4. September: Regensburg

Regensburg: Stadtrundgang

Heute lassen wir es ruhiger angehen. Regensburg besuchen wir aus eigenem Interesse, ohne konkrete Aufgaben. Wir haben nichts Spezielles vorbereitet. Wir starten mit Ausschlafen, Texten, Lesen und Frühstücken in einem zum gegenüberliegenden Dom passenden Raum. Gegen Mittag laufen wir los, ich habe von einem früheren Kurzbesuch eine grobe Idee der Stadt. Zwischendurch schauen wir Schaufenster an, es gibt originelle Geschäfte, wenn auch nichts, was wir unbedingt haben wollen, die Ziele für Montag lassen also auf sich warten. Bei dem heute noch schönen Wetter gehts gleich zur Steiernen Brücke, das Muss in Regensburg. Die Donaubrücke aus dem 12. Jahrhundert war damals die Brücke schlechthin, ein technisches Wunderwerk, und das Vorbild für die Prager Karlsbrücke 200 Jahre später. Sicher ist sie auch ein wesentlicher Aspekt für den Weltkulturerbe-Status seit 2006. Dazu passend gibt es im alten rechten Brückenhaus eine Ausstellung in historischem Ambiente mit groben Balkendecken und -stützen mit allen Hintergründen in modernster Präsentation. Das ist auch wichtig; die Stadtprospekte sind unvollständig, uneinheitlich und nicht immer richtig, da gibt es bessere Beispiele. Eine Stadt mit der Wirtschaftskraft und den Tourismusmassen sollte mehr hinbekommen. Zu Füßen des Gebäudes an der Donau liegt die “Wurstkuchl”, ein kleines Gebäude, das schon beim Brückenbau als Kantine gedient haben soll, und nur hausgemachte kleine Bratwürste auf Kraut serviert, natürlich mit Bier oder Wein. Sowas geht nur hier mit dem historischen Hintergrund. Von der Brücke ergibt sich ein malerischer Blick auf die Altstadtfront am Donauufer, auf der anderen Seite liegt der zum Erbe gehörende Stadtteil Stadtamhof, früher sicher Auslagerungsbereich für Spital und ähnliches, vielleicht auch Wohngebiete, heute eine Insel durch den nördlich verlaufenden Schleusenkanal, der für die Schiffbarkeit der Donau über Regensburg hinaus und den Main-Donau-Kanal nötig war. Wir gehen zurück über die Donauinseln und den Eisernen Steg von 1901 mit erneutem Altstadtblick. Durch stille Altstadtgassen im Westen kommen wir zum Stadttheater, hier beginnt die belebte Zone mit Kneipen, Läden, Sehenswürdigkeiten und geschlossenem Altstadtbild. Regensburg kommt zugute, dass es hier nie Brände oder Zerstörungen gab, daher gibt es sogar noch Reste aus der Römerzeit. Die Stadt war immer weltlich orientiert, auf Handel ausgerichtet und früh protestantisch; hier wurden Kaiser gekrönt, und von 1663 bis 1806 tagte hier der immerwährende Reichstag, dessen Entscheidungen der Kaiser nicht übergehen konnte. Nach Besuch am alten Rathaus steigen wir auf den einzigen Aussichtsturm der Stadt, den der Dreieinigkeitskirche, immerhin hoch genug, um über die Dächer zu schauen und die vielen alten Wohn- und Kirchentürme zu sortieren. Im Innenhof der Kirche entdecken wir eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten, den Friedhof der Gesandten des immerwährenden Reichstags, bestehen aus einer Wand mit 20 großen Epitaphen. Einen Besuch des früheren Klosters und heutigen Schlosses und Kommerz-Zentrums der Thurn und Taxis schenken wir uns, wir streifen weiter durch die Gassen, besuchen ein Café und besichtigen die prächtige, innen barocke Alte Kapelle und den Dom, dessen gotischer Bau im 13. Jahrhundert begann und bis ins 19. Jahrhundert andauerte, als dessen zwischenzeitlich barocke Innenausstattung wieder purifiziert wurde, um als einzige große gotische Kirche in Bayern herzuhalten. Sie ist innen beeindruckend, jedoch sehr dunkel; das liegt an vielen, oft über 600 Jahre alten tief farbigen Kirchenfenstern, die in der Sonne wie Leuchtkästen strahlen, und den dunklen Steinen. Zum Abschluss kehren wir in der Wurstkuchl ein und können bei Bratwurst und Kraut ausländischen Touristen zuschauen, was denen so zur Handhabung von Würstchen, Kraut, Brötchen und Senf einfällt. In der Dämmerung streifen wir durch die restlichen Gassen, bis es anfängt zu regnen. Zur Geschichte von Regensburg wollen wir nichts weiter berichten, dazu kann man genug in Führern und Wikipedia nachlesen; wir wollten eher die Atmosphäre spüren. Die ist angenehm locker in lebendigem historischem Ambiente, das nicht überrenoviert ist, mit einer Stadt, die auch heute wirtschaftlich erfolgreich ist. Es geht hier eher um das ganze Stadtbild und die historische Aussage als um spezielle herausragende Sehenswürdigkeiten, von der steinernen Brücke mal abgesehen. Andererseits merken wir: es fehlt der Reiz der Aufgaben unserer Ideengeber oder auch eigener Erinnerungen. Da haben wir keine Fragestellungen, die außergewöhnliche Begegnungen und Erlebnisse induzieren und die Orte eher nebenbei, aber intensiver und aus anderem Blickwinkel näherbringen. So bleiben uns nur das Rumsuchen in touristischen Informationen und mehr oder weniger gut gewählte Spazierwege, auch mal entspannend, das ganze Reisejahr hätte das sicher nicht getragen.

