13. Mai: Sylt – Der Osten

Sylt: Tandemfahrt um den Ostzipfel: Keitum, Morsum, Archsum
(Ziel: Sonja Quack)

Das Wetter sieht gut aus, das Frühstück auch. Der Start ist trotzdem etwas später, wir haben länger geschlafen und nach einem Tandem rumtelefoniert, weniger erfolgreich. Wenn es eins gibt, dann nur bis 18 Uhr, am Samstag bietet das Touristbüro eine Tour an und hat fast alle reserviert. Auf dem Weg kommen wir zufällig am kleinen Verleih Bruno vorbei, der ein Tandem hat, für das er uns einen Preis bis morgen früh um neun machen kann, so dass wir den langen Abend noch nutzen können. Sonja hat uns empfohlen, die Insel mit dem Fahrrad zu entdecken, und die Inselküche ans Herz gelegt, womit wir gestern abend schon angefangen haben. Wir wollen die Ostspitze erkunden. Das klappt bis Keitum auch gut, der Wind schiebt. Es ist sehr schön hier, viele alte Backsteinhäuser im eigenen Garten, alle reetgedeckt, manchmal schon über 300 Jahre alt. Das Watt sehen wir erhöht von der Terrasse von Nielsen’s Kaffeegarten, von dessen Kuchen-Angebot wir nicht so überzeugt sind. Ein alter VW-Bus mit vergoldetem Dach steht in einer Seitenstraße vor Flieder und einem gelbblühenden Busch. Alles sehr romantisch. Dort, wo wir das Dorfzentrum vermuten, sind etliche noble Modeläden. Weiter kommen wir nicht, ich stelle fest, das ich nur die Wanderkarte mithabe, der Reiseführer scheint im Zimmer geblieben zu sein. Hier fangen also die kleinen Hindernisse an. Ich nehme die Gelegenheit an, mich etwas auszutoben, und fahre allein zurück, während sich Marlis in Keitum umschaut. Gegen den Wind ist es etwas mühsam, mit dem Wind läuft das Rad von selbst. Nach 40 Minuten ist das geschafft, der Reiseführer ist da. Jetzt ist noch ein lästiges Telefonat von zu Hause übrig geblieben, das muss heute weg, verlangt einige Versuche und wird dann auch noch von einem nahen Rasenmäher mehrfach unterbrochen. Vom ganzen Theater muss ich kurz abschalten, dann geht es richtig los. Der Reiseführer ist gelesen, wir fahren ein Stück rückwärts zur berühmtesten Inselkirche, der Seefahrerkirche St. Severin. Der kleine Turm ist weithin sichtbar. Rundrum ist ein sehr gepflegter, schöner Friedhof, mit alten Grabtafeln des Inselchronisten H.-P. Hansen. In den fast ausnahmslos mit Buchsbaumhecken eingefassten Gräbern finden sich Kapitäne, Inselgrößen und Prominente, die irgendwann auf Sylt gelebt haben. In der Kirche sind schöne Holzeinbauten, unter anderen die nur linksseitige Empore. Im Eingang liegt ein bewachtes Kondolenzbuch aus, um 15 Uhr findet eine Andacht für Gunter Sachs statt, die Prominenz läuft langsam ein. Wir fahren durch das schöne, wenn auch etwas noble Örtchen weiter an die Wattküste, müssen wieder hochschieben und erreichen einen ufernahen teilweise sandigen Weg, den wir nur passieren können, weil alles durchgetrocknet ist. Oft sind Gräben leer, und der Boden ist aufgerissen. Wir fahren durch Großmorsum, auch hier schöne Häuser, von denen sicher viele Ferienresidenzen sind. Hier ist es ruhiger. Und die ersten Kartoffelrosen blühen hier, es gibt große Flächen davon, sie werden auch als Hecken auf den mit Erde bedeckten Natursteinwällen genutzt, mit denen viele Grundstücke eingezäunt sind, und dort intensiv beschnitten. Auf einem Hügel am Ostende der Insel ist der Ausgangspunkt für das Naturschutzgebiet Morsum-Kliff. Wir haben Ausblick auf die Inselenden und die Windräder am Festland, auch die Züge fahren auf dem Horizont vorbei. Das Kliff ist eine imposante, jedoch nicht besonders hohe Sand-Abbruchkante, an der verschiedenste erdgeschichtliche Abschnitte zutage treten. Wir fahren über Kleinmorsum, Morsum, wo es richtig gute Torten gibt, und Archsum auf ganz ruhigen Straßen und Radwegen Richtung Deich. Auf den Wiesen spüren wir den Südwest-Wind. Auf dem Weg hinterm Deich gehts besser. Etliche Kilometer lang treffen wir hier nur Schafe und passieren kleine Seen mit viel Schilf und Wasservögeln. Sehr schön ist der Grasdeich im Norden des Rantumer Beckens mit weitem Blick und vielen Schafen und Lämmern, darunter kleine schwarze. An der “Oase” im Süden Westerlands machen wir einen Abstecher über die Dünen und testen den Windschutz eines Strandkorbs. Mit Rückenwind durchqueren wir Westerland bis zum Friedrichshain, einem richtigen alten Waldstück zwischen Westerland und Wenningstedt, in dem tief drin das Lokal Waldidyll von 1928 liegt, urig und einfach als Kontrast zu gestern. Marlis hat ein Seniorenmenü mit Grünkohl(!), der natürlich nicht mit frischem im Winter mithalten kann, und ich pule akribisch an leckeren gebratenen Heringen, nicht zu verwechseln mit Bratheringen, herum. Sehr zufrieden fahren wir in der kalten, windigen Dämmerung zurück auf unser Zimmer.

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