23. September: Oderbruch

Oderbruch: Radtour durch das Oderbruch mit Polenmarkt und Dörfern.
Bad Freienwalde: Rundgang durch Schlosspark, Kurviertel und Sprungschanzen

Morgens bekomme ich heraus, wie das Wlan-Profil manuell einstellbar ist, das interessiert auch den Hotelier. Es nutzt mir im Zimmer allerdings nichts, der Empfang ist zu schlecht. Wir haben Fahrräder vom Hotel, zunächst passt es Marlis nicht, da ohne Rücktritt, aber sie laufen leicht und sie gewöhnt sich dran. Auf Nebenwegen entlang der Hauptstraße nach Polen fahren wir mit Rückenwind am Nordhang, der das Oderbruch begrenzt, über Schiffsmühle und Altenglietzen durch ruhige und recht ursprüngliche, verschlafene Dörfer entlang der Alten und Stillen Oder nach Hohenwutzen. Dort führt die Brücke zu unserem zweiten Abstecher nach Polen: vorbei an Komplexen von verlassenen Grenzkontrollgebäuden nähern wir uns einer Kulisse von nicht mehr genutzten Industrieanlagen, die den Rahmen für einen umfänglichen Polenmarkt bilden. Hier gibts fast alles, von Zigaretten über Baumarktartikel, Klamotten und Gartenkitsch, Gemüse und Raubkopien. Vielleicht ein Drittel billiger als bei uns, ob das das Qualitätsrisiko aufwiegt? Nur der Sprit ist eindeutig 40 Cent billiger, die Reservekanister gibts auch in Massen, schließlich kann man sonst mit einem Tank nur 20 € sparen, weiter als 20 km sollte man dafür nicht fahren, von der Zeit abgesehen. Der bizarre Eindruck reicht uns bald, viel los ist hier auch nicht. Wahrscheinlich lief das früher besser, allerdings dürfte die sowieso strukturschwache grenznahe deutsche Region mit den Märkten ihre Probleme haben. Wir rauschen bei Rückenwind am deutschen Oderufer meist auf dem Deich Richtung Zollhaus. Die Landschaft links ist von der grün gesäumten Oder und den Hügeln am polnischen Ufer bestimmt, rechts im Bruch ist sie von Landwirtschaft geprägt und gegliedert von schönen Alleen, kleinen Dörfern und Flussläufen. Entstanden ist das durch die Begradigung und Umlegung der Oder von der westlichen auf die östliche Seite des Urstromtales und Durchbruch bei Hohenwutzen unter dem alten Fritz ab 1747; mit der folgenden Eindeichung wurde das Tal trockengelegt, die ersten Kolonistendörfer stammen von 1753. Durchzogen wird der ganze Bruch von der mäandernden Alten Oder und vielen toten Seitenarmen. Wir überqueren die alte Eisenbahnbrücke nach Polen; die Strecke ab Wrietzen ist nach dem Krieg abgebaut worden, heute wird die Trasse als Radweg genutzt, die Brücke ist gesperrt und wurde bisher nur bei grenzübergreifenden Marathonläufen wieder genutzt. Wir erreichen Zollbrücke, bestehend aus einigen Häusern, einem Deichdurchlass, einem Ausflugs-Gasthaus mit Fremdenzimmern, hier sammeln sich die Radfahrer und Autoausflügler. Wir essen Kleinigkeiten, leider sind alle Bedienungen eher unfreundlich. Auf der anderen Straßenseite ist ein neuer Komplex, das Dammhaus, mit Kunst und Gastronomie, sieht anspruchsvoll aus, ist aber geschlossen. Auf dem Weg ins Bruch liegt das Theater am Rand, ein in der Gegend mittlerweile recht bekanntes Theaterprojekt mit einem alten Fachwerkhaus als Eingang und Zelten und einer einfachen gezimmerten Freilichtbühne im Garten. Wir fahren weiter nach Neulietzegöricke, einem der ersten Dörfer im Oderbruch, man erkennt oft noch den ersten Haustyp in unterschiedlichem weiteren Ausbau und mit Hofgebäuden, man arbeitete wohl auf staatlichen Domänen. Über kleine ruhige Wege, jetzt mit etwas Gegenwind, der Marlis zu schaffen macht, passieren wir Altreetz und kommen nach Altranft, alles sehr verschlafene Orte. Unterwegs fahren wir an Rübenhaufen vorbei und