28. Juni: Nach Norddorf auf Amrum

Amrum: Unsere längste Fahrt am wärmsten Tag nach Norddorf

Die fast zwei Wochen Reisepause waren intensiv und sind gut gelungen. Es gab mehrere Unterbrechungsgründe, alle sind erfolgreich erledigt, der dickste Brocken war die Teilnahme unserer Dachterrasse beim Tag der Architektur Rheinland-Pfalz als eines von 100 Objekten. Das Interesse war riesengroß, über 250 Besucher haben wir begrüßt. Für mich sind das immer Anlässe, bei deren Vorbereitung ich zu Hochform auflaufe: Die Terrasse ist jetzt komplett auf Vordermann gebracht, alles gesäubert, gestrichen, neue Lampen, just in time. Heute morgen, direkt vor der Abfahrt, sind noch die Rechnungen für den Monat rausgegangen, also beste Ausgangslage für den nächsten Abschnitt. Nach dem für uns selbst nicht selbstverständlichen Nachweis unserer Noch-Bergfähigkeit am Watzmann testen wir diesmal unsere Sturmfestigkeit auf Amrum, zumindest lässt der Wetterbericht darauf schließen. Schade wäre nur, wenn ich deswegen nicht baden könnte. Amrum haben wir eingeschoben, weil Marlis wegen ihrer intensiven Pollenallergie das Aufsuchen weiterer grüner Höllen in der Gräserzeit nicht mehr zuzumuten ist. Mal sehen, ob der angedrohte Westwind hier Positives bringt.
Heute steht uns die bisher längste Fahrt bevor, die wir sicher genießen, von 9:00 bis 20:20. Bei den angedrohten 35° prüfen wir stichprobenweise die Klimaanlagen der Bahn. Die S-Bahn funktionierte, nun wandere ich mal durch den ganzen ICE Typ 1 auf der wohlbekannten Strecke nach Hamburg. Wir sitzen wie üblich im Wagen 1, der leerste der 2. Klasse mit den Wagen 1 bis 7. Die Füllung nimmt zur Mitte hin zu, am vollsten sind die typischen Gruppenwagen 4 bis 6. Nach dem Bistro-Speisewagen kommt die erste Klasse mit den Wagen 9, 11, 12, 14. Auch hier: die Wagen 12 und 14 sind am leersten. Und: in allen Wagen funktioniert das Klima. Wir steigen schon in Hannover um, der IC fährt schon von hier aus, und die Anschlusszeit ist sowieso reichlich. Hier wird überall angekündigt: Westerland mit Kurswagen nach Dagebüll. Nur steht nirgendwo, welche Wagen das sind, nicht mal auf dem Wagenstandsanzeiger. Die Bahner wundern sich selbst, kennen allerdings, die Wagen. In den alten IC-Großraumwagen funktioniert überall die Klimaanlage, am Ende hängt allerdings ein alter IR-Wagen mit Fahrradabteil, bei dem man fürs Klima die Fenster öffnen kann. Draußen steigen die Schattentemperaturen an, Hamburg 29°, Mannheim 33° bei voller Sonne. So schwächelt die Klimaanlage und reicht mit der Zeit nur, um unter 30° zu bleiben, außer natürlich an den Sonnenfenstern. Uns macht das im Grunde nichts aus, wir lesen munter weiter. Die anderen Gäste im Zug unterscheiden sich etwas vom gewohnten ICE-Publikum. In den Kurswagen sind nur Urlauber und wollen nach Föhr oder Amrum. Man langweilt sich, hat nichts zu lesen oder sonstige Beschäftigung, da fällt die Wärme natürlich besonders auf, und müdes Stöhnen ist ja auch eine Aufgabe. Die Bahn ist aufmerksam: irgendwann werden Mineralwasser-Tetrapacks verteilt, obwohl ich es gar nicht so dramatisch finde; die Fahrgäste nehmen es gern an. Die Klassenfahrt im alten IR-Wagen scheint sich wohler zu fühlen, es ist dort kühler, dafür herrscht dort mit den offenen Fenstern voller Fahrtwind, auch nicht jedermanns Sache. In Niebüll werden die zwei Wagen auf die Nebenstrecke der neg umgesetzt und zuckeln mitten durch die grünen Felder nach Dagebüll. Dort gehts sofort nach dem Fahrkartenkauf los auf einer hochmodernen, großen Autofähre über Wyk auf Föhr nach Wittdün auf Amrum. Es ist sonnig, sehr warm und fast windstill. Bei der Fahrt navigiert das Schiff durchs Flachwasser, es ist immerhin direkt nach Niedrigwasser, auf dem GPS-Bildschirm an der Theke leuchtet immer “Danger”. Um 20 Uhr gehts gleich in Wittdün nach architektonisch fragwürdiger Begrüßung mit dem Bus nach Norddorf, quer durch die Insel. Wir stellen sofort fest, das überall um die Küche 21 Uhr schließt. Wir laden also im ordentlichen, aber nicht besonders schönen Hotel ab und laufen sofort los. Da sowieso keine Zeit zu geruhsamer Auswahl ist, wählen wir die einfache Pizzeria am Hauptplatz, die auch noch Indisch zu bieten hat. Immerhin können wir bei der Hitze draußen sitzen, in der letzten Abendsonne, das passt gut. Das Örtchen ist hübsch und in keiner Weise aufgedonnert. Wir machen noch einen Abendspaziergang durch die weiten Dünenhügel zum breiten, mit meist festem Sand gut begehbaren Strand mit schön bunten, verteilten Strandkörben, es scheint genug Platz zu sein. Der Rückweg geht vorbei am von Bodelschwingh gegründeten früheren Hospiz, dem Start des Tourismus Ende des 19. Jahrhunderts, heute ausgedehnte Erholung für Mutter und Kind, durch die Fußgängerstraße mit kleinen Kneipen, Restaurants und Läden, es ist jetzt praktisch nichts mehr los. Zum Abschluss treffen wir auf den Lichtblick, das einzige Inselkino mit interessantem Programm, unsere Filme sind allerdings in der vorigen Woche gelaufen. Im Zimmer angekommen, schlafe ich gleich, mir stecken noch die Anstrengungen der letzten Heimatwochen in den Knochen.

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2 Antworten auf 28. Juni: Nach Norddorf auf Amrum

  1. Gabriele Heck sagt:

    Wenn ich es recht bedenke, könnt Ihr beiden auch als Bahn-Tester eine Expertise schreiben. Ausreichend Erfahrung habt Ihr ja. Wer hat schon mehr Stichproben innerhalb eines Jahres als Ihr vorzuweisen? Bietet das der Bahn doch mal an; ernsthaft!

    Außerdem habt Ihr mich mit Eurem Bericht an einen sehr schönen Urlaub in Wyk auf Föhr erinnert zu der Zeit, als ich noch mit meinen Eltern verreiste.
    Klima, Landschaft und Ort hatten es mir damals sehr angetan.

  2. Stan sagt:

    Liest sich sehr schön. Mit dem Tag der Architektur, dass kann ich mir gut vorstellen, dass da viel los war. Doch ich finde Ihr beschreibt sehr schön, wie es Euch bei der Bahnfahrt am wohl wärmsten Tag des Jahres ergangen ist.
    Nur gut, dass die Klimaanlagen für Euch funktioniert haben. Man hat es ja auch schon anders in Erinnerung. Das Euch die Fahrt nach Norddorf ohne große Zwischenfälle geglückt ist, ist ja schön für Euch und ich hoffe, Ihr habt dort schöne Tage und genießt Wellen, Sonne und Sand.