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Eine Antwort auf 4. September: Regensburg

  1. Gabriele Heck sagt:

    Euer Bericht scheint meine These zu bestätigen, dass ein Ort nur das für einen Menschen ist, was der Mensch an/in/mit ihm erlebt.

    Der Ort verankert sich im Gedächtnis durch kleine – für den Menschen persönlich wichtige – und große Erlebnisse, durch Geschehnisse, die “unter die Haut” gehen, die natürlich auch durch den Ort selbst aufgrund entscheidender Details oder aufgrund von “Großartigkeiten” provoziert sein können.
    Sie setzen sich im Gehirn sozusagen als “Gedächtnisstützen fest und bilden schließlich ein Netz aus Anknüpfungspunkten, wenn es darum geht, dass man sich erinnere: “Ach ja, stimmt, das war doch damals, als wir so heftig miteinander gestritten haben und es so fürchterlich anfing zu regnen, dass wir uns ins “Café Sommer” neben der – na, wie heißt sie nochmal – stimmt, Paulskirche flüchteten.

    Bist Du einfach da und schaust und erlebst nichts, wird das Bild schnell verblassen (so wie Fotos, ausgedruckt auf minderwertigem Papier).
    Wenn Du Glück hast, beeindrucken Dich die örtlichen Gegebenheiten derart, dass sie sich einprägen und so selbst zum Erlebnis werden.

    Erlebnisse, die sich im Kopf festsetzen (weil mit Gefühl verbunden), gräbst Du ein und beim richtigen Schlüsselreiz wieder aus. So kann ein für andere Menschen bedeutender Ort vergessen werden und ein kleiner scheinbar harmloser Ort in die Schatzkammer Deines eigenen Kopfes gelangen.

    Nachtrag, um Missverständnisse zu vermeiden:
    Ich bestätige Euch hiermit, dass ich die Dreieinigkeitskirche nicht mit irgendeiner Paulskirche – wo immer sie auch stehen mag – verwechselt habe, dass ich nicht weiß, ob es ein “Café Sommer” in der Nähe (der einen oder anderen Kirche) gibt und dass ich auch nichts von einem Streit zwischen Euch weiß ;-) .