werden mit der aktuellen Landwirtschaft konfrontiert, offensichtlich ist Maisernte. Die Felder werden komplett maschinell abgeerntet und die ganzen Pflanzen gehäckselt, dauernd begegnen wir den Riesenschleppern mit großen Anhängern, die die Schnitzel abtransportieren. Die rasen dermaßen über die schmalen Wege, manchmal mit Kopfsteinpflaster, dass wir öfter anhalten und uns vorsichtshalber in die Wiese verdrücken. In Altranft ist ein kleines Schlösschen mit Freilichtmuseum, das sehen wir um die Uhrzeit nur am Rande. Der Radweg an der Straße nach Bad Freienwalde fährt sich trotz welligem Gelände am Bruchrand flott. Im Ort angekommen, entscheiden wir uns, das Besichtigungsprogramm hier zu Fuß zu machen, unten am Schlosspark stellen wir die Räder ab. Am Hang im schönen Park liegt das kleine, 1798 errichtete Schloss mit Teehaus, dessen Park von Lenné gestaltet ist und das bis zu seinem Tod Walter Rathenau gehörte. Durch steile Straßen mit schönen, leider verfallenden Villen und Treppenabstieg durch Wald erreichen wir das in einem Taleinschnitt abseits liegende Kurviertel, der gepflegte Kurpark mit Teich bildet die Verbindung zum Ortsrand, imposant sind die sich an den Parkseiten gegenüberstehenden alten, sanierten Gebäude des Kurmittelhauses und des Kurhauses mit Wandelhalle, dahinter liegt, von bewaldeten Bergen mit altem Aussichtsturm eingeschlossen, die moderne Kurklinik. Hier geht es hauptsächlich um orthopädische Probleme, die Beweglichkeit ist oft eingeschränkt, mit der Stadt selbst hat das Kurviertel also wenig zu tun. Über den Turmrundweg – hier kann man ein Turmdiplom erwandern – durch Wald und über Treppen erreichen wir die Sportstadien und die Sprungschanzen. Es ist erstaunlich, dass sich an so einem niedrig gelegenen Ort eine solche Wintersport-Tradition gehalten hat. Das liegt wohl am kontinentalen Klima und der geschickten Hanglage. Die vier Schanzen bieten alles von ganz klein bis groß; die Landehänge sind mit grünen Matten belegt, die Auslaufzonen mit Rasen bewachsen. Die Geräte im Auslaufbereich scheinen Schneekanonen zu sein. Wir können uns nicht ganz vorstellen, das man ohne weitere Präparation im Sommer darauf springen kann. Das bekommen wir sicher noch raus; groß steht hier die Anschrift des Wintersportvereins – unser Hotel. Die direkte Straße von hier führt seitlich auf den Kurpark am Kurmittelhaus; die verfallenden Villen und Häuser, oft als Pensionen gekennzeichnet, verweisen auf bessere Zeiten. Die direkte, leicht abfallende Straße vom Kurpark in den Ort scheint dagegen eine der attraktivsten Wohngegenden zu sein; hier sind die Häuser und Villen, oft in schöner Hanglage, fast alle in gutem Zustand. Wir kommen in der Dämmerung an unsere Fahrräder und fahren mit Licht zum Hotel und beenden damit unsere bisher längste Fahrradtour. Wir kaufen im Kaufland gegenüber unseren Getränkebedarf und gehen ins Restaurant der Hotelchefin daneben, einen runden wintergartenartigen Nachwendebau mit vielen Plätzen, heute, im Gegensatz zu gestern, leer. Die Gerichte sind zwar einfach, aber phantasievoll zusammengestellt, wir sind zufrieden. Einmalig ist, dass wir bei einer so niedrigen Rechnung sowohl einen Gruß aus der Küche als auch einen Schnaps aufs Haus bekommen.

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Eine Antwort auf 23. September: Oderbruch

  1. Gabriele Heck sagt:

    Das sind Fotos zum Abmalen oder um eigene Inspirationen zu schüren!

    Und noch eine Frage:
    Kann mir einer mal erklären, warum bei den Rädern der Rücktritt abgeschafft wurde? Habe ich nie verstanden.
    Nichts anderes bremst so gut, sicher, schnell.