21. Mai: nach Laubach

Fahrt nach Laubach, 40. Abiturtreffen von Joachim

Vormittags starten wir nach Laubach. Der Bus ab Bahnhof Gießen durchkurvt Lich und fährt eine nostalgische, schmale, kurvenreiche Umleitung nach Nieder-Bessingen. Die leichte Verspätung des Busses rührt, wie uns der Fahrer erzählt, von einem notwendigen Bustausch her, weil ein Fahrgast unbedingt die Notausstiegsklappe im Dach wie bei alten Bussen zur Lüftung öffnen wollte und so Daueralarm auslöste. Wir kommen rechtzeitig zum Klassentreffen im Hotel an, treffen dort die ersten ehemaligen Mitschüler und gehen zusammen zum Treffen wie immer ins Café Göbel. Der Kreis ist seit dem letzten Schreiben noch gewachsen, bis zum Abend ist über die Hälfte des Jahrgangs da, etwa 15, dazu sechs Lehrer, heute alle im Ruhestand, der älteste 93. Wir sind auch schon alle nahe 60 und reden vom Ruhestand und allen Übergangsformen, auch wenn alle Anwesenden sich gut gehalten haben und engagiert in ihren Bereichen sind. Die meisten erkenne ich direkt am Aussehen oder Stimme wieder, obwohl ich seit 15 Jahren keinen wiedergesehen habe, und alle mehr oder weniger ergraut sind. Und bei jedem sind die von der Schule bekannten Wesenszüge noch erkennbar. Es macht Spaß, sich über Vergangenes und Aktuelles auszutauschen und Erinnerungsstücke anzusehen. Dr. Kammer, einer unserer Lehrer, ist in der Heimatforschung des Nachbarortes Villingen aktiv und bringt aus Archiven Protokolle von örtlichen Gerichtsverfahren aus dem 16. Jahrhundert mit, die wir mit viel Spaß, sozusagen als Unterrichtssimulation, nachspielen. Am Abend besichtigen wir die Laubacher Schlossbibliothek, eine der größten Privatbibliotheken Europas. Die jetzige Bibliothekarin Trautel Wellenkötter zeigt uns den beeindruckenden, über viele Räume verteilten Bücherpark. Solange die Grafen ihre Souveränität hatten, wurde gesammelt, Buchbinder haben hier ganze Lebenswerke hinterlassen. Es gab Kontakte zu Melanchton und ab 1555 eine Lateinschule als Vorläuferin unseres evangelischen Gymasiums, der Paul-Gerhard-Schule mit drei Internaten, das heute in der Gesamtschule und dem Laubach-Kolleg aufgegangen ist. Bedingungen der Erhaltung und Lagerung werden erläutert. Ein öffentlicher Zugang zur Bibliothek würde massive Investitionen in Klimatisierung und Brandschutz erfordern, was für die gräfliche Familie nicht zu leisten ist. Seit 1980 gibt es einmal wöchentlich einen Führungstermin und jährlich eine Themenausstellung, aktuell mit Reisebüchern aus fünf Jahrhunderten. Viele bedeutende Privatsammlungen, so auch die des Klosters Arnsburg, wurden der Bibliothek vermacht und vervollständigen den Bestand.
Nach der Führung lassen wir uns im Schlossrestaurant, der Hirschfrikadelle, an einer langen Tafel im Schlossinnenhof bei klarem Sternenhimmel verwöhnen. Wir singen zusammen, und die letzten verlassen erst nach zwei den Hof.

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