19. November: Wuppertal

nach Wuppertal: Schwebebahn, Überraschungen in Barmen, weitere Entdeckungen.

Erster Tag Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen, 10 Grad, bewölkt. Durch die Buden geht es auf Gleis 3 in LU-Mitte. Wir warten fünf Minuten auf den Zug, ganz so wie ich es entspannend finde und Joachim es gar nicht mag. Heute bin ich mal dran!
Auf unserer bisherigen Reise haben wir den Verlauf des Herbstes genau beobachten können, gerade fährt der Zug an den Kühltürmen von Biblis vorbei und mir fällt auf, dass gar keine Blätter mehr an den Bäumen hängen, die dunkle Jahreszeit ist mit der Zeitumstellung angebrochen, das müssen wir auch bei unserer Tagesplanung berücksichtigen. An unserer Vierer-Tischgruppe sind wir nur Bahncard 100-Inhaber. Unser Mitfahrer legt einfach die Karte auf den Tisch, um vom Schaffner ungestört schnarchen zu können. Am Freitagnachmittag ist der Zug sehr gut gefüllt, zu 90 % durch junge, schlafende Menschen mit vielen Bundeswehrheimfahrern. Noch im Zug wollen wir uns auf Wuppertal vorbereiten mit Reiseführern aus dem Ruhrgbiet, die Joachim aus der Bibliothek geholt hat, lernen aber gleich, dass diese Stadt im Bergischen Land liegt und nicht mehr im Ruhrgebiet. Also müssen wir uns auf das ausliegende Prospektmaterial im Hotel verlassen. Eigentlich ist unserer Ziel Wuppertal nur zufällig entstanden, denn wir wollten nach Essen, da bin ich meine eigene Ideengeberin, ich will sehen, wo Joachim als Kind gespielt hat. Da in Essen aber gerade Messe ist und nur noch wenige Hotelbetten zu Messepreisen zu ergattern sind, haben wir uns kurzerhand für Wuppertal entschieden, diese Stadt kennen wir beide noch nicht. Das muss ich zu meiner Schande gestehen, obwohl ich im nur 45 km entfernten Dortmund aufgewachsen bin. Mein Vater hat in meinen Kindertagen in den 50er Jahren verkündet, dass im Ruhrgebiet alle Städte gleich aussehen und deshalb der Besuch der anderen Städte nicht lohnend sei. Da bin ich inzwischen ganz anderer Meinung und hole endlich, fast 50 Jahre später dank der Bahncard 100 diese Entdeckungen nach.
In Wuppertal empfängt uns ein noch geschlossener Weihnachtsmarkt und die Schwebebahn. Endgültig hat die Deko überall von Kürbis auf Krippe umgerüstet. Wir beeilen uns, das Gepäck im Hotel nahe Hbf., also in Elberfeld loszuwerden, um noch halbwegs was bei Tageslicht von der Stadt zu sehen und natürlich Schwebebahn zu fahren, im Bahncard-Ticket enthalten. Nicht weit vom Hotel, vorbei an einem großen Sparkassen-Hochhaus, ist die Haltestelle. Beim Betreten schwankt die Bahn, eigentlich logisch, sie steht ja nicht auf Füßen, sondern schwebt, in der Bahn steht an den Ausgangstüren “pendelt”. Aus der Bahn fällt der Blick auf erleuchtete Wohnungen auf Augenhöhe und nach unten auf die Wupper. Wir haben im Hotel eine Broschüre “wegweisend – keiner wie wir” entdeckt und folgen dem beschriebenen Stadtrundgang durch Barmen. In Wikipedia stehen ausführliche Erklärungen zu Geschichte und Industrieentwicklung im Tal der Wupper, das hilft beim Verständnis und macht klar, warum Wuppertal in mehrfacher Hinsicht was Einmaliges und daher gut zum Entdecken ist. Für Touristen gibts auf jeden Fall die Schwebebahn. Wir gehen vorbei an den Bürgerhäusern der Familie Engels von 1775 und 1795 – Friedrich Engels stammt von hier, vorbei am renovierten 50er Jahre Bau des Opernhauses, hier tritt das weltberühmte Tanztheater Wuppertal Pina Bausch auf. Beinahe hätten wir noch Karten bekommen. Diskussionen zur Haushaltsdeckung stehen auch auf dem Programm. Ein Abstecher führt uns zum Bahnhof Barmen, die Buchstaben von “Wuppertal Barmen” sind so über das Zifferblatt verteilt, dass damit die zwölf Stunden gekennzeichnet sind. An der Gemarker Kirche erfahren wir von der Barmer Erklärung der bekennenden Kirche, die hier 1934 zum Nationalsozialismus verfasst wurde. Über den Johannes-Rau-Platz, der hier geboren und auch Oberbürgermeister war, gelangen wir ins schlossartige Rathaus von 1908. Es ist schon 18:30, aber wir haben ja gelernt, nicht schüchtern zu sein, was öffentliche Gebäude anbelangt, also betreten wir das Rathaus durch eine noch offene Tür. Eine freundliche weibliche Stimme fragt nach unseren Wünschen und läßt uns eintreten, macht extra Licht und öffnet uns das Treppenhaus und eine Fotoausstellung der Partnerstadt St.-Etienne. Wir entdecken einen Paternoster, eine heute nicht mehr erlaubte dauernd umlaufende Kette von offenen Kabinen, und sind völlig begeistert, dass es solch einen Aufzug heute noch gibt. Ich kenne so ein Exemplar aus Kindertagen im Dortmunder Rathaus und hatte immer Angst, damit zu fahren, denn was ist, wenn ich oben angelangt bin, stehe ich dann auf dem Kopf? Wir wollen schon das Rathaus verlassen, da fragt uns die Pförtnerin, Erika Venuti, ein echtes “Barmer Mädel”, ob wir Paternoster fahren wollen, sie hat uns den Wunsch von den Augen abgelesen. Zur Sicherheit interviewe ich sie vorher, vielleicht geht da ja hinterher nicht mehr! Sie schaltet ihn ein, und mutig besteigen wir die Kabine, die uns ohne auf dem Kopf zu stehen einmal im Kreis rauf und wieder runter und durch den Keller zurück zum Ausgangspunkt bringt. Vor lauter Aufregung werden die Fotos alle nichts. Mit so viel Freundlichkeit hatten wir in keiner Weise gerechnet und verlassen beschwingt das Rathaus. In der langweiligen “alle Städte sind gleich”-Fußgängerzone, die wir schon Richtung Brauhaus, von Hunger und Durst getrieben, verlassen wollen, begegnen uns drei junge Menschen, die uns einfach was gutes tun und uns mit Kaffee, Tee und Plätzchen verwöhnen wollen. Sie sind von der Freien evangelischen Gemeinde und üben den Umgang mit Ausgegrenzten, hier praktisch aber erstmal das Ansprechen an sich, das ist ihnen bei uns sehr gut gelungen. Interview mit den Jugendlichen Danach gehts ins Wuppertaler Brauhaus, seit 1997 im ehemaligen Volksbad von 1882, wir sitzen also im ehemaligen Schwimmbecken, diese Vorstellung gefällt mir gut. Das Bier ist so flüssig wie das Wasser zum Schwimmen damals, leider lassen die Speisen beim Anblick der Nachbildung der Wuppertaler Schwebebahn über dem Tresen reichlich auf sich warten. So kommen wir erst etwas später wieder mit der Schwebebahn zurück zum Hotel.

