1. Februar: Bad Salzungen und Merkers

Bad Salzungen: Burgsee, Salzsieder, Gradierwerk und Keltenbad
Merkers: Kali-Besuchsbergwerk

Wir können bis zum letzten Frühstückstermin ausschlafen. Das macht Sinn, denn als wir danach rausgehen, kommt gerade die Sonne raus. Es sind nur noch -7°. Im Hellen sieht der Burgsee klein aus, wir umrunden ihn. Der See ist zugefroren und gibt einen tollen Vordergrund für die Kurhäuser ab: weiß bedeckt mit vielen eisigen Streifen. Schnell sind wir rundrum, es bleibt noch Zeit bis zum Termin. Wir unterbrechen in der Stadtbibliothek auf der anderen Seeseite und schauen nach Wanderkarten und Ortsführern. Wir finden welche, die sogar in die DDR-Zeit zurückreichen. Der Bibliothekar entschuldigt sich fast, dass die lokale Wanderkarte alt ist. Die Ausleihe kostet nichts, wir können sogar außerhalb der Öffnungszeiten einwerfen. So sieht also die Verallgemeinerung des Prinzips “Stadtbibliothek Ludwigshafen” aus (siehe Förderer). Und: die Sichtung aller Wanderkarten in der Buchhandlung zeigt: die Wanderkarte der Bibliothek ist genauso neu wie die käufliche! Jetzt wars der Buchhändlerin eher peinlich. Wir gehen weiter durch den Ort in den Stadtteil Silge/Halber Mond. In dieser kleinen Gasse sind noch alte kleine, leider meist verfallende Salzsiederhäuschen vorhanden aus der Zeit, als das Salz noch durch Erhitzen der Sole konzentriert wurde. Irgendwann waren aber die Holzvorkommen der Umgegend erschöpft.
Selbst eine Vorbesichtigung des Keltenbades, zu dem wir eine Eintrittskarte haben, ist zeitlich noch drin. Die Tourist-Info ist gleichzeitig die Anmeldung für Kuranwendungen. Hier gibt es zwei Gradierwerke, man wandelt in Leinenumhängen an den salzigen Reisigwänden entlang. Außer einer Sauna gibt es das Salzbecken, 27%ige Sole wie im Toten Meer, Schwimmen ohne Bewegung, wir werden es testen. Kein Wunder, dass hier der Untertage-Bergbau von Salz begann, wo die Salzbrühe schon so aus dem Boden kam.
Mit unserer Hotel-Buchung hier ist uns eine Eintrittskarte zum Erlebnisbergwerk Merkers zugeflogen, fünf Kilometer von hier, zur Führung um 13:30 Uhr fahren wir jetzt mit dem Bus.
Die Anlage und der Publikumsbereich gehören heute zur Kali + Salz AG, das Clubhaus mit Bürgermeisterei an der Straße ist DDR-Original, und direkt hinter dem Gebäude steht ein Denkmal zur Erinnerung an eine Ansprache, die der Welt erster Kosmonaut, der “Kommunist Juri Gagarin” 1963 vor 15.000 Werktätigen hielt.
Als Eintritt zur Führung erhalten wir eine Fahrmarke für den Förderkorb. Zunächst gibts einen Einführungsfilm. Wir erfahren viel Neues über die Abbaumethoden von Salz unter Tage, die Hauptverwendung der Kalisalze als Düngemittel, und was man bei entsprechend aufwendigerer Aufbereitung noch daraus gewinnen kann. 40% des geförderten Materials sind nur Salz, der Rest ist Abraum, der bei der Separierung über Tage entsteht und so für den Kaliberg z.B. bei Obersuhl sorgt. Die Salzflöze sind bei Austrocknung aus dem Zechsteinmeer vor vielen Jahrmillionen entstanden, sind durch geologische Veränderungen meist vulkanischer Art gefaltet worden und liegen in 400 bis 800 Meter Tiefe. Und: alle Schächte sind unten verbunden, seit der Wende sogar zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen. Man kann zwischen den verschiedenen Höhen und Gegenden unter Tage hin- und herfahren, es gibt viele tausend Kilometer Fahrwege und viele Förderanlagen, über die aus dem ganzen System ein- und ausgefahren und belüftet werden kann. Davon haben wir ja bisher nichts geahnt! Die Fahrten unter Tage sind gigantisch, mal ist es eng, so dass der offene Lkw bei 35 km/h heftig Wind erzeugt, mal weit, überall gehen ausgebeutete Stollen ab. Und es gibt heftige S-Kurven und Berg- und Talfahrten, eine echte Achterbahn. Unser Führer Gunder Krieg erklärt das alles sehr engagiert, lustig und mit lauter Stimme, und so fährt er auch: Erlebnis-Bergwerk eben! Zwischendurch sind auch mal die staubgrauen Salzschichten gestrahlt, so dass das rosarote Kalisalz oder das grau-klare Steinsalz kristallin glitzert. Es gibt mehrere Highlights: den tiefsten Jazzkeller der Welt, eine riesige Bunkerhalle, die zeitweise Zwischenlager für abgebautes Salz war und jetzt für Musik-Veranstaltungen und Kletter-Events Verwendung findet. Wir bekommen die gigantische Akustik mit einer fantastischen Lightshow vorgeführt. Überall stehen historische Abbau-Maschinen, die mit der Zeit immer größer werden, heute sind das alles Ein-Mann-Arbeitsplätze mit riesigen Maschinen. Die Nazis hatten hier ihr Goldlager mit Währungsreserven sowie alle ausgelagerten Berliner Kunstschätze untergebracht. Die Amerikaner haben das entdeckt und im April 1945 abtransportiert, es sollen 650 Mio. Reichsmark in Gold und 3 Mrd. Reichsmark in Scheinen gewesen sein. Genaues wird man erst bei Freigabe des amerikanischen Archivmaterials 2015 erfahren. Alles präsentiert sich in anschaulichen Untertage-Ausstellungen. Zuletzt sehen wir noch eine 1980 zufällig entdeckte große Kristallgrotte mit Salzkristallen bis zu einem Meter Kantenlänge. Hier unten sind es übrigens angenehme 20° bis ganz unten 28° bei 20% Luftfeuchte. Nach über drei Stunden wird die Führung mit der 500 Meter-Auffahrt im dreistöckigen Fahrkorb beendet. Es ist mittlerweile dunkel, und wir beenden den Tag nach diesem phänomenalen Erlebnis, von dessen Existenz wir bis vor kurzem nichts wussten. Dies war übrigens kein Ziel unserer Ideengeber, Bad Salzungen ist auf unserem eigenen Mist gewachsen, und der Rest hat sich daraus ergeben.

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