11.Oktober: Köln-Ehrenfeld

Aufwachen am Rhein, viele Erinnerungsorte in Köln-Ehrenfeld (Ziel: Gabriele), Treffen mit Jule bei einer Vernissage

Wieder ein strahlend sonniger Herbsttag. Wir treffen uns zum Frühstück in unserem Hotel mit der Journalistin Susanne Kabisch, die ich beim Spaziergangsforschungs-Seminar kennengelernt habe. Wir bleiben in Kontakt.
Am Rheinufer liegen alle Schiffe, die wir vom Rhein bei Mannheim nicht kennen, weil dort ein anderes Hochhaus die Sicht darauf behindert: “Viking Sky” und “Viking Helvetia”. Ausflugsschiffe ziehen ihre Kreise, um möglichst viele Touristen, die schon am Ufer in Vorfreude warten, einzufangen. Jedenfalls ist hier das Rheinufer voll von Touristenschiffen, im krassen Gegensatz zu Ludwigshafen, die gerade den einzigen Schiffsanleger zugunsten einer Einkaufsmeile, der RheinGalerie, abgeschafft haben.
Wir starten gegen 12 mit der U-Bahn (auch in der Bahncard 100 enthalten) zum ersten Auftrag, der von unserer Ideengeberin Gabriele ist, die gebürtig aus Köln stammt. Von ihr haben wir eine umfangreiche Liste von Plätzen aus der Kindheit und Jugend. Ausstieg Subbelrather Str./Gürtel, dann geht es über vier Stunden lang weiter zu Fuß auf Entdeckungstour.
Wir finden sofort ihr Elternhaus am Brandtsplatz 3, gelangen sogar in die 3. Etage direkt vor die Wohnungstüren ihrer Familie und ihrer Großeltern. Das Haus strahlt noch heute einen sauberen, geordneten 50er-Jahre-Charme aus, enges Treppenhaus, sauber und gleichzeitig gediegen-verstaubt. Das Trafohaus vor der Tür samt Freifläche, heute mit wohlgeordnetem Spielplatz und viel Farbe, gibt es immer noch samt Kindern; es ist der erste Tag der Herbstferien.
Landmannstraße, DIE Einkaufsstraße, mit vielen inhabergeführten Fachgeschäften und Kneipen macht noch einen belebten Eindruck. Im Stadtteil leben viele alte Menschen, die hier alt geworden sind und auch viele junge Menschen, die sich hier wohl fühlen. Im Fischgeschäft Ducks, das an Stehtischen einen guten, sehr fischigen Mittagsimbiss bietet, erhalten wir weitere Informationen darüber, wie sich der Stadtteil verändert hat.
Den Standort der ehemaligen Volksschule verrät uns ein Straßenbahnfahrer, der hier zu Hause ist, sein Hinweis stimmt. Container bestimmen den ersten Eindruck der Schule heute.
Pfarrkirche St. Peter: die auskunftsfreudige Pfarrgemeinde-Sekretärin bestätigt uns, dass die Kirche nach mehreren Brandstiftungen nicht mehr geöffnet ist, nur noch der Vorraum, aber auch nur, wenn das Sekretariat Sprechstunde hat. Außerdem sind viele Gemeinden zusammengelegt worden; die Küsterin muß sich um fünf Kirchen kümmern und ist selten vor Ort. Jugendarbeit gibt es kaum noch, auch weniger Kirchenbesucher, der Stadtteil hat sich eben verändert.
Wir können uns aber das Leben damals hier mit den vielen stattlichen Gründerzeit- und 50er-Jahre-Häusern gut vorstellen, es erinnert uns auch etwas an unsere Kindheit in Dortmund und Essen. Und die Infrastruktur scheint heute noch so zu sein, dass man kein Auto braucht.
Der Bereich südlich der Subbelrather Straße sieht die Kultur anders aus: türkische und persische Clubs gemischt mit kleinen Läden, nicht ganz so gepflegt, erinnert uns an Viertel in Mannheim oder Ludwigshafen. Den Moschee-Neubau ist uns heute zu weit weg.
Entdeckungen liefert das Stichwort Edelweißpiraten: nicht mehr nur eine versteckte Gedenktafel, sondern ganze Wände der Bahnunterführung sind eindrucksvoll von einer Bürgerstiftung als Mahnmal für diese oppositionellen Jugendgruppen der Hitlerzeit gestaltet. So „stolpern“ wir auch noch über das Helios-Haus und den Leuchtturm an der Venloer Straße.
Viele Infos über ehemalige Läden erhalten wir in kleinen Traditions-Bäckerei Schweitzer an der Haltestelle, und Joachim erforscht bei den Damen der Stadtbücherei-Filiale deren mehrfachen Standortwechsel.
Um 19 Uhr sind wir von der Tochter von Joachims Schwägerin zur Vernissage eines Förderkreises des Museums Ludwig eingeladen. Die Mitglieder stellen ihre Sammlung vor, aktuell der Museumsleiter Caspar König sammelt zwar nicht, bei ihm haben sich aber in seiner Funktion viele Entwurfsskizzen, sogar eine kleine von Caspar David Friedrich, angesammelt. Wir freuen uns, Jule und die Ausstellung gesehen zu haben, das wäre sonst nie unser Ziel gewesen.
Wir beschließen den Tag in einem Brauhaus, um uns dann ins Tippen und Fotos gucken vom ersten Bahnreisetag zu stürzen.

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Eine Antwort auf 11.Oktober: Köln-Ehrenfeld

  1. Gabriele sagt:

    Die Beschreibung meiner Heimat Köln-Ehrenfeld hat mich sehr berührt – sogar das Treppenhaus, in dem ich als Kind treppauf-treppab gesprungen bin, ist abgebildet. Ich habe selbst gar kein Foto davon! Erinnerung an ein Leben in der Großstadt, das aus heutiger Sicht unglaublich ruhig und beschaulich war – wenig Autos, viele Kinder, die auf der Straße spielten. Kleine Geschäfte, deren Inhaber man kannte und mit deren Kindern ich zur Schule ging. Kölschkneipen, in denen die Eltern manchmal abends auf ein, zwei Gläser mit den Nachbarn plaudern gingen. Kirmes, Schützenfest, Fronleichnamsprozession. Das kleine Kino am Lenauplatz (heute Supermarkt). Die erste italienische Eisdiele!
    Alles sehr geordnet und bieder – aber nein, ich habs nicht als eng in Erinnerung. Danke für das Sicheinlassen auf diese unspektakuläre, immer noch liebenswerte Ecke der Welt.