24. Juli: Berlin

Berlin: Seminar zu Fotoprojekten, Karl-Marx-Allee

Wir müssen früh aufstehen, um zehn besuchen wir ein Seminar bei der Gesellschaft für Humanistische Fotografie zur Präsentation von Fotoprojekten in Neukölln. Mit Bus und U-Bahn kommen wir dorthin. Wir diskutieren im Laufe des Tages sechs Fotoprojekte, darunter unseres, mit Eva Leitolf. Uns wird klar, welche Schritte fällig sind, um die weitere Nutzung unseres umfangreichen Materials nach Ende des Reisejahres zu befördern und Institutionen zu finden, die sich dafür interessieren und an der Finanzierung beteiligen könnten. Insgesamt führt unser Material zu angeregten Diskussionen, es lohnt also, nächste Projektschritte durchzudenken. Auf einer Fortsetzung im November werden wir unsere Ausarbeiten präsentieren und besprechen. Einer der Teilnehmer (Name folgt) hat eine Ausstellung und einen Fotoband mit Interviews mit Titel “MENSCHENLEBEN in der Karl-Marx-Allee” erstellt, die im Café Sybille, einem Projekt der Union sozialer Einrichtungen, gezeigt wird. So bewusst haben wir die frühere Stalin-Allee, 1952 als neues sozialistisches Bauen in der Tradition Schinkels errichtet, nicht wahrgenommen. Hier wurde mit hohem Aufwand in traditioneller Ziegelbauweise anspruchsvoller Wohnraum geschaffen, ein Ansatz, den die DDR später nicht mehr einhalten konnte. Heute steht der ganze Straßenzug unter Denkmalschutz. Ähnliche städtebauliche Ansätze der DDR sind uns in Rostock in der langen Straße begegnet. Wir würden den Stil als monumental, aber doch eindrucksvoll und nicht unbedingt protzig beschreiben. Die Allee selbst ist sicher übertrieben breit, als Boulevard zum Flanieren schon fast nicht mehr geeignet. Das Café Sybille hat leider seit 18 Uhr eine geschlossene Veranstaltung. So gehen wir weiter und treffen auf die seit 2008 geschlossene Karl-Marx-Buchhandlung, ehemals die größte der DDR. Davor steht ein Hinweis: Ausstellung “FormDDR” 1949-1989 und noch offen, wir gehen rein. Es ist eine echte Entdeckung: der Bürgerverein zeigt in der historischen Einrichtung Kunststoff-Haushaltswaren, Glas, Möbel, Elektrogeräte, Lampen und Geschirr. Schlichte, minimalistische, meist zeitlose, langlebige und hochfunktionale Entwürfe, oft in Bauhaustradition, viele Anfang der 50er Jahre entstanden, meist an der Burg Giebichenstein in Halle, die wir von mehreren Besuchen kennen. In den 60er Jahren wurde das Design der Parteilinie untergeordnet, alles sollte gefälliger werden, alte Entwürfe wurden als “kalter Funktionalismus” verurteilt. Vieles wurde jedoch erfolgreich und lange in den Westen verkauft, beispielsweise über Ikea. Erst Mitte der 80er konnte das Design sich wieder unabhängig machen, und es entstanden neue interessante Entwürfe, die aber aufgrund veralteter Produktionsanlagen nicht mehr in den Markt kamen.
Es liegen Gastronomieführer für die Karl-Marx-Allee aus; wir suchen uns ein böhmisches Restaurant aus. Es ist alles wenig belebt; wir essen deftig, ganz ordentlich und sehr preiswert. Auf dem Weg zur S-Bahn Warschauer Str. treffen wir plötzlich auf jede Menge Läden der Nahversorgung, die abends offen haben, der Abend im Hotel ist gesichert.

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Eine Antwort auf 24. Juli: Berlin

  1. Ulla Greinke sagt:

    Die Ausstellung “Menschenleben in der Karl-Marx-Allee” hat nicht “einer unserer Teilnehmer” erstellt sondern das 7-köpfige “Team Kiezgeschichten”. Die Ausstellung läuft bis zum 28. August 2011 und kann täglich von 10 bis 20 Uhr angeschaut werden.