17. März: nach Lieberhausen

Über Köln und Gummersbach nach Lieberhausen. (Ziel: Deimels)
Nachtwanderung zum Essen.

Heute starten wir eine Kurz-Rundreise. Waltraud und Christian haben uns ins Bergische Land geschickt, wo wir schon einmal waren, in Ründeroth und Wallefeld. Als ersten Ort nehmen wir uns Lieberhausen bei Gummersbach vor. Die Strecke kennen wir: Köln und durchs Aggertal, diesmal allerdings bis zum Ende in Gummersbach. Die Züge sind auf die Minute pünktlich, dabei hatten wir mit Streiks gerechnet. Einzige Mini-Panne der Bahn: Im letzten Wagen des ICE muten die Reservierungen etwas seltsam an, die Fahrgäste wollen auf die freien Plätze, und die ab Flughafen reservierten bleiben leer. Es klärt sich nachher auf: Die Anzeigen an den Wagenenden zeigen den richtigen Zug, die Displays im Eingangsbereich einen anderen, der schon eine Stunde weiter und in Bochum ist, und der Bordcomputer zeigt die Reservierungen dieses Zuges. Nach Gummersbach fahren wir in modernen Talent-Diesel-Triebwagen. Wir wundern uns, dass unsere Scheibe als einzige beschlagen ist. Bald finden wir die Lösung: In der Doppelscheibe steht Wasser. Wir können sehr schön beobachten, wie der Zug beschleunigt und bremst, sogar Wellen gibt es. Ich beobachte dieses physikalische Experiment ausgiebig, muss mich dann aber doch Marlis’ Wunsch nach besserer Sicht beugen und wir wechseln den Platz. In Ludwigshafen war es schon trübe, im Bergischen Land sitzen wir direkt in den nässenden Wolken. In Gummersbach werfen wir den Blick in die kurze, breite Fußgängerzone, beherrscht von einem Saturn-Markt. Mit dem Bus geht es nach Lieberhausen.
Das 300-Seelen-Dorf hat einen Gasthof, in dem übernachten wir. Das Restaurant hat leider heute Ruhetag. Wir haben ein Zimmer mit Himmelbett und Butzenscheiben, gegenüber der Bushaltestelle, direkt am Kirchplatz. Die Kirche wird “Bunte Kerke” genannt, hier haben Waltraud und Christian 1966 ökumenisch geheiratet mit dem Hochzeitsspruch “Du bist der Quell meines Lebens”. Es ist eine kleine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika mit den ältesten Teilen von 1100. Im 15. Jahrhundert wurde sie um ein gotsches Querschiff mit Chor erweitert. Das besondere, wenn nicht einmalige ist die fast vollständige Bemalung der Innenwände und Decken mit mittelalterlichen Motiven. Monika Kretschmer erklärt uns alles in einer einstündigen Führung. Die ersten Malereien entstanden um 1480, seit 1586 ist der Ort und die Kirche evangelisch. Welche Bedeutung die Bilder für die Menschen, die überwiegend nicht lesen konnten, damals hatten, wissen wir seit unserem Besuch in Wittenberg genau. Nach der Reformation wurden 1589 die Wandbilder sogar restauriert, ergänzt und Texte eingefügt. 1850 waren sie den Bürgern “zu bunt” und wurden weiß übertüncht. 1911 wurden sie wiederentdeckt, freigelegt und restauriert, 1954 nochmals. Farblich orientierte man sich dabei an dem kunstgeschichtlich wertvollsten Kreuzigungs-Bild aus der ersten Malphase, so dass die Kirche ein schönes geschlossenes Bild abgibt. Themen sind die Apostel, die zehn Gebote, viele Bilder mit Maria und dem Christuskind und Szenen aus dem Leben von Christus und den Heiligen. Alles lässt sich durch die handlichen Ausmaße der Kirche sehr gut betrachten. Die kompakte zentrale Anordnung von Altar, Kanzel und Orgelprospekt im Chor macht sich gut.
Wir laufen durch den hübschen Ort mit typisch bergischem Fachwerk mit Schiefer. Zweimal bekam er bundesweit Silber im Wettbewerb “Unser Dorf soll schöner werden”. In vielen Gärten wachsen Massen von Schneeglöckchen und Krokusse. Wir haben von einem Heizwerk im Ort gehört und fragen eine Passantin; mit diesen Auskünften finden wir es sogar im Nebel auf dem Berg über dem Ort. Der Heimatverein hat die Anlage initiiert, sie wird mit Holzschnitzeln aus Restholz betrieben und versorgt den ganzen Ort mit Fernwärme. Bei Engpässen kann auch Öl verfeuert werden. 2001 bekam die Anlage einen Umweltpreis von Bärbel Höhn.
Wir wandern über den Berg zwei Kilometer nach Niederrengse, dort ist das nächste Gasthaus. Die Wanderkarte ist mal wieder ein Handyfoto der Infotafel des Ortes. Die Landschaft ist sehr bergig, einzelne Stellen könnten auch in den niederen Alpen sein. Alles ist feucht und viel weiter zurück als in Ludwigshafen. Die Rengser Mühle ist nicht ganz unser Stil, die Betonung von Edelsteinen und Lebendigem Wasser finden wir etwas übertrieben, die Preise gehoben. Wir starten mit einer leckeren und heißen Sellerierahmsuppe mit Trüffel. Es folgt die lokale Spezialität, ein 15 cm hoher Eierkuchen für zwei. Er ist mit ungesüßtem Eischnee gefüllt, und unsere Variante halb mit Speck, halb mit Zucker belegt. Dazu wählen wir Schwarzbrot mit Butter und Preiselbeeren. Wir sind nach diesem besonderen Erlebnis pappsatt, es öfter zu essen wäre allerdings gewöhnungsbedürftig. Der Rückweg durch den Wald und der selten befahrenen Straße klappt bestens im Dunkeln dank der Stirnlampe, die wir immer mithaben. Da wir uns vom Hinweg schon auskennen, kommt uns der Rückweg kurz vor. Marlis ist müde vom frühen Aufstehen und schläft, ich habe Ruhe zum Tippen.

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Eine Antwort auf 17. März: nach Lieberhausen

  1. Deimel, Waltraud u. Christian Bockenheim sagt:

    an die beiden Reisewütigen, hier begann das junge Glück vor 45 Jahren

    und hält noch bei guter Gesundheit beständig an.

    Vielen Dank für die Erkundungen vor Ort Waltraud und Christian