28. Juli: Wrist und Bremerhaven

Nach einem typischen Etap – pardon, Ibis-Budget-Frühstück geht’s zum Metro-Bus 4, dessen Route ich gestern abend zufällig auf dem Rückweg entdeckt habe. Er fährt gemütlich durch die schönsten Ecken von Eimsbüttel direkt zum Bahnhof Dammtor, optimal zum Zug Richtung Kiel. 1.Klasse – Ledersitze im RE-Doppelstockwagen – man gönnt sich ja sonst nichts! Dazu noch 3 Zusatzhalte, also eher RB, vorher ist ein Zug ausgefallen. In Wrist steigen wir aus. Das Taxi nach Kellinghusen soll 10 min dauern, es gibt eine Fahrt vorher, dazu steht es schon da. Wir fragen: Es zeigt sich, die Fahrt vorher sind wir! Meine Tante und Patentante Leni hat uns als Überraschung abgeholt und ist auf dem Bahnsteig! Wir fahren in ein von ihr ausgesuchtes indisches Restaurant in Kellinghusen, meinem Geburtsort. Fast 3 Stunden essen wir angenehm und unterhalten uns intensiv. Leni ist fast 92, schlank, fit und geistig top drauf, hat alles im Gedächtnis, Familiendaten aus fast einem Jahrhundert, und auch alles neueste. Das alles mit einer selbstverständlichen Ausstrahlung, Gelassenheit, Lebensfreude und Freundlichkeit, die einen glatt beschämt. Aber gerade deshalb besuchen wir sie so gerne, ein Kontrast zu meiner hektischen, nervösen, überforderten, und noch viel intelligenteren Mutter, ihrer Schwester, die schon 30 Jahre tot ist.
Am Nachmittag fahren wir nach Bremerhaven weiter. Im ICE ab Hamburg ziehe ich den Unmut eines Ehepaars zu, von dem ich die Vorlage der Reservierung verlange, als sie unseren unbeschrifteten Platz beanspruchen. Wagen, Platz und Datum stimmen, nur die Fahrzeit nicht; ihr Zug direkt nach München wäre 7 Minuten später am selben Gleis dran gewesen, wir hatten 4 Minuten Verspätung. Nach dieser Klärung sind sie mir dankbar, so können sie noch in Hamburg-Harburg in ihren nachfolgenden Zug umsteigen, sonst wären sie 4 Stunden später in Nürnberg gewesen, ob sie dann noch nach München gekommen wären?
In Bremerhaven kommt uns alles bekannt vor, und so sitzen wie auch schon 5 Minuten später im Bus Richtung Havenwelten, wo wir im Boardinghouse Jaich auf der Hafeninsel genau für diese Nacht noch das Appartment bekommen haben, das uns im Reisejahr so gut gefallen hat. Auf dem Weg vom Bus dorthin landen wir in dem Abschluss der Festwochen, jede Menge Buden und Fahrgeschäfte um den Neuen Hafen herum, voll mit Menschen und Musik, ein kleiner Junge tanzt zu einem Hiphop-Sänger, der Hafen voll mit Jachten und alten Seglern. Also genießen wir erstmal das und essen mit Blick über Hafen Richtung untergehende Sonne, die Bewölkung vom Nachmittag lockert passend auf. Zum Untergang über dem Meer wollen wir auf dem Deich sein. Da hält uns die Zugbrücke auf: 20 Minuten Schauspiel, wie ein polnischer Dreimaster mit dem Schlepper durch den engen Ausfahrtkanal bugsiert wird, aufregend und mit vielen Zuschauern. Wir schaffens dann gerade auf den Deich, auch hier wieder viele Zuschauer, als die Sonne groß und glutrot sich wie ein Ballon auf den Horizont setzt und förmlich ausläuft, bis sie leer ist. Aber dann das Nachspiel: die vielen Wolkenschlieren in mehreren Schichten werden immer intensiver von der Sonne indirekt in vielen Rottönen beleuchtet. Großartig, was sich uns hier wieder bietet, eine Bestätigung für unseren Wunsch, wieder hier vorbeizufahren. Und auch baulich haben sich viele Parkplatz-Schlamm-Brachen um den Alten und Neuen Hafen geschlossen, hier tut sich richtig was. Echt gut, unser Reiseanfang!

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4 Antworten auf 28. Juli: Wrist und Bremerhaven

  1. Rolf Krueger sagt:

    Moin,

    ein Bild vom Turnschuh, schön.
    Immer noch fit, trotz 92. Kaum zu fassen.

    Dann weiter so
    Rolf

  2. andreas sagt:

    Schön, wieder Reiseberichte zu lesen. Sehr bildhaft geschrieben. Kann mir das grad gut vorstellen.

    Viel Spaß Euch weiterhin

  3. Helmut Koch sagt:

    Hi Ihr Lieben,
    wenn Tante Leni noch so viel weiß, schon mal an die Erstellung eines Stammbaumes gedacht?
    Weiterhin alles Gute und Liebe.
    Helmut

    • Joachim (Text) & Marlis (Fotos) sagt:

      Haben wir mit ihr drüber gesprochen, wollten schon einige von ihr. Sie will aber nicht schreiben, da fällt ihr nichts ein, nur drüber reden. Also müsste sich jemand dranmachen, sich vorbereiten, sie ausfragen, dann alles niederschreiben … Muss ich noch mehr dazu sagen?