2. September: Ausflug nach Bad Füssing und Pocking

Bad Füssing: Europs größtes Kurbad?, Pocking: Schweinsbraten

Nach dem Frühstück gibts ein lockeres Gespräch mit der Passauer Neuen Presse, unser Projekt stößt auf deutliches Interesse. Wir steuern ein Foto bei, jetzt sind wir auf den Artikel gespannt. Wir planen den Rest des Reiseabschnittes und starten mit dem Bus nach Bad Füssing. Davon haben schon viele erzählt, wir wollen uns diesen Hype mal ansehen. Vorrecherchen ergeben, dass der Thermalbetrieb erst in den 60er Jahren gestartet und sich bis in die 80er voll entwickelt hat. Mit Historie hat das also nichts zu tun, Basis ist eine bei anderen Bohrungen zufällig entdeckte sehr starke, 56° heiße Thermalquelle, die per Ringleitung in vier öffentliche Thermen und weitere private Kureinrichtungen verteilt wird. Bad Füssing entstand dann 1971 durch Zusammenlegung mehrerer kleiner Gemeinden mit vormals landwirtschaftlicher Struktur. Beim Durchlaufen durch den kleinen Ort treffen wir nur auf Kureinrichtungen: Pensionen, Appartmenthäuser, Kurmittelhäuser. Alle freistehend, nicht hoch, aus den letzten Jahrzehnten, ohne jeden Charme, wahrscheinlich zweckmäßig. Die angebotenen Appartments sind recht groß und günstig; die Möblierung ist allerdings noch hässlicher als die Häuser selbst, da würden wir nicht geschenkt drin wohnen wollen. Überhaupt begegnet uns hier nur sehr Gewöhnliches, dafür äußerst Aufgeräumtes. Irgendwie Appartmentstil wie an der türkischen Küste, nur nicht so groß und noch steriler. Nichts da, was uns interessiert, dafür alles da, was uns nicht interessiert. Wir sehen uns die katholische Kirche von 1964, einen modernen Bau mit spitzem Schiff von 1964, und die kleinere evangelische, ein Sichtbetonbau von 1972, an. Die letztere könnte uns in ihrer schlichten Quaderform (Motto: Ein feste Burg …) gefallen, hätte man nicht die eine Ecke 1991 schräg mit einer modernen Orgel mit Prospekt aus rötlichem Holz und die noch freien Wände 1994 mit fünf möglichst großen quadratischen abstrakten Bildern eines bekannten Malers vollgestopft und so versucht, die Kirche gefälliger zu machen. Es gibt viele Geschäfte bis zu Kaufhäusern, die Mode ist extrem bieder, dafür viel davon. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das der Massengeschmack ist, schließlich kommen hier viele Selbstzahler hin. Entsprechend ist auch das große Kulturprogramm: Stars, Volksmusik, Leichtes, Altbekanntes. Der Ort wird in manchen Publikationen als das größte Heilbad Europas bezeichnet; mit allen Ortsteilen knapp 7000 Einwohner, aber über 14000 Gästebetten und über 2,6 Mio. Übernachtungen im Jahr. Wir suchen noch nach dem Reiz des Ortes. Sind es die vielen Golfplätze drumrum, der nahe Inn mit Auenwald, oder das letzte erhaltene und skurril mit allen möglichen alten Gerätschaften behängte Bauernhaus am Markt des Ur-Ortsteils Safferstedten, das wie ein Relikt wirkt, oder das Romantikhotel gegenüber mit Bächlein davor? Die Parks sind langweilig, Rasen mit Bäumen und ein paar Bänken und mal ein Teich, dafür sehr aufgeräumt. Im Kurpark kommen einige bunte Beete und Hecken dazu. Die ganze Architektur besteht aus relativ phantasielosen 70er-Jahre-Betonbauten, auch die große Spielbank und die Kurhäuser. Vielleicht liegt der Reiz auch in den vier riesigen Thermen, alle mit einer wahren Erlebnis-Landschaft an Außenbecken. Für uns ist das hier jedenfalls gar nichts, es dürfte mit der reizloseste Ort des Reisejahres gewesen sein. Am Nachmittag fängt es wieder so an zu regnen wie gestern, wir sind passend in der Nähe eines Cafés und nehmen Kaffee und Kuchen zu uns, das ist hier allerdings recht preiswert. Wir sitzen hier etwas länger als geplant, bis der Regen erträglich wird, und laufen dann noch durch den Kurpark und nehmen den Bus 90 Minuten früher, und stoppen in Pocking, dem Startpunkt unseres Reisejahres. Damals wollten wir die Mutter eines Ideengebers besuchen, wir trafen sie nur an der Tür, sie hatte Besuch und hatte uns eingeladen, nochmal auf einen Schweinsbraten zu kommen. Und dann ist sie im Januar plötzlich gestorben! Nun können wir sie nur noch auf dem Friedhof besuchen, finden ihr Grab, beten und zünden bei jetzt aufkommender Sonne ein Licht an. Es stimmt schon nachdenklich, wie sich Situationen so plötzlich und unerwartet ändern können. Wir gedenken ihr mit einem Besuch im Pockinger Hof, den wir am 10.10.10 schätzen gelernt haben, und essen einen vorzüglichen Schweinsbraten und Weißwürste, alles ungeheuer preiswert und bayrisch, wenn auch zur falschen Tageszeit. So erreichen wir den Zug nach Passau, der gemütlich in der Abendsonne in Schleifen durch kleinste Orte zuckelt, die österreichischen Orte am Hang auf der anderen Innseite im Hintergrund, mit langsam aufsteigendem Nebel. So sind wir endlich einmal früher im Zimmer, die Texte machen Fortschritte, und wir können vielleicht etwas früher schlafen, so lang waren die Nächte bisher ja nicht, und morgen haben wir ordentlich was vor.

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Eine Antwort auf 2. September: Ausflug nach Bad Füssing und Pocking

  1. Brigitte Faulhaber sagt:

    Danke erstmal für die nette Ansichts-Karte von Bad Füssing!!!!
    Ihre Beschreibung des “größten Kurbades Europas” ist ja erschreckend real, nüchtern, eigentlich direkt negativ. Einige Punkte stimmen zwar, aber es muß doch was dran sein, wenn soooooooo viele immer wieder hinfahren…..es ist das Wasser!!!!!! Wer krank ist, möchte Abhilfe schaffen, und das kann das Wasser tatsächlich.
    Ansonsten ist es in Bad Füssing eher ruhig, was ja manche Städter suchen, die Ruhe nach einem langen Arbeits-Jahr.
    Ihre Reise geht nun zu Ende und ich glaube, es wird Ihnen in LU in Zukunft eher langweilig sein. Da kommt bestimmt noch was anderes nach…..
    Mit herzlichen Grüßen
    Brigitte Faulhaber