17. Januar: von Arnsberg nach Bonn

Fahrt von Arnsberg nach Bonn (Ziel: Renate Klöppel), Gang auf ihren Spuren in ihr Viertel

Highlight in dem Hotel in Arnsberg ist das Rührei: gut und heiß. Die Sonne begrüßt uns wieder. Auf der Wanderung zum Bahnhof zwitschern die Vögel, wir bekommen Frühlingsgefühle, auch wenn wir im Schatten noch Rauhreif entdecken. Die Stadt bietet heute morgen nichts besonderes: jeder hat gebaut, wie er wollte und konnte, besonders reich war der Ort wohl nie. Es hat etwas von einem Sammelsurium. Die Ruhr mit ihren Schleifen ist sehr präsent und sieht heute nicht mehr ganz so voll aus: Teile der Böschung sind wieder zu sehen. Über Hagen und Köln kommen wir wie vorgesehen nach Bonn und in unser Hotel, eine weiße Villa in den ruhigen Wohnvierteln hinter dem Bahnhof. Heute wollen wir den Erinnerungen von Dr. Renate Klöppel folgen: In den 70er Jahren hat sie in Bonn promoviert und am Ende der Römerstraße im Nordviertel gewohnt. Sie hat uns mehrere für sie wichtige Punkte genannt; wir ziehen los durch die Innenstadt, wo wir auch auf Beethovens Geburtshaus treffen, zur Beethovenhalle. Dort hat sie, so oft wie es der damalige Geldbeutel erlaubte, Konzerte besucht. Jetzt, am Nachmittag, ist die Halle nicht offen, wir laufen einmal komplett drumherum und betrachten die etwas in die Jahre gekommene Architektur der 50er Jahre. Zwei Kinder fahren Rennen und Kunststückchen mit dem Roller, wie ich früher in Essen, die landen natürlich mit auf der Fotosammlung. Am Restaurant DaCapo blättern die kleinen blauen Mosaikfliesen der Fassade, ein typisches Bild der 50er Jahre. Die Terrasse bietet von erhöhter Position einen freien, großzügigen Blick über den Rhein. Bei der Runde durchqueren wir den Hof der Technik-Andienung; die Treppe nach oben, eine wohl später angebrachte Notausgang-Treppe, wie wir sie auch von vergleichbar alten Ludwigshafener Bauten kennen, weckt unsere Neugier. Beim Erklimmen werden wir natürlich sofort gefragt, ob man uns helfen kann; vielleicht haben wir da die Gelegenheit verpasst, in die Halle zu kommen? Wir wollen aber weiter, bald wirds dunkel. Die Römerstraße ist recht belebt, es ist die Bundesstraße 9 und 54, und wie wir später rausbekommen, führt sie zum früheren Finanz- und Innenministerium. Kein Wunder, dass jetzt Wohn- und Geschäftssituation etwas in die Jahre gekommen aussieht; die Gegend dürfte an Bedeutung verloren haben. Was geblieben ist, ist die Nähe zum Rhein. Auch Stadtbusse fahren in häufiger Frequenz entlang. Wir erreichen das Haus, ein etwas zurückversetztes, dreistöckiges schmuckloses Wohnhaus aus den 60er Jahren kurz vor einer Tankstelle. Vor dem Haus als einzige Dekoration aufgereiht die Müllcontainer. Viele Namen auf wenigen Klingeln, wir versuchen es auf einer nicht überklebten im ersten Stock, wo Renate wohnte, es klappt! Eine jüngere Frau öffnet uns, sie lebt hier seit 10 Jahren als Paar mit Kindern und ist die längste Mieterin. Sie ist nicht so zufrieden, da nicht mehr ins Haus investiert wird, und die meisten Wohnungen zimmerweise an Studenten vermietet werden, wodurch eine hohe Fluktuation entsteht. Sie gibt uns gern ein Interview, ebenso wie die Bewohnerin darüber, zu der wir von einer Besucherin geführt werden, die wir noch treffen, als wir das Haus verlassen wollen. Sie wohnt schon seit dem Studium hier, und ihr gefällt es