14. Mai: Sylt – von Süd nach Nord

Sylt: In Busetappen nach Süden: Hörnum, Sansibar und Norden: Weststrand, Kampen und Wenningstedt

Heute soll das Wetter schlechter werden, danach siehts allerdings noch nicht aus. Wir starten mit einer Strandwanderung bei Hochwasser bis zum Südende von Westerland. Am Strand treffen wir tatsächlich zwei Surfer in Anzug und Kopfhaube, die sich mit dem Brett unter dem Arm gegen den Wind über den Strand kämpfen und uns ganz fröhlich Auskunft geben, bevor sie sich ins Wasser stürzen. Am Campingplatz gehen wir durch einen ungewöhnlichen Wald aus kleinen Erlen mit Unterholz aus Farm. Der erste Bus bringt uns nach Hörnum in den Süden. Dort tröpfelt es etwas, der Regenradar sagt uns aber, dass wir uns da keine großen Gedanken machen müssen. Das Zentrum des Dorfes zeigt sich etwas bieder: weiß gestrichene Backstein-Reihenhäuschen mit einem typischen Fußgängerzonen-Pflaster. Mit einem fernen Rückblick zum Hafen starten wir auf dem wattseitigen Strand zur Umrundung der Südspitze, überragt vom Leuchtturm. Nach dem Hochwasser läßt es sich ganz gut an der Wasserkante gehen: die war erst vor kurzem nass und ist daher noch hart. Brandung gibt es hier keine, nur einige verfallene Buhnen, die – im Gegensatz zur belebten Westküste – nicht besonders gekennzeichnet sind. Rund um uns drohen einige graue Wolken. Wir erreichen die Südspitze und sehen Föhr gegenüber. Mit der Wende nach Norden am Weststrand wirds windiger und kurz feucht, erster Test für Kleidung und Regenschirm bei der heute konstanten Windstärke fünf. Am Himmel vollziehen sich in kurzer Zeit faszinierende Wechsel: das nächste Grau zieht knapp vorbei, hinten sieht man Schauer, und kurz danach scheint die Sonne und trocknet alles. Wir laufen auf gewaltige Reihen von Wellenbrechern zu, die wohl die Südspitze schützen sollen, die sich in den letzten 50 Jahren stark verändert hat. Die Umrundung ist ein wirklich lohnender Weg, bei dem wir zeitweise den Strand für uns allein haben. Es gibt Zonen mit ganz grobem Sand, und wir finden verwitterte Muschelstücke und Perlmutt. Der Weg zurück in den Ort über Holzstege durch die Dünen ist bepflanzt mit kleinen, aber stattlichen Ferienresidenzen im Friesenstil, alle sehr ähnlich. Das sieht seltsam aus in dieser Mondlandschaft aus dunkelgrünem Heidekraut und hellem Dünengras. Unsere weitere Busfahrt geht zum Sansibar, einem Strandübergang zwischen Hörnum und Rantum, auf dessen Dünenkante seit über 30 Jahren ein Lokal in einem mittlerweile großen Holzflachbau mit Außenterrasse und Spielplatz im Sand liegt. Das ist wirklich ein spezieller Ort: Speisekarte mit sehr kreativen, eigenwilligen Gerichten und ausgefallenen und feinen Getränken – es gibt eine dicke Weinbibel im Piratenlook für den Versand -, alles in einem leicht gehobenen, jedoch den Preis werten Niveau. Die durchweg jungen, dynamischen Bedienungen tragen modern-sportliches Outfit, alle was verschiedenes, aber irgendwie mit “Sansibar” drauf. Das gibt es als eigene Modelinie zu kaufen. Die Bezeichnung Kult trifft voll und ganz. Es ist gut gefüllt, auch der riesige Parkplatz, und die Terrasse ist ganz voll, trotz Wind. Hier ist alles, was jung ist oder sich irgendwie dafür hält, etwas Geld hat und gesehen werden will. Sogar den letzten Rest vom Parkplatz kann man sich mit dem Taxi hochfahren lassen. Wir genießen Erdbeerbowle, Rhabarberschorle, Apfelkuchen und Johannisbeer-Mascarpone-Torte. Nach einem Blick über die Düne fahren wir mit dem Bus mit Umstieg nach Norden zum Weststrand. Das ist einer der wenigen und der letzte Bus auf einer Nebenstraße in diese dünenseitige Ecke, wir lassen daher einen Blick ins Seepferdchen am nächsten Übergang Samoa weg. Im Norden wird die Insel wie ein Dreieck ab Kampen immer breiter, der Mittelteil bildet eine einsame