25. August: Neustadt an der Weinstraße

Tagestour nach Neustadt (Ziel: Johanna): Stadt, Stiftskirche, Haardter Schloss

Heute haben wir – besser Marlis – das größte Medieninteresse bisher losgetreten: Schon zu Hause besucht uns der Fernsehsender “Offener Kanal Ludwigshafen OK-TV”, der uns bis in die Stiftskirche begleiten wird, später haben wir ein Gespräch mit der Zeitung “Die Rheinpfalz” und am Ende treffen wir uns mit dem Radiosender “Antenne Pfalz”. Wir versuchen, uns so weit wie möglich nicht durch der Anwesenheit von Medien bei unserem üblichen Vorgehen beeinflussen zu lassen, wir reden natürlich miteinander, aber nehmen keine Rücksicht. Die Anfahrt nach Neustadt an der Weinstraße ist denkbar einfach: 30 Minuten mit der S-Bahn ohne Umsteigen. Unsere Ideengeberin Johanna (Name geändert) hat uns aus ihren fünf Jahren Neustadt Anfang der 50er Jahre einige Stichworte geliefert, die wir auf einem Zettel vorbereitet haben, auf der Fahrt bringen wir sie in eine mögliche Reihenfolge. Wir beginnen gleich gegenüber dem Bahnhof mit der gut ausgestatteten Touristen-Information und fragen nach den Festen in Neustadt. Die Winziger Kerwe an der Wiesenstraße im Juli als damals größtes Fest mit Feuerwerk gibt es seit zwei Jahren nicht mehr, heute ist das deutsche Weinlesefest das größte, dazu kommen noch diverse Weinfeste, auch in den Ortsteilen. Wir haben ausführliches Informationsmaterial mitgenommen, so fällt uns der lustige Elwedritsche-Brunnen auf, in dem sich die Pfälzer Fabelwesen gegenseitig bespritzen. Die erwähnten guten Torten sind uns sowieso ein Anliegen, unser Weg führt uns daher gleich bei der Confiserie Michel vorbei, die seit sechs Jahren von Konditormeister Jochen Müller geführt wird, den wir schon lange von Slowfood kennen. Er steht persönlich im Laden, ich nehme schon mal zwei Kugeln Eis mit – wirklich himmlisch, besonders Zitrone mit Holunderblüten. Neustadt ist uns eigentlich bekannt, da um die Ecke, so genau haben wir jedoch noch nie hingeschaut. Wir entdecken die üblichen Bausünden, die sich immerhin an die alte Straßen- und Gassenstruktur anpassen; viele schöne Fachwerkhäuser und Steinhäuser aus dem 19. Jahrhundert prägen jedoch das malerische Stadtbild. Exemplarisch gehen wir durch die Hintergasse mit immer noch vielen Lokalen. Auf dem Weg führt Marlis spontan und zur Idee passend Interviews in einem Handarbeitsladen und auf dem Wochenmarkt. Das gute und preiswerte Lokal von damals, den Gasthof zur Post mit Kopfsteinpflaster-Passage und Steintrögen finden wir erkennbar wieder, auch das Essen stimmt, heute wird es von einem Pfälzer Griechen geführt, der es locker hinbekommt, in der knappen Zeit das Mittagsgericht zu servieren, während uns die “Rheinpfalz” ausfragt. Mit dem evangelischen Pfarrer der Stiftskirche Oliver Beckmann sind wir verabredet, er ist erst ein Jahr in Neustadt, intensiv mit der Sanierung der Kirche beschäftigt und plant Angebote im Rahmen einer “offenen Kirche”, da der Eingang direkt am touristisch zentralen Marktplatz liegt. Er hat die Kirchenführerin Helga Gutermann mitgebracht, die schon hier konfirmiert wurde. Die Kirche ist eine Doppelkirche, direkt hinter dem Altar ist eine Mauer eingezogen, der östlich liegende Chor dahinter ist katholisch. Aktuell ist der Boden der Kirche entfernt, darunter sind Grabplatten aus dem 14. Jahrhundert aufgetaucht. Die Kirche in der heutigen Form geht auf die Wittelsbacher Kurfürsten Rudolf II. und Ruprecht I., den Gründer der Universität Heidelberg, zurück. Die gotische Kirche wirkt ausgeräumt besonders mächtig, nichts lenkt vom Mauerwerk ab, nur das große moderne Gemälde auf der Trennwand sticht heraus, mit Motiven von Karfreitag, Ostern bis Himmelfahrt auf dem Regenbogen. Die Kirche hat entsprechend ihrer Bedeutung zwei Türme, ein städtischer Türmer war für Feuerwache und Zeit zuständig und wohnte in der heute nicht mehr genutzten Turmwächterwohnung in der Spitze des Südturms, der dazu umgebaut worden war. Der Glockenstuhl in beiden Türmen ist weitgehend ursprünglich, die meisten Glocken sind Nachkriegsmodelle, bei der größten bringen wir den Klöppel in Schwung und staunen über Lautstärke und Nachhall eines einmaligen Anschlags. Der Pfarrer begleitet uns weiter über den Treppenweg hinauf auf das Haardter Schloss, früher mit Café, heute in Privatbesitz und nur bei bestimmten Veranstaltungen zugänglich. Prof. Dr. Frank Sobirey ermöglicht uns die Besichtigung, wir dürfen durch den Park streifen und an der höchsten Stelle in den Veranstaltungssaal und vom Ecktürmchen über Haardt zu Füßen in die Weite der Rheinebene mit großen Weinflächen und zur Rückseite in das enge Meisental schauen. Wir verabschieden uns von Herrn Beckmann und steuern das Traditionscafé Bassler an, diesmal Torte mit Wein. Auf der Gasse sitzend haben wir ein gutes Gespräch mit der jungen Reporterin der “Antenne Pfalz”, die aus Düsseldorf kommt und sich hier wohlfühlt. Das Café ist etwas in die Jahre gekommen, ein paar Innovationen könnten nicht schaden. Es ist den ganzen Tag ordentlich heiß und schwül, die Sonne zeigt sich kaum, wir bekommen aber nur jetzt ein paar Tröpfchen zu spüren. Wir gehen nochmals bei Jochen Müller vorbei, er hat zwar schon zu, sieht uns aber, stellt uns seine Backkurse für Kinder vor, verkauft uns gerne von seinen ausgefallenen Torten und ergänzt diese mit einem vorzüglichen Gugelhupf; gleich essen geht aus Kapazitätsgründen nicht. Die Marktfrau hat uns die “Schwarze Katze” empfohlen, ebenfalls ein traditionsreiches Café, seit einigen Wochen neu eröffnet und stilvoll modern eingerichtet, wo wir den gelungenen intensiven Besuchstag mit einem Pfälzer Wein beschließen, um dann mit der S-Bahn zurückzufahren.

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3 Antworten auf 25. August: Neustadt an der Weinstraße

  1. Herzlichen Glückwunsch – jetzt habt ihr auch meine Geburtsstadt Neustadt an der Weinstrasse (früher an der Haardt) besucht. Wir müssen uns unbedingt treffen und ihr müßt mir erzählen. Natürlich liebe ich auch das antike Cafe Basler. Mehr als ihr erlebt habt, kann man in einen einzigen Tag nicht stecken. Heute morgen habe ich Euch ein Extraexemplar der RHEINPFALZ Mittelhaardter Rundschau gesichert.

    Viel Spaß noch ihr beiden
    ihr seid zu beneiden
    auf all eueren Wegen
    begleit euch Gottes Segen
    und kommt dann das Ende der Reisen
    werden euch die Auftraggeber alle lobpreisen.

    mfg
    bwr

  2. Oliver Beckmann sagt:

    interessante Blickwinkel, einladende Bilder und ganz nebenbei einige reizvolle Geheimtipps!

    Alles Gute und Gottes gelingenden Segen für die weiteren Stationen eines außergewöhnlichen Projekts!!

    Oliver Beckmann

  3. Gabriele Heck sagt:

    Dieser Bericht und insbesondere auch die Fotos machen Lust, mal wieder nach Neustadt an der Weinstraße zu fahren. Muss lange her sein, dass wir dort waren.
    Und: Das Eis der Confiserie Michel will ich unbedingt probieren, wo es doch nunmehr sehr selten wirklich gutes Eis gibt!
    Wo schmeckt (nicht nur) Eis denn heute so, wie ich es aus meiner Kindheit in Erinnerung habe?