenke ausgesucht. Die Historie des Hauses reicht bis 1358, die Einrichtung ist alt und stilvoll-gemütlich, die Stube gut gefüllt, die Speisekarte regional, die Weine aus eigenen Gütern in Österreich, die Bedienung aufmerksam. Wir haben gerade bestellt, da nehmen am Tisch gegenüber die Solisten des Abends mit Familie Platz, wir erkennen sie aus dem Programmheft und am Posaunenkasten. Der Sohn des Posaunisten interessiert sich für meine Forelle Wiener Art, die auf dem Bauch auf dem Teller steht, so kommen wir in Kontakt. Nach dem Essen setzen wir uns auf einen Wein rüber, es entwickeln sich spannende Gespräche über unser Projekt, wir erfahren, wie Herr Ruckdeschel zum Organistenberuf und nach Passau gekommen ist, es geht um religionsphilosophische Fragen, und wir erfahren vom “INNtöne.com Jazzfestival – Jazz am Bauernhof von Paul Zauner”, das hört sich spannend an, wir nehmen das auf unsere Agenda. Marlis sammelt Autogramme ein, ein echtes Schmankerl für unsere Ideengeberin, die letztendlich die Begegnung ermöglicht hat. Glücklich über diese bereichernde Begegnung verabschieden wir uns und beenden spät diesen insgesamt sehr gelungenen Tag. Da lässt es sich verschmerzen, dass die Texte des Tages mal wieder liegen bleiben – irgendwann habe ich immer alles wieder aufgeholt.

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