besser, die Nähe zum Rhein mit den Möglichkeiten zum Joggen ist ihr wichtig, was bei den vielen Laufurkunden im Flur kein Wunder ist. Wir machen Fotos im Hausflur; jetzt haben wir wirklich einen Eindruck des Hauses. Wir umrunden die Örtlichkeit, um zu schauen, ob das Foto mit Renates “Käfer” aus einer der Nebenstraßen stammen könnte, da werden wir nicht fündig. Ein anderer Erfolg deutet sich aber an: es gibt einen Italiener schräg gegenüber, der auf seinem Auto mit “über 35 Jahre” wirbt, und Renate berichtet in ihrer Ideenbeschreibung von einem, der ihre kulinarischen Grundlagen gelegt haben könnte. Das passt: 1975 – da war sie noch da. Er macht erst um 18 Uhr auf. Vielleicht kehren wir nochmal zurück. Nach dieser ergiebigen Spurensuche erforschen wir im Dunkeln die nahe Rheinpromenade, die für Renate bestimmt auch eine Bedeutung hatte: es gelingt, auch in der Dunkelheit eindrucksvolle Fotos zu machen, die den aktuellen Hochwasserstand demonstieren: das Wasser steht bis an den Uferweg und war bestimmt vor kurzem noch drüber. Mit dem Bus fahren wir in die Innenstadt. Bis 19 Uhr schauen wir in einzelne Geschäfte, danach begeben wir uns ins Sudhaus, eine alte Gaststätte am Friedrichsplatz, die – siehe Blogeinträge November/Dezember – Günkohl anbietet. Wir telefonieren mit dem Italiener in der Römerstraße; der Kellner möchte nicht auf einen Nachtisch für uns reservieren, er braucht den Platz vielleicht noch für potentielle Gäste, aber er verrät uns, dass sein Chef da ist. Also lassen wir uns nicht abschrecken und fahren nach dem Essen einfach nochmal hin. Natürlich ist das “Caminetto” am Montag abend nicht überlaufen, wir können zwischen allen Tischen bis auf einen auswählen. Der Kellner empfängt uns nett, aber wiederholt sein Bedauern, dass es auf ein Getränk oder einen Nachtisch nicht gehen würde. Dann stellt er uns seinen Chef vor, und als der unser Projekt verstanden hat, geht natürlich alles, und zum Espresso sind wir eingeladen. Die vorzügliche Zabaione mit Prosecco (wir hören den Schneebesen klappern) haben wir schon am Nachmittag ausgeguckt. Mittlerweile gehört sein kleines Lokal zu den Empfohlenen der Region. Der Chef, Guiseppe Robichon aus dem Norden des Piemont, gibt uns ausführlichst Auskunft über Bonn, die Veränderungen der Zeit, die vielen Politiker, die schon hier waren, und die Veränderungen nach dem Regierungsumzug. Ihm machts nach 35 Jahren immer noch Spaß, und das sieht man ihm an. Entsprechend kommt er kaum rum, er ist schließlich sechs Tage die Woche im Restaurant, und zwei Wochen im Jahr in seinem Dorf im Piemont. Da hat er natürlich noch nichts von Slowfood gehört, obwohl er bestimmt gut dazu passen würde. Wir sind begeistert. Der Bus bringt uns zurück, und ich tippe bis nach Mitternacht.

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2 Antworten auf 17. Januar: von Arnsberg nach Bonn

  1. Giuseppe Robichon sagt:

    Buon giorno ,mille grazie per avere scritto nella vostra bella pagina di Internet sul mio Ristorante , mi a fatto molto piacere la vostra visita di ieri sera e vi auguro una bella giornata auguroni da Giuseppe Robichon

  2. Jeanette Robichon sagt:

    Der Bericht gefällt mir und ihr “Projekt” hört sich spannend an. Ihre Berichte sind schön geschrieben, die Bilder ausdrucksstark.
    Viel Spaß weiterhin wünscht Ihnen eine Robichon-Tochter :)