Heide-Dünen-Mondlandschaft, die im 20-Minuten-Takt bis in die Nacht befahrene Hauptstrecke geht im Osten nach List. Bei jetzt strahlendem Sonnenschein erklimmen wir den 26 m hohen Ellenbogenberg,den nördlichsten Punkt unserer Bahn-Zeit-Reise, der eine gute Aussicht über den Ellenbogen, Richtung Romö, über die Heide und beide Meeresseiten bietet. So haben wir wenigstens etwas vom Naturschutzgebiet Ellenbogen mitbekommen, bevor der letzte Bus wieder auf seiner Rückfahrt vorbeikommt. Ein reines Wanderparadies ist der Ellenbogen sowieso nicht mehr; eine mautpflichtige Straße führt mittendurch mit genügend Parkplätzen, so dass mit einer halben Stunde Laufen beide Wasserseiten erreichbar sind – fragwürdiges Zugeständnis an Bequemlichkeit, passt aber zu Sylt, man hat den Eindruck, dass ein passendes Auto hier in jeder Schicht eine Art Statussymbol ist; Fahrrad, Laufen und Bus muss natürlich sein, als Abwechslung, als Weg zum Strand oder für die Rückfahrt, das reicht dann meist. Und die Bahn braucht man, um das Auto rüberzuschaffen. Als wir in Wenningstedt an der Bushaltestelle stehen, brummen drei feuerrote Ferrari vorbei. Hier sind wir ausgestiegen, um bei Gosch am Kliff zu essen. Das kleine Haus ist allerdings hoffnungslos überfüllt, trotz enger Bestuhlung an Bartischen, ebenso draußen alles hinter Windschutz mit Heizpilzen. Die restlichen Plätze sind bei dem Wind und der Temperatur nicht auszuhalten. Aktuell gibts hier um Jürgen Gosch einen richtigen Hype, er wird gerade 70 und ist noch voll aktiv, von Freitag bis Sonntag wird gefeiert, er gilt als Teil des Sylter Images, ebenso wie mit anderem Schwerpunkt Gunter Sachs, auf den wir gestern gestoßen sind. Vor Wenningstedt haben wir es beim Leysieffer-Odin-Bistro in Kampen versucht, die machten gerade zu, es war für die noch keine Saison, und die anderen Preise in Kampen wollten wir uns nicht antun. Wir rufen bei Blum’s Seafood Bistro in Westerland an, da meint man, es ginge bestimmt irgendwie, besonders später. Als wir hinkommen, ist es noch rappelvoll, mit Mühe quetschen wir uns auf zwei Plätze. Blum’s ist seit 40 Jahren Fischhändler mit vier Standorten, und hier noch einem großen Selbstbedienungs-Bistro, Bar und längerer Öffnung. Der Fischladen mit Bratküche ist drei Häuser weiter. Das Fischangebot ist riesengroß und günstig, ich habe eine Gourmetplatte mit allen möglichen Arten von Räucherfisch, Lachs und Krabben, vorzüglich. Ab acht wirds dann leerer; diese Enge in den Fisch-Imbissen dürfte in der Saison noch heftiger sein und allgemein als sylt-typisch akzeptiert werden, vielleicht ist das sogar Kult. Wir gehen durch Westerländer Hinterhöfe kurz vor zum Strand als Abschied, ersparen uns aber eine längere Wanderung, da müsste ich mich bei der Kälte umziehen. Heute abend holen wir das Texten nach, das Song-Contest-Theater im Fernsehen ist ja gar zu furchtbar.

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2 Antworten auf 14. Mai: Sylt – von Süd nach Nord

  1. Erika Siegel sagt:

    Hallo Fam. Jonas-Krueger,

    Sylt ist auch meine Lieblingsinsel, man mag sie oder man mag sie nicht, wie es so heißt.

    Wir fahren immer nach List, wenn wir zu Gosch möchten, da ist alles grösser und es gibt
    noch eine grosse Fisch-und Weinhalle.

    Kaffee und Kuchen ist am besten im “Kupferkessel”.

    Liebe Grüsse

    Fr. Siegel

  2. Sonja Quack sagt:

    Liebe Marlis, lieber Joachim,
    habe mit großer Freude die Berichte, die Ihr mit viel Liebe und Zeit über Sylt geschrieben habt, gelesen. Es ist eine wunderbare Ecke Deutschlands. In Gedanken bin ich mit Euch unterwegs (ist auch nicht so anstrengend). Jedesmal wenn ich eure Bahn-Zeit-Reise verfolge, wird meine Sehnsucht nach Sylt zu reisen größer.
    Vielen Dank für Eure tolle Berichterstattung.
    Herzliche Grüße
    Sonja