22. Juli: Berlin

Berlin: Rundreise mit Bahnen, Schiff und zu Fuß durch West-Berlin (Ziel: Bernd Pfütze)

Morgens regnet es aus gleichmäßig grauem Himmel. Wir lassen uns nicht beirren und treffen uns mit Bernd Pfütze auf dem S-Bahnsteig im Bahnhof Zoo. Er hat uns eine besondere Idee hinterlassen: Er will uns durch sein “altes” West-Berlin führen, von 1959 bis 1969 hat er, nach der Übersiedlung aus Dresden, hier gelebt, bevor er zum Studium in Heidelberg endgültig Richtung Pfalz wechselte. Wir fahren zum Wannsee, dort hat er eine Rundfahrt auf den Seen vorgesehen. Es regnet bei 15° immer noch, wenn auch erträglich. Ergebnis: keiner der vielen Touristen, die wir in Berlin gesehen haben, will auf dem Wannsee fahren, es wird aber eine Mindestbelegung von 15 Fahrgästen vorausgesetzt. So ist heute morgen noch kein Schiff ausgelaufen, nur die BVG-Fähre nach Kladow fährt stündlich. So kann es eben immer Überraschungen geben. Uns machts nichts, wir kennen alles nicht, wir überlegen, was wir jetzt machen. Bernd ist erleichtert, dass wir das locker nehmen; wir sind uns zwar schon oft begegnet, haben aber noch nie was miteinander unternommen. Um 12:30 fährt sicher ein Schiff, weil eine Gruppe angemeldet ist. Bernd kommt auf die Idee, bis dahin die Liebermann-Villa zu besuchen, ich schaue nach, wo sie ist, das passt. Es ist ein Spaziergang durch die alten Villenviertel am Wannsee, die Uferseite ist fast komplett von Yachtclubs, Segler- und Angelvereinen mit großen alten Gebäuden und Yachthäfen belegt, alles mit alten Bäumen zugewachsen. Auf der anderen Straßenseite wechseln alte mit neuen Villen ab. Bis zur Nazizeit hat Liebermann seine Villa genutzt, dann kam eine wechselvolle Geschichte mit verschiedenen Nutzungen. In den 90er Jahren gelang es einem Verein, die Villa als Museum zurückzugewinnen, mittlerweile ist auch der Garten ins Ausstellungsprogramm einbezogen. Uns reicht es nur zu einem Blick in den Shop. Über einen Parallelweg gehen wir durch diese grüne und bestimmt ziemlich teure Gegend am Rande des früheren West-Berlin zurück zum Anleger. Das Schiff wartet, die Kassierin erkennt uns nicht wieder und verkauft uns die gewünschten Karten nach Potsdam; dass noch ein Schiff für die 7-Seen-Rundfahrt zur selben Zeit genügend Fahrgäste hat, verrät sie nicht, sonst hätten wir vielleicht das genommen. Na gut, die Strecke nach Potsdam kennt Bernd auch nicht, ging ja früher gar nicht. Wir fahren dicht an den bewaldeten Ufern entlang, oft sind Villen und kleine Schlösser zu sehen. Gegenüber liegt das große Strandbad, mit Sandstrand, Strandkörben und Sonnenterrassen. Wir passieren Kladow, die Pfaueninsel und Cecilienhof, wo im August 1945 das Potsdamer Abkommen der drei Aliierten USA, Sowjetunion und Großbritannien geschlossen wurde. Gerade an den Ufern nahe Potsdam hat sich viel verändert, altes ist restauriert, Lücken sind modern bebaut, ein Spazierweg am Ufer wurde freigelassen. Wegen Wind sind die Außendecks auf dem Schiff geschlossen, innen sehen wir auch gut und können uns besser unterhalten. In Potsdam durchqueren wir die neue Rathausgalerie, die noch einige freie Läden hat, zum Bahnhof. Wir entschließen uns, am Bellevue auszusteigen und ins Hansaviertel zu gehen, da steht die Akademie der Künste von 1960, wo Bernd viele Aufführungen besucht hat, und drumherum zur IBA 1957 eine Mustersiedlung mit Sozialwohnungen von namhaften internationalen Architekten auf kriegszerstörtem Gelände erbaut wurde. Mittlerweile ist die Siedlung sehr zugewachsen, alle Bäume sind so groß, dass die Gebäude teilweise schwer als Gesamtobjekt wahrnehmbar sind. Ein Bürgerverein widmet sich der Erhaltung und der Beseitigung des bestehenden Sanierungsstaus, führt Führungen durch und betreibt in einem Weinladen eine Information, wo wir uns mit einem Plan versorgen. Besonders auffällig sind die Gebäude von Schwippert, Eiermann, Niemeyer und Gropius. Die Akademie der Künste ist wegen Sanierung bis August eine unbetretbare Baustelle, das Grips-Theater im Einkaufszentrum hat Sommerpause, alles wesentliche Orte aus Bernds Erinnerung. So gibt es einige Gründe, das Viertel nochmal zu besuchen. Wir laufen weiter durch die Grünanlagen, deren Wege seit 30 Jahren ein Gaslaternen-Freilichtmuseum darstellen, in dem auch Mannheim und Frankenthal vertreten sind, und über die Schleusen des Landwehrkanals zum Bahnhof Zoo. Dort fällt uns auf, dass man dabei ist, die Gebäudereihe vom alten Kino Zoopalast und weiter an der Budapester Straße abzureißen, und auch sonst viele Gebäude in der Umgebung Neubauten sind. Unsere Erfahrung mit dem Café Kranzler bestätigt er, so hätten wir den Haken an diesen Sehnsuchtspunkt gestern auch ohne Besuch setzen können. Der alte Turm der Gedächtniskirche ist zur Restaurierung so eingerüstet, dass er fast wie ein Hochhaus aussieht. Wir besichtigen die noch vorhandene Vorhalle der alten und das Innere der neuen Kirche und begegnen so wieder Egon Eiermann und seinen Glasfenstern. Dies sind also die Orte, die die Touristen, denen es am Wannsee zu feucht war, aufsuchen, es ist hier recht voll. Nach diesem durch Wetter anders als von Bernd geplanten und dadurch vielleicht noch interessanter verlaufenen Tag trennen wir uns hier in der Nähe unseres Hotels. Wir telefonieren hinter einigen Locations, die uns zum Essen einfallen, her, aber – Freitag-Abend – alles schon reserviert. Wir fahren wie gestern zum Hackeschen Markt und drehen eine Runde über Hamburger Straße und Auguststraße und werden in der Rosenthaler Straße in einem einfachen, ebenfalls gut besuchten Lokal fündig und sind mit den überbackenen Speisen ganz zufrieden. Unsere fälligen Einkäufe lassen sich in den Kiezmärkten hier sogar am späteren Abend gut erledigen. Wir kehren ins Hotel zurück. Im Zimmer wird noch etwas getippt, morgen können wir ausschlafen und dann das wohl beste Frühstück des Reisejahres bis zwölf genießen.

Dieser Beitrag wurde unter Ziel Ideengeber abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.