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2 Antworten auf 19. November: Wuppertal

  1. Regina Neu sagt:

    Liebe Frau Jonas, lieber Herr Krüger,
    gerade habe ich beim Stöbern Ihren Bericht aus Wuppertal entdeckt und mit Interesse gelesen, weil mein Mann dort aufgewachsen ist. Ich freue mich, dass Ihnen das Brauhaus gut gefallen hat. Mein Mann hatte es zusammen mit meinem Sohn entdeckt, als wir zu Besuch bei den Schwiegereltern waren. Aber Wuppertal hat noch 3 andere schöne Ort, die wir gerne mögen. Das ist zum einen der Zoo, wo unsere Kinder viel Spaß hatten als sie noch klein waren. Zum anderen gibt es dort auch eine Haardt, auf der sich ein wunderschöner botanischer Garten und der Elisenturm befinden. Und für Liebhaber schöner Gemälde ist das Von-der-Heidt-Museum sehr interessant. Vielleicht ist Wuppertal einen zweiten Besuch wert. Liebe Grüße Regina Neu

  2. familie sharafi (kianousch) sagt:

    Liebe Frau Jonas,
    wir haben Ihre schönen Bilder gesehen und wir haben Ihre Dokumente gelesen.
    Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Spaß bei den Reisen !!!

    Viele Grüße
    Fam. Sharafi