13.-15. Oktober: erste Reise danach

Fürstenfeldbruck und Ulm

Anlässlich unseres Hochzeitstages probieren wir aus, wie es sich ohne Bahncard100 und ohne Ideengeber anfühlt, und wenn wir uns nichts besonderes vornehmen. Marlis kennt das optisch schöne, sprich modern und ohne Düdelei eingerichtete Hotel Fürstenfelder in Fürstenfeldbruck, das hat sie sich ausgesucht. Wir fahren mit Fahrkarte und Bahncard50, den Zirkus mit den Sparpreisen geben wir uns nicht, danach suche ich erst gar nicht. Wir genießen die freie Zugwahl, auch wenn wir auf der Hinfahrt fast den gewählten Zug nehmen, mit Verlängerung zum Münchner Isartor und Einkäufen. Die Fahrt klappt übrigens hin und zurück wunderbar. In München nehmen wir ein Partner-Tagesticket; auch das hätten wir uns sparen können, hätte ich gleich beim Fahrkartenkauf Umweg über München-Isartor eingegeben, das hätte das gleiche gekostet wie die direkte Strecke via München-Pasing. Bei Fahrkarten gibt es eben mehr zu beachten und auch Gestaltungsmöglichkeiten, für die Geografie hilft die VCD-Fahrplankarte. Das Wetter erinnert an den Anfang des Reisejahres: knackig blauer Himmel, am Tag in der Sonne mit richtiger Kleidung angenehm, nachts Rauhreif, im wesentlichen abgespeckte Winter-Packliste. Das Gepäck ist leichter: kleine Kamera, kein Stativ, kein Fotodrucker, weniger Netzteile, auf den kleinen Computer will ich nicht verzichten. Ich nehme meinen schicken Arbeitsrucksack, Folge ist, dass wir nützliches wie Lampe und Schraubenzieher vermissen. Es lohnt sich also doch, die bewährte Checkliste weiter zu nutzen! In Fürstenfeldbruck essen wir zweimal wunderbar in den Gasthäusern im Klosterkomplex Fürstenfeld, dem etwas gehobenen Bio-Restaurant Fürstenfelder und dem deftig bayrischen, bestens geführten und organisierten Klosterstübl, von dem wir begeistert sind, nicht zuletzt wegen der hausgemachten Windbeutel und der Ammersee-Renke. Der ganze Klosterkomplex, 1267 von den Zisterziensern gegründet, Ende des 17. Jahrhunderts auf Veranlassung des Münchner Hofes in höfischem Prunk barock neu gebaut, 1803 säkularisiert, ist äußerst sehenswert, heute mit Polizeifachhochschule, Stadtmuseum, Veranstaltungszentrum, Klosterladen und der integrierten, mit der wuchtigen, 43m hohen Barockfassade dominierenden Klosterkirche. Die üppige Innenausstattung hat leichten Rokoko-Einfluss, die Asam-Brüder haben maßgeblich mitgewirkt. Wir lassen uns Zeit, machen einen Spaziergang durch das übersichtliche Zentrum Fürstenfeldbrucks und über die Wehre der Amper und ihrer Verzweigungen durch die Amperauen bis zur Bahnbrücke und zum Minigolfplatz. Eigentlich ist er seit zwei Wochen in der Woche geschlossen, was noch nicht allgemein bekannt ist. Die Betreiber sind jedoch mit Umbauarbeiten beschäftigt; nach einem netten Schwätzchen bekommen wir alles Nötige und einen Besen für das Laub und dürfen dafür umsonst spielen, solange jemand da ist, wir schaffen eine komplette Runde, eine echt lustige Veranstaltung nach Jahrzehnten Minigolf-Abstinenz. So gehen wir den Tag locker an und haben etwas Zeit zum Lesen, es geht also auch gemütlich. In Fürstenfeldbruck wollen wir nicht mühsam nach weiteren möglichen Unternehmungen suchen, so kommt die Idee, einfach auf der Rückfahrt eine Unterbrechung einzulegen, eine Normalfahrkarte erlaubt das ja. Wir steuern also Ulm an, noch nie richtig angesehen und im Reisejahr nur zum Umsteigen genutzt. In Pasing auf dem Bahnsteig wieder ein Zufallstreffen: Daumanns aus Ludwigshafen stehen da, Rückfahrt aus dem Urlaub in Murnau mit Essen im Sternen in Seehausen, unser Aufenthalt im Reisejahr lässt grüßen. In Ulm gleich das Gepäck ins Schließfach, wie immer reicht ein Großes. Ulm macht uns viel mehr Spaß als erwartet: kompakte volle Fußgängerzone direkt ab Bahnhof mit schönen Geschäften, die Ulmer Neue Mitte mit dem neuen Museum Weishaupt – allerdings ohne Besuch -, Abschluss im zwar nicht lupenrein alten, aber malerischen und winkligen Gerberviertel mit vielen vollen Kneipen um das Flüsschen Blau, das hier mit zwei Armen mündet. Wir essen zünftig Schwäbisch im Zunfthaus der Schiffleute. Mittendrin liegt der Besuch des Ulmer Münsters, dessen spektakuläre Daten uns erst vor Ort klar werden: höchster Kirchturm der Welt mit 161 Metern, höchste Aussichtsplattform nach 768 Stufen auf 141 Metern, zwar gotisch, aber nach dem Geldmangel im 16. Jahrhundert 300 Jahre Baupause bis 1843. Der Turm wird 1890 fertig, 10 Jahre nach dem Turm des gotischen Kölner Domes mit ähnlicher Baugeschichte, der “nur” 157 Meter hoch ist mit Plattform auf 97 Metern. Die engen Wendeltreppen sind voll in den Bau integriert, ab der ersten Plattform laufen vier Treppen außen luftig an den Turmecken, ab der zweiten Plattform in der offenen Mitte der Spitze, bis diese so schmal wird, dass die Plattform kommen muss. Der Aufstieg ist ein echtes Abenteuer auch für uns Hochhausbewohner, der Blick auf die Donau noch schöner als unser Rheinblick. Und: oben entdeckt Marlis im Südsüdosten tatsächlich schemenhaft die Alpen, also die Zugspitzgegend in etwa 130 km Entfernung, was nur selten im Jahr möglich ist, ich sichere die Erkenntnis mit dem zuvor neu erstandenen Fernglas, das den auf der letzten Fähre von Hiddensee versehentlich entsorgten schrottreifen Vorgänger ersetzt. Begeistert über den Ulmer Zwischenhalt – man hat ja was gelernt im Reisejahr – fahren wir zurück nach Ludwigshafen.

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Eine Antwort auf 13.-15. Oktober: erste Reise danach

  1. Peter Krauss sagt:

    Im Radio Bericht über neue Architektur in Ulm gehört. Zum ersten Mal eure Such-/Schlagwortfunktion genutzt – gute Sache!