29. Juni: Norddorf und der Strand

Norddorf auf Amrum: Eingewöhnen, Strand erleben

Erstmalig im Reisejahr schlafe ich heute länger als Marlis und hechte zum Frühstück hinterher. Das Wetter sieht draußen noch gut aus, auch die Sonne ist zu sehen. Wir informieren uns über Ort, Wattwanderungen, Veranstaltungen und kaufen ein. Dann starten wir in die Dünen. Im Naturschutzgebiet gibt es hier keine Trampelpfade mehr, nur die Spuren der früheren sind noch zu sehen, sie sind mit Sperrtafeln gekennzeichnet. Die jetzigen Wanderwege sind einen Meter breit und als Bohlenwege auf 30 cm hohen Stelzen mit vielen integrierten Sitzbänken gebaut. Das ist zwar nicht unaufwändig, aber sehr effektiv. Die kargen, äußerst empfindlichen Dünen mit auch so noch vielen offenen Sandflächen werden nicht weiter unterbrochen, die Wege wehen nicht zu und das Holz kann nicht in der Feuchtigkeit stehen. Das Abweichen vom Weg wird erschwert. Stufenkanten sind dezent grün gekennzeichnet, alles sehr naturangepasst. Von der Holzplattform auf der Aussichtsdüne haben wir Blick auf den Leuchtturm, das Nordhorner Quermarkenfeuer, Hörnum auf Sylt, Norddorf und das Watt mit Föhr dahinter. Wir beobachten im Regenradar, wo die wilden Schauer bleiben, bisher ist alles woanders, hier scheint sogar meist die Sonne, und es ist angenehm lauwarm. An geschützten Stellen blühen noch Kartoffelrosen, während sich aus früheren Blüten schon “Kartoffeln” bilden. Auf dem Steg liegen kleine tiefviolette Haufen, die Möven und Wattläufer fressen zu dieser Zeit gern die Krähenbeeren, die hier wie Heidekraut wachsen. Im meernahen Bereich, wo sich wegen Wind und Sand kein Humus ausbilden kann, wächst besonders der Strandhafer, der mit seinem Wurzelgeflecht den Sand und mit eingerollten Blättern das Wasser festhält. Insgesamt ist es eine kleine Mondlandschaft, blass grün-gelb, ein Miniatur-Mittelgebirge, in dem man manchmal nichts außer Dünen sieht. Wir überschreiten den Dünenkamm südlicher als gestern, vorn ist eine kleine Aussichtsplattform, von der man schön die hier am FKK-Strand locker stehenden Strandkörbe sieht, als etwas dichtere Zeile vorn am Wasser und einzelne hinten am Dünensaum. Das weiße WC-Häuschen ist weithin identifizierbar, dort rüsten wir auf barfuß um und gehen über den schön festen Sand zum Strand. Der Kniepsand, wie der hier 600 m breite, in der Regel nicht überflutete Sandbereich heißt, lässt sich bestens begehen, barfuß sind die Zonen mit Muschelsplittern allerdings eine Herausforderung, bei der man sich wie ein Fakir fühlt. Etliche Strandkörbe vorn sind offen und frei, für einen kurzen Aufenthalt belegen wir einfach einen klassisch blau-weißen. Spontan entscheide ich mich trotz abnehmendem Wasser zu baden, es gibt keine Warnungen, keinen Wind und keine Wellen. Zwei Reihen rauschen etwas, ich muss durch nur knöcheltiefes Wasser über beide rüberlaufen, dann wird es hüfttief und reicht zum Schwimmen. Ein Genuss, und es fühlt sich wärmer als 17° an. Marlis läuft nach dem Sonnen ebenfalls eine Runde durchs Wasser. Als wir wieder aufbrechen, liegen die flachen Stellen schon trocken, hier lässt es sich besonders gut barfuß laufen, besonders auf den oberflächlich weichen Bereichen, weniger auf den hart-welligen. Am großen Strandausgang, wo man Strandkörbe, Bollerwagen und Schaufeln mieten kann, ist alles etwas dichter und mehr Betrieb, aber keinesfalls überfüllt. Wie wir nachlesen, gibt es etwa 2200 Gästebetten in Norddorf, etwa dreimal soviel wie Einwohner. Die höchsten Gebäude sind zweieinhalbstöckig und fallen zwischen den vielen Bäumen kaum auf; fast alles ist Backstein, einzelne gelbe oder weiße Häuschen sind dazwischen. Reetdächer sind selten und erst bei Neubauten wieder im Kommen; 1925 ist der Ort fast komplett abgebrannt. Das angepeilte Café am Strandausgang hat Ruhetag, wir müssen mit dem Dünenblick vorlieb nehmen, der zwar erhöhten Blick Richtung Meer bietet, aber auch auf die alte Schwimmbadruine zu den Füßen. Das 60er-Jahre-Gebäude ist auch nicht viel besser und nicht gerade ein Aushängeschild an dieser exponierten Stelle, immerhin wird der Rest jetzt mit Ausstellungen vom Naturschutzverein genutzt. Hier erleben wir den ersten kleinen Regenschauer, beim weiteren Gang durch das Fußgängersträßchen gibt es noch ein paar Tropfen, das ist dann alles, was Amrum von der großen Regenankündigung abbekommen hat, also ein unerwartet gut nutzbarer Tag. Ein paar kleine nette Geschäfte gibt es, besonders fallen das Café und das gediegene, aber angenehme Romantik-Hotel in der Ortsmitte auf, wo wir die Happy-Hour nutzen. Vom Zimmer aus die Überraschung: alle besseren Restaurants des Ortes haben keinen Platz mehr, wir schauen noch zwei an und bleiben im Fischbäcker, einem sehr empfohlenen Fischhändler mit einfachem Restaurant. Wir bereuen es nicht: die ganze große Nordseescholle und das Rotbarschfilet sind vorzüglich gemacht, frisch, auf den Punkt gebraten und sehr lecker. Der Wind hat jetzt wie erwartet aufgefrischt und kommt von Nord-West, auf dem Zimmer tippen wir noch etwas und schlafen